Unter Druck – Weltraumforschung in unserer Zeit

In den letzten zehn Jahren ist in der Raumfahrt die Entstehung und Expansion eines kommerziellen Sektors zu beobachten, in dem neue, private Akteure technologische Herausforderungen angehen, die vom Weltraumstart ¨¹ber die Kommunikation bis hin zu Satellitenbildgebung der Erde reichen. Mit mehr als 2660* Satelliten, interplanetaren Sonden, Landern und vielen anderen Objekten, die in die Erdumlaufbahn bzw. ins All geschossen wurden, hat die weltweite Raumfahrtindustrie letztes Jahr einen wahren H?henflug erlebt. In den USA war SpaceX f¨¹r fast 90 Prozent dieser Starts verantwortlich. Parallel dazu ist die Zahl der L?nder, die ¨¹ber Raumfahrtf?higkeiten verf¨¹gen, auf mehr als 70** gestiegen. Dies unterstreicht den allgemeinen Konsens und die Absicht, zugunsten der Menschheit weiterhin auf Aktivit?ten im Weltraum zu setzen. Durch diese Entwicklungen entsteht f¨¹r Forschende eine neuartige Landschaft des Wettbewerbs und der Kooperation, die sowohl Herausforderungen als auch Chancen bietet.

In einer zunehmend fragmentierten Welt ist die Wissenschaftsgemeinschaft ein Beispiel f¨¹r erfolgreiche internationale Kooperation und Diplomatie. Die Wissenschaft st¨¹tzt sich auf eine lange Tradition des Wissensaustauschs zum Nutzen der gesamten Menschheit, oft ¨¹ber politische Grenzen hinweg. Kosteng¨¹nstige kommerzielle Raumfahrttechnologien k?nnen neuartige Forschungsvorhaben erm?glichen oder die Kosten f¨¹r Studien senken und der Wissenschaftsgemeinschaft damit neue M?glichkeiten er?ffnen. Gleichzeitig k?nnen internationale Partnerschaften f¨¹r mehr Dialog, Diversit?t und Kooperation in Wissenschaft und Weltraumforschung sorgen. Dies mag wie ein ?Win-Win?-Szenario erscheinen, doch w?hrend das Interesse der Wissenschaftsgemeinschaft dem offenen Austausch von Daten und Analysen gilt, stellen unterschiedliche Prinzipien und Ideale der verschiedenen Akteure potenzielle Konfliktfelder dar. In dem Masse, in dem Regierungen und private Einrichtungen k¨¹hne neue Projekte finanzieren, machen sich Spitzenkr?fte in Politik, Akademie und Recht Gedanken ¨¹ber die daraus entstehenden Konsequenzen sowie die m?glichen Perspektiven.

F¨¹hrung unter Erfolgszwang und die Marslandung

?Wenn jede Mission f¨¹r die Menschheit eine Premiere ist, steht sehr viel auf dem Spiel?, sagt Thomas Zurbuchen, der so lange NASA-Wissenschaftsdirektor war wie niemand sonst und in dieser Funktion 54 Missionen geleitet hat. ?Wenn die Uhr tickt und die Welt zuschaut, ist das wichtigste Kapital einer F¨¹hrungskraft ein wirklich diverses Team?, sagt er. Hierbei kann Diversit?t sich aus internationalen und kommerziellen Partnerschaften ergeben und zu neuen Missionen f¨¹hren. Tats?chlich sind gesch?tzt bei zwei von drei wissenschaftlichen Missionen internationale Partnerschaften im Spiel.

Jetzt, als Leiter von ETH Z¨¹rich Space in der Schweiz, denkt Zurbuchen ¨¹ber den Wert von Partnerschaften als F¨¹hrungsinstrument nach. Anhand von Beispielen aktueller internationaler Missionen wie Mars InSight erkl?rt er, wie Diversit?t Chancen daf¨¹r schafft, dass neue und andere Ideen auf den Tisch kommen ¨C auch wenn manche Ideen ein gewisses Risiko bergen. Zudem spricht er einige Herausforderungen an, die sich aus Partnerschaften ergeben. So ziehen es manche Unternehmen und L?nder vor, ihre im Weltraum gesammelten wissenschaftlichen Daten nicht weiterzugeben, was die Reproduzierbarkeit f¨¹r wissenschaftliche Analysen erschwert. 

Grenz¨¹berschreitende Diffusion ¨C Lernen aus Blitzen auf der Venus

?Wissenschaftliche Ideen bewegen sich wie Weltraumplasmen?, sagt David Malaspina, Weltraumplasmaphysiker an der University of Colorado Boulder. ?Wenn sie auf Grenzen stossen, finden sie trotzdem einen Weg hindurch.? Malaspina bezeichnet internationale akademische Kooperationen als wichtigen Motor f¨¹r Entdeckungen und schreibt der Sprache der Wissenschaft zu, dass sie dem Universum gegen¨¹ber ein Gef¨¹hl der Ehrfurcht und des Staunens f?rdert, das Kulturen transzendiert. In der Wissenschaft wie bei Plasmen ist die Physik im Grenzbereich am interessantesten.

Malaspina engagiert sich in internationalen und generationen¨¹bergreifenden Forschungsteams. Eines dieser Teams baut eine H?henforschungsrakete, um die Schnittstelle zwischen Erde und Weltraum zu erforschen. Ein anderes Team, indem Malaspina mitwirkt, erforscht anhand von Daten der Parker Solar Probe die Venus, um die Bedeutung eines planetaren Magnetfeldes f¨¹r die Bewohnbarkeit erd?hnlicher Planeten zu verstehen. Er erkl?rt, wie Teams, die sich f¨¹r die Ber¨¹cksichtigung unterschiedlicher Perspektiven einsetzen, dem wissenschaftlichen Fortschritt neue M?glichkeiten er?ffnen.

Warum Stiefelabdr¨¹cke auf dem Mond sch¨¹tzen?

Im Gegensatz zu vorzeitlichen Fussabdr¨¹cken, H?hlenzeichnungen und Steinzeitwerkzeugen, die hier auf der Erde gefunden werden, sind die ersten Spuren menschlicher Aktivit?ten auf dem Mond nicht durch bestehende Gesetze oder Vorschriften gesch¨¹tzt, auch nicht Neil Armstrongs Stiefelabdruck. Das ist absurd, findet Michelle Hanlon, Weltraumrechtlerin und Gesch?ftsf¨¹hrende Direktorin des Center for Air and Space Law an der University of Mississippi School of Law.

Hanlon erkl?rt, warum der Schutz historischer St?tten auf dem Mond und anderswo im Weltraum nicht nur die Vergangenheit bewahrt, sondern auch eine wichtige Grundlage f¨¹r die Zukunft darstellt. Hanlon erforscht die rechtlichen L¨¹cken im Weltraum und fragt insbesondere, inwieweit das Weltraumrecht unterschiedliche Verpflichtungen f¨¹r wissenschaftliche und kommerzielle Aktivit?ten sowie f¨¹r staatliche und private Akteure vorsieht. Sie geht davon aus, dass in Bezug auf die Nutzung des Weltraums Recht, Ethik, Politik und Vertr?ge einen immer h?heren strategischen Stellenwert einnehmen werden, weil L?nder Konflikte vermeiden wollen.