Den Kulturschock vermeiden

Die Schweizerinnen und Schweizer sind p¨¹nktlich, reich, lieben Schokolade, sind Workaholics, ¨¹bertrieben pr?zise, jodeln leidenschaftlich gerne¡­ Dies sind einige der stereotypen Eigenschaften, die ihnen von einer Gruppe internationaler Master-Studierender aufgrund ihrer ersten Eindr¨¹cke in der Schweiz zugeschrieben wurden.

Kulturklischees seien ganz normale Erstimpressionen bei Ausl?nderinnen und Ausl?ndern, die sich f¨¹r einen Aufenthalt in unserem Land entscheiden, sagt Samuel van den Bergh, Professor f¨¹r Interkulturelles Management an der Z¨¹rcher Hochschule f¨¹r Angewandte Wissenschaften in Winterthur: ?Die ersten Impressionen eines Landes und seiner Menschen sind stereotyp. Durch die r?umliche Trennung von der vertrauten Welt sind die Unterschiede im Gastland zun?chst st?rker ausgepr?gt. Die Ausl?nderinnen und Ausl?nder versuchen, sich in die fremde Umgebung einzuf¨¹gen und sich darin zurecht zu finden.?

Die Zahl derer, die an der ETH Z¨¹rich mit diesen Unterschieden zurecht kommen m¨¹ssen, w?chst kontinuierlich. Das Rektorat bietet deshalb unter anderem einen Integrationsworkshop, um diese Personen willkommen zu heissen und sie w?hrend ihres Aufenthalts zu unterst¨¹tzen. K¨¹rzlich nahmen rund 100 neue Masterstudierende aus etwa 30 L?ndern am Workshop ?Understanding the Swiss ¨C Going beyond Stereotypes? (?Die Schweizer verstehen lernen ¨C Hinter die Klischees blicken?) teil.

Haben P¨¹nktlichkeit, Wohlstand und die Freude am Jodeln denn ¨¹berhaupt etwas mit der Schweiz zu tun? ?Oberfl?chlich betrachtet: ja?, erl?utert van den Bergh den Teilnehmenden eines solchen Workshop-Teilnehmenden, ?aber man muss darauf bedacht sein, nicht gleich ein ganzes Land in ein und denselben Topf zu werfen.?

Das Eis brechen

Die Identifikation mit der Kultur eines Gastlandes findet zun?chst an der Oberfl?che statt, das heisst visuell und kann beim Betrachter positive oder negative Reaktionen ausl?sen. ?Weshalb gibt es in der Schweiz ¨¹berhaupt Zivilschutzanlagen, wenn die Schweiz niemals Krieg f¨¹hren wird?? fragte jemand. Und ein anderer: ?Weshalb interessieren sich die Schweizer so sehr f¨¹r das Thema M¨¹lltrennung und die daf¨¹r vorgesehenen Sammelbeh?lter?? Sicherheit und Ordnung seien den Schweizerinnen und Schweizern eben sehr wichtig, antwortete van den Bergh.

Wer als Ausl?nder unter die Oberfl?che blicken m?chte, muss m?glicherweise erst einmal an der dieser Oberfl?che kratzen. So werden die zun?chst unsichtbaren kulturellen Tr?ger ¨C Werte, Glaubenss?tze, Normen, Annahmen ¨C sichtbarer. Die Anpassung an eine fremde Kultur kann davon abh?ngen, wie tief man in der eigenen Kultur verwurzelt ist. Ein Koreaner, der in der Schweiz lebt, wird beispielsweise nur schwer akzeptieren k?nnen, dass jemand in Anwesenheit ?lterer Menschen raucht. ?Um sich in einem fremden Land zurecht zu finden, kann man nicht die gleichen Verh?ltnisse wie daheim voraussetzen. Man muss sich bewusst sein, dass die Normen und Werte, mit denen man aufgewachsen ist, im Gastland nicht unbedingt dieselben sind?, sagt van den Bergh. ?Es gibt keine falschen oder richtigen Werte, nur verschiedene M?glichkeiten, die Dinge zu betrachten. Dabei ist es vollkommen in Ordnung, wenn jemand diese Unterschiede nicht mag. Die Beweggr¨¹nde dahinter zu verstehen, kann den Menschen helfen, damit klar zu kommen.?

Eine Frage der Zeit

?Ich liebe die Schweiz! Alles funktioniert hier, es ist genial!? ruft Tina, eine Master-Studentin aus Slowenien, die am Workshop teilnimmt. Im allgemeinen dauert der Anpassungsprozess f¨¹r Neuank?mmlige wie sie durchschnittlich drei bis sechs Monate, in manchen F?llen auch l?nger. Die allermeisten Ausl?nderinnen und Ausl?nder durchleben bei uns zun?chst eine ¡®Honeymoon¡¯-Phase: Alles ist neu und spannend und wird folglich in einem positiven Licht gesehen. Danach folgt in der Regel eine Phase der Ern¨¹chterung: Man nimmt die mangelnde kulturelle ?bereinstimmung nun st?rker wahr, was wiederum das Gef¨¹hl der Fremdheit verst?rkt. ?Sich ein soziales Leben hier aufzubauen, ist schwierig?, sagt Stan, ein Chemiestudent aus Holland, der seit rund sechs Monaten in der Schweiz lebt. ?Ausgehen ist teuer, ausserdem sind die Schweizer nicht spontan. Alles muss im voraus geplant und abgesprochen sein.?

Ein Kulturschock findet dann statt, wenn neue, unvorhersehbare Probleme ¨¹berhand nehmen und die ausl?ndischen G?ste dadurch frustriert und ¨¹berfordert sind. Es f?llt ihnen schwer, sich mit den kulturellen Unterschieden auseinanderzusetzen, und oftmals f¨¹hlen sie sich hilflos dabei. Diesen Schock zu ¨¹berwinden, geschieht nicht automatisch: Einige von ihnen kommen nie aus dieser Spirale heraus. Man schafft es nur, wenn man die Unterschiede zum eigenen Land akzeptiert, die Herausforderungen annimmt und versucht, sich auf die positiven Dinge im Gastland zu konzentrieren.

Laut van den Bergh besteht das Geheimnis bei der ?berwindung des Kulturschocks darin, seinen Sinn f¨¹r Humor nicht zu verlieren und sich bewusst zu sein, dass man in der Tat der ?komische Fremde? ist. Wie es ein weiser Mann einst formulierte: ?In der Fremde ist nur der Fremde exotisch.?