Ideen-Marathon für nachhaltige Mobilität

Es ist ein Sonntagabend Mitte November, leichter Nieselregen, der die spektakul?r beleuchtete Budapester Altstadt schimmern l?sst. Bei meiner Ankunft im leer ger?umten Restaurant erwarten mich rund 150 junge Leute, die sich zwei Tage lang zu den Themen Nachhaltigkeit der Mobilit?t und Ressourceneffizienz austauschen wollen.

S-Bahn und Autos
(Bild: duron123 / freedigitalphotos)

Organisiert hat den Anlass das European Institute of Innovation and Technology (eit). Das eit verfolgt das Ziel, die europ?ische Wirtschaft langfristig nachhaltiger und kompetitiver zu gestalten, indem es Innovation und Unternehmensgründung im Bereich der Nachhaltigkeit f?rdert (siehe Box). Beim Workshop in Budapest treffen sich Studenten, Doktorierende und Jungunternehmerinnen, die sich gemeinsam den Themen nachhaltige Mobilit?t und ressourceneffiziente St?dte stellen.

In Gruppen von je vier Personen um einen Stehtisch wird lebhaft diskutiert, einander vorgestellt, Ideen skizziert, verworfen oder auf Post-Its neu gruppiert. Nach fünf Minuten rotieren wir und neue Gruppen entstehen, aber die Ideen bleiben auf dem Tisch und wir spinnen den Faden der anderen weiter, einfach neu zusammengewürfelt. Was machen wir hier eigentlich? Einen Innovations-Marathon!

Vielf?ltiger Ideen-Strauss

Platzhalter

An unserem Tisch fragen wir uns beispielsweise, wie der ?ffentliche Verkehr attraktiver werden kann. Was sagt die Forschung dazu? Ticken Europa und Entwicklungsl?nder gleich? Wie komme ich als Forscher an Daten zur ?V-Nutzung? Durch die verschiedenen Blickwinkel und Hintergründe der Teilnehmenden entsteht am Schluss ein ganzer Strauss an Ideen. Jemand will eine App entwickeln, die das Zu-Fuss-Gehen und Joggen zur Arbeit popul?rer machen will (externe Seite www.runtroll.com). Andere überlegen sich Podcasts speziell für ?V-Benutzer zu entwickeln, mit denen sie sich beim zur Arbeit Pendeln weiterbilden k?nnen; ein Angebot, das als Anreiz für Autofahrer dienen soll, umzusteigen. Wieder andere schreiben Programme, um Mobilit?ts- und Energieverbrauchsdaten einfach zu visualisieren. Eine Gruppe züchtet Fische und Gemüse in der Stadt (externe Seite www.growup.org.uk/). Die Liste an Ideen ist am Ende der Veranstaltung sehr lang, zum Teil schr?g, vielversprechend oder bereits in Umsetzung. Ein paar übergreifende Gemeinsamkeiten lassen sich dabei ausmachen.

1. Teilen. Weil man so mehr hat als man je besitzen k?nnte. In den Gespr?chen f?llt mir auf, dass es für viele junge Europ?er selbstverst?ndlich sein wird, kein eigenes Auto mehr zu haben. Ihre Businessmodelle gründen folglich auf dem Prinzip des Teilens. Neben dem klassischen Car-Sharing sind das neuartige Mitfahrb?rsen im Pendler- und Reiseverkehr. Oder auch ein flexibler ?V-Anbieter, bei dem sich in den Nebenverkehrszeiten die Passagiere den Platz mit einfachen Transportgütern teilen wie zum Beispiel Lebensmittelauslieferungen.

2. Kurze Wege. Sei es Energie, seien es Nahrungsmittel – sie alle sollen dort produziert werden, wo sie konsumiert werden. Das spart nicht nur Kosten, es entlastet auch die Umwelt.

3. Kreisl?ufe schliessen. Der Abfall eines Prozesses soll m?glichst immer als Rohstoff eines anderen dienen. Das macht diese Prozesse kosteneffizienter und reduziert Transport- und Produktionsenergie.

4. Alle Ideen brauchen die n?tigen politischen Rahmenbedingungen. Nur so rechnen sie sich und k?nnen etwas bewirken.


Im grossen Rahmen umdenken


Gerade der letzte Punkt ist für mich ein sehr spannender. In jedem Land Europas wird eine etwas andere Verkehrs- und Planungspolitik verfolgt. Dementsprechend beurteilen Personen aus verschiedenen L?ndern das Potenzial der gleichen Idee ganz unterschiedlich. Oft stellen die Teilnehmenden fest, dass die Idee gut und richtig ist, nur mache ihr Land eben leider die falsche Politik dafür.

? Immer noch geniesst ein flüssiger Strassenverkehr erste Priorit?t und absorbiert dementsprechend viele Investitionen – ein Thema, das ja auch in der Schweiz im Zuge der anstehenden Abstimmungen aktuell ist.
? Immer noch k?nnen hohe Betr?ge für Pendlerkosten von den Steuern abgezogen werden. Der Anreiz an die Gesamtgesellschaft, sich mit klugen Wohnen-Arbeiten-Modellen auseinander zu setzten, ist sehr gering.
? Immer noch wird mit pauschalen Agrarsubventionen eine überholte Landwirtschaft gestützt, statt dass integrativen nachhaltigen Produktionsmodellen eine Chance gegeben wird.
? Immer noch wird altmodisch produzierte Energie direkt oder indirekt subventioniert. Dies nimmt allen L?sungen, die Energie sparen oder auf umweltvertr?glichere Weise produzieren, viel Wind aus den Segeln.


Bei all der Ungeduld und dem Enthusiasmus, beim eit-Workshop mit neuen Ideen etwas zu bewirken, hat es mich dann doch etwas nachdenklich gestimmt, dass anscheinend von all den etwa 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern nur ein Kollege und ich externe Seite mit dem Zug angereist sind. Und dies trotz sehr guter externe Seite Nachtzug-Verbindungen aus den meisten Regionen Europas. Auch hier braucht es also noch einiges an Umdenken.

Weiterführende Informationen

Das externe Seite eit ist die EU Organisation, die sich um die Innovation in Forschung und Wirtschaft innerhalb Europas kümmert. Sie hat bisher drei KICs (Knowledge and Innovation Communities) gegründet: Eine im Bereich Klimawandel und Adaption, eine im Bereich nachhaltige Energie und eine für Kommunikations- und Informationstechnologien. Sie unterstützt damit die Ausbildung und Forschung, aber auch die Gründung von Unternehmen. Auch die ETH Zürich ist ein Standort im Climate KIC.

Zum Autor

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert