Forschungslabor aus Laubholz

Das Geb?ude, bei dem derzeit das oberste Geschoss entsteht, hat viele Vorteile: Dank des einfachen Skelettbaus ist der Grundriss flexibel, die Innen- und Aussenw?nde k?nnen beliebig angeordnet werden. Transparente Fassaden und eine fugenlose Aussenh¨¹lle sollen es zu einem angenehmen Arbeitsort machen. Doch der Bau mit dem Namen House of Natural Resources (HoNR) ist viel mehr als ein simples B¨¹rogeb?ude ¨C es ist ein Labor f¨¹r nachhaltiges Bauen, an dem die ETH Z¨¹rich neue Technologien und Bauteile testet, die sonst noch nirgends verwendet wurden.

Transdisziplin?res Projekt

Als die Versuchsanstalt f¨¹r Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) im Fr¨¹hjahr 2013 vom Stadtzentrum auf den H?nggerberg umzog, wurde schnell klar, dass deren Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zus?tzliche B¨¹ror?ume ben?tigen. Warum nicht die Gelegenheit nutzen und aus dem Annexbau gleich ein transdisziplin?res Forschungsprojekt machen? Sechs ETH-Professoren und -Professorinnen aus den Instituten f¨¹r Baustatik und Konstruktion, f¨¹r Baustoffe und f¨¹r Technologie in der Architektur liessen sich f¨¹r die Idee begeistern und realisieren nun ihre Forschungsprojekte direkt am Bau.

Im House of Natural Resources sollen Solarelemente mit Hilfe von Holzmodulen ausgerichtet werden und eine adaptive Solarfassade f¨¹r zus?tzlichen Strom sorgen. Eine neuartige Holzfassade verspricht zudem erh?hte Witterungsbest?ndigkeit und Stabilit?t. Diese Elemente sind noch in Planung. Bereits im Bau sind die beiden Forschungsprojekte, die sich mit der innovativen Nutzung von Laubholz besch?ftigen.

Einzigartige Verwendung von Schweizer Laubholz

So kommt beim Projekt eine Weltneuheit zum Einsatz: eine Holz-Beton-Verbunddecke mit Buchenholz aus Schweizer W?ldern. Eine rund vier Zentimeter starke Buchenholz-Furnierplatte dient sowohl als Schalungselement als auch als Armierung und ist gleichzeitig eine attraktive Oberfl?che. Taschenf?rmige Vertiefungen in der Platte gew?hrleisten den Verbund mit der 16 Zentimeter dicken Betonschicht, die aufgebracht wird. Dadurch entsteht eine Verbunddecke, die ?hnlich gute Trageigenschaften hat wie Stahlbetondecken, die meistverbauten Tragelemente in der Schweiz.

Auch die Rahmenkonstruktion im HoNR besteht aus Schweizer Holz und ist aus mehreren Gr¨¹nden einzigartig: Die St¨¹tzen bestehen zu 100 Prozent aus Eschenholz, die Tr?ger sind aus Esche und Fichte zusammengesetzt, um die Festigkeit zu erh?hen. F¨¹r beide Komponenten wurde sogenanntes Brettschichtholz verwendet, bei dem verschiedene Holzlamellen in der gleichen Faserrichtung ¨¹bereinander geklebt werden. Die Knoten, in denen sich Tr?ger und St¨¹tze treffen, sind durch Laubholz verst?rkt und besonders steif. Zudem sind alle Tr?ger mit einem Kabel, das im Innern durch das Holz geht, vorgespannt. Die Tr?ger zentrieren sich dadurch selber, und die gesamte Tragkonstruktion ist besonders verformbar, was sie deutlich erdbebensicherer macht. ?Diese neuartige Konstruktion, die wir im Rahmen eines laufenden KTI-Projektes entwickelt haben und erstmals im HoNR testen, kann gut vorgefertigt und schnell aufgebaut werden. Dadurch ist nicht nur die Verbunddecke, sondern auch die vorgespannte Rahmenkonstruktion sehr kosteng¨¹nstig?, erkl?rt Projektleiter Andrea Frangi, Professor f¨¹r Holzbau am Institut f¨¹r Baustatik und Konstruktion der ETH Z¨¹rich.

Mehr Laubholz wegen Klimaerw?rmung

Ob sich diese Rahmenkonstruktion und diese Art der Holz-Beton-Verbunddecke auch auf lange Sicht bew?hren, wird das Forschungsprojekt zeigen. Da die Forschenden das HoNR st?ndig mit Sensoren ¨¹berwachen, k?nnen sie erstmals das Tragverhalten in einem realen Geb?ude unter Gebrauch ¨¹ber mehrere Jahre untersuchen. Und weil die Kollegen der VAW das Geb?ude nutzen, k?nnen die Forschenden nicht nur messbare Gr?ssen wie Verformungen, Schwingungen, Spannungen beobachten, sondern auch die subjektiven Wahrnehmungen der Nutzer ¨C wie Wohlbefinden, Behaglichkeit, Empfinden von Schwingungen ¨C in ihre Untersuchung miteinbeziehen. Wertvolle Daten, die mit reinen Laborversuchen unm?glich zu erheben w?ren.

Das ETH-Projekt legt besonders viel Wert auf die Verwendung von Laubholz, denn der Anteil an Laubb?umen nimmt im Schweizer Wald als Folge der Klimaerw?rmung zu. Bislang wird aber zum Beispiel Buchenholz haupts?chlich f¨¹r den Innenausbau und f¨¹r M?bel oder direkt f¨¹r die Energienutzung verwendet; letzteres ist aus ?kologischer Sicht wenig sinnvoll. Wird Holz zuerst m?glichst hochwertig, beispielsweise im Holzbau, eingesetzt und nach weiteren Verwertungsstufen erst am Ende des Lebenszyklus verbrannt, verbessert dies die Emissionsbilanz wesentlich.