Polymer in zwei Dimensionen
Das hauchdünne Material Graphen ist derzeit das Liebkind vieler Materialwissenschaftler. ETH-Forschern ist es nun gelungen, ein beinahe ebenso dünnes synthetisches Polymer herzustellen. Es ist das erste Mal, dass ein synthetisches fl?chiges Polymer hergestellt und die Struktur gleichzeitig mittels R?ntgenkristallographie analysiert wird.
Polymere sind Stoffe, die aus einer Vielzahl miteinander verbundener und sich wiederholender identischer Einzelmoleküle bestehen. Wenn Chemiker bisher Polymere entwickelten und herstellten, dann in der Regel in Form von eindimensionalen, langen Ketten. Die Textilfaser Nylon ist ein Beispiel dafür. Ausserdem ist es m?glich, Polymerketten dreidimensional miteinander zu einem unregelm?ssigen Netzwerk zu verknüpfen, wie das etwa bei Kunstharzen oder Silikonen der Fall ist.
Neu hingegen ist die Entwicklung von Polymeren, deren Wiederholungseinheiten sich in genau zwei Dimensionen aneinanderreihen. Wissenschaftler versprechen sich davon interessante Anwendungen. Denn damit k?nnen synthetische nanometerdünne Bl?tter hergestellt werden, ?hnlich dem Material Graphen, das derzeit in aller Munde ist.
Zylinder mit Flügeln
Materialwissenschaftler aus der Gruppe von Dieter Schlüter, Professor am Institut für Polymere, arbeiten seit einigen Jahren an der Entwicklung solcher Polymere. Sie waren es, die vor zwei Jahren zum ersten Mal überhaupt ein synthetisches fl?chiges Polymer herstellten. Bei diesem war es jedoch nicht m?glich, die Struktur mittels R?ntgenkristallographie eindeutig aufzukl?ren. Nun ist es ihnen zeitgleich mit einer unabh?ngigen amerikanischen Gruppe erstmals gelungen, ein weiteres 2D-Polymer herzustellen, bei dem die Strukturaufkl?rung m?glich war. Die ETH-Forschenden lieferten damit den noch ausstehenden direkten Beweis, dass synthetische zweidimensionale Polymere tats?chlich existieren.
Beim 2D-Polymer der ETH-Wissenschaftler hat der Einzelbaustein (das Monomer) die Form eines nanometerkleinen Zylinders mit drei seitlichen Flügeln. Um fl?chige Polymere zu erhalten, lassen die Forschenden die Monomere kristallisieren, wodurch sie sich in einer regelm?ssigen Gitterstruktur anordnen. Bestrahlen die Wissenschaftler die Kristalle mit UV-Licht, reagieren die Flügel der verschiedenen Monomereinheiten miteinander und gehen eine feste chemische Bindung ein. Es entsteht ein schieferartiger Kristall aus einzelnen, übereinander gelagerten Schichten. Versetzen die Forschenden diesen Polymer-Kristall mit einer starken S?ure, quillt er auf, die einzelnen Schichten lassen sich so voneinander trennen.
Erg?nzung für Graphen
Um über konkrete Anwendungen ihrer neuen, synthetischen Nano-Bl?tter zu sprechen, sei es noch zu früh, sagt Max Kory, Doktorand in Schlüters Gruppe und Erstautor der Arbeit. ?Momentan sind wir daran, dessen Eigenschaften zu bestimmen?, so Kory. Doch das Material sei sehr funktionell. Interessant sei zum Beispiel, dass man den Kristall verh?ltnism?ssig einfach mit UV-Licht von der Monomer- in die Polymer-Form und wieder zurück reagieren lassen k?nne. Dadurch sei es beispielsweise denkbar, analog zum Fotosatz einzelne Regionen des Kristalls mit UV-Licht zu bestrahlen und andere unbestrahlt zu lassen. So k?nnte man frei strukturierte Polymer-Bl?tter erhalten. ?Wegen diesen zus?tzlichen Eigenschaften sehen wir unser Material nicht etwa als Ersatz für Graphen, sondern als Erg?nzung.?
Bis anhin gelang es den Chemikern, einige Gramm dieses Materials herzustellen. Gemeinsam mit einem Industriepartner planen sie, es im Kilogramm-Massstab zu produzieren und die Eigenschaften sowie m?gliche Anwendungen umfassend zu untersuchen.
Literaturhinweis
Kory MJ, W?rle M, Weber T, Payamyar P, van de Poll SW, Dshemuchadse J, Trapp N, Schlüter AD: Gram-scale synthesis of two-dimensional polymer crystals and their structure analysis by X-ray diffraction, Nature Chemistry, Online-Ver?ffentlichung 27. Juli 2014, doi: externe Seite 10.1038/nchem.2007