Soforthilfe bei Überdosis

Bei einer ?berdosis z?hlt jede Minute. ETH-Professor Jean-Christophe Leroux und sein Team haben ein Mittel entwickelt, mit dem das Gift schneller und effizienter aus dem K?rper gefiltert wird. Darüber hinaus kann es bei der Dialyse von Patienten mit Leberversagen eingesetzt werden.

Vergr?sserte Ansicht: Pillen
Die neue Therapie k?nnte das ?berleben von Personen sichern, die zu viele Pillen geschluckt haben. (Bild: falcatraz / iStock)

Bislang gibt es am Markt nur für wenige Medikamente ein Gegengift. Vielfach müssen sich die ?rzte bei einer ?berdosis auf unterstützende Massnahmen wie Erbrechen beschr?nken. Vor allem bei einem Medikamentencocktail ist die Behandlung schwierig. Was also tun, wenn ein Kind beim Spielen verschiedene Pillen seiner Grossmutter schluckt? Auf diese Frage wollte ETH-Professor Jean-Christophe Leroux vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der ETH Zürich eine Antwort finden. ?Es ging darum, ein Mittel zu entwickeln, mit dem viele verschiedene toxische Substanzen m?glichst schnell aus dem K?rper entfernt werden k?nnen?, sagt er.

Bekannt war Leroux und seinem Team, dass Lipid-Emulsionen Medikamente an sich binden k?nnen, wenn sie in die Blutbahn injiziert werden. Diesen Ansatz verfolgten die Wissenschaftler in ihrer eigenen Forschung weiter. So entwickelten sie ein Mittel, das auf Liposomen basiert, kleinsten Bl?schen mit einer Lipidmembran als Aussenhülle. Statt per Injektion wird das Mittel als Dialyseflüssigkeit bei der sogenannten Bauchfelldialyse (Peritonealdialyse) eingesetzt. Diese Dialysemethode ist weniger verbreitet als die H?modialyse, die die vor allem als dauerhafte Therapie bei Nierensch?den bekannt ist.

Toxische Stoffe aus dem K?rper ?waschen?

W?hrend das Blut bei der H?modialyse in einer Maschine im Krankenhaus ?gewaschen? wird, wird es bei der Peritonealdialyse innerhalb des K?rpers von Giftstoffen befreit. Das Bauchfell dient als Dialysemembran. Die Dialyseflüssigkeit wird über einen Katheterin in den Bauchraum geleitet. Dort entzieht sie dem K?rper die durch das gut durchblutete Bauchfell tretenden Schadstoffe. Bei der neuen Dialyseflüssigkeit der ETH-Forschenden gelangen die toxischen Verbindungen ins Innere der Liposomen und werden dort gebunden. Ist die L?sung mit toxischen Stoffen ges?ttigt, wird sie über den Katheter wieder aus dem Bauchraum abgelassen. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass das neue Mittel dabei besonders wirkungsvoll ist. ?Unsere Peritonealdialyse-Flüssigkeit kann bis zu hundert Mal mehr Schadstoffe extrahieren als herk?mmliche?, berichtet der ETH-Professor.

Ihrem Prinzip nach ist die Peritonealdialyse für den Notfalleinsatz bei einer ?berdosis besonders attraktiv. Im Gegensatz zur H?modialyse erfordert sie kein aufwendiges Equipment und kann selbst fernab von einem Krankenhaus durchgeführt werden.

Neue Einsatzgebiete für Peritonealdialyse

Bislang fristete die Peritonealdialyse dennoch ein Nischendasein. Insgesamt nutzen weltweit gerade mal 10 Prozent der Dialysepatienten diese Methode. Bei einer ?berdosis kommt sie sogar so gut wie nie zum Einsatz. Zu den Gründen z?hlt zum einen, dass die Blutreinigung bei der Peritonealdialyse mit den bisher zur Verfügung stehenden Dialysemitteln oft weniger effektiv war als bei der H?modialyse. Zum anderen besteht auch eine h?here Infektionsgefahr. Die Kathetereintrittsstelle kann sich entzünden, und darüber k?nnen Bakterien in den Bauchraum eindringen. ?rzte w?hlten die Peritonealdialyse daher nur bei einer kleinen Minderheit von Patienten, deren Blut wegen Nierenversagens von giftigen Stoffwechselprodukten gereinigt werden muss.

Die Forschungsergebnisse der ETH-Wissenschaftler k?nnten der Peritonealdialyse zu neuen Einsatzm?glichkeiten verhelfen – und das in doppelter Hinsicht. Denn Leroux und sein Team stellten im Zuge ihrer Forschungen freudig fest, dass ihre Dialyseflüssigkeit den K?rper neben den Medikamentenrückst?nden auch von giftigen Stoffwechselprodukten befreit.

Behandlung schwerer Lebererkrankungen

Besonders bei schweren Lebererkrankungen versprechen sich die Forschenden neue Therapiem?glichkeiten. An dem Bedarf hat Leroux keinen Zweifel. Denn neben Hepatitis und hohem Alkoholkonsum k?nnen vor allem ?bergewicht und Fettleibigkeit zu Erkrankungen der Leber führen. Da immer mehr Menschen in der industrialisierten Welt mit ?bergewicht k?mpfen, ist dies im wahrsten Sinne des Wortes ein Problem, das zunimmt.

Bei Lebererkrankungen, bei denen sich Ammoniak im Blut anreichert, scheint die Dialyseflüssigkeit besonders wirkungsvoll. Untersuchungen an Ratten haben ergeben, dass mit dem Mittel giftiger Ammoniak wirkungsvoll entfernt wird. So k?nnte bei Neugeborenen, die mit einer Stoffwechselst?rung wie dem Harnstoffzyklusdefekt auf die Welt kommen, eine Peritonealdialyse wirksame Soforthilfe leisten. ?Wird ein Baby nicht innerhalb von Stunden nach der Geburt behandelt, drohen bereits irreparable Hirnsch?den?, erl?utert Leroux. Die Peritonealdialyse eignet sich gut bei Neugeborenen, da bei ihnen der Venenzugang für eine H?modialyse schwierig und das Risiko von Thrombosen hoch ist.

Nach den erfolgversprechenden Ergebnissen will das Team von ETH-Professor Jean-Christophe Leroux das Mittel nun für den Einsatz in der Medizin weiterentwickeln. L?uft alles wie geplant, werden in den kommenden fünf Jahren erste klinische Studien m?glich sein.

Literaturhinweis

Foster V, Signorell RD, Roveri M, Leroux JC: Liposome-supported peritoneal dialysis for detoxification of drugs and edogenous metabolites. Science Translational Medicine 2014. 6: 258ra141, doi: externe Seite 10.1126/scitranslmed.3009135

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