Pionier des Schweizer Internets tritt ab

Professor Bernhard Plattner strahlt Ruhe aus. Er ist offensichtlich im Reinen mit dem, was er geleistet hat und auch damit, dass nun ein neuer Abschnitt in seinem Leben beginnt. 30 Jahre seines Lebens hat er an der ETH Z¨¹rich der Erforschung von Computernetzen und des Internets gewidmet, seit 1994 als ordentlicher Professor. Am 1. August wird er offiziell in den Ruhestand verabschiedet.

Pl?ne f¨¹r die ?Zeit danach? hat er bereits. Und sie haben ¨C zumindest teilweise - nichts mit seiner beruflichen T?tigkeit zu tun. Der Professor f¨¹r Technische Informatik, der laut eigener Aussage auch privat das Internet intensiv nutzt, will seine F?higkeiten als Koch verbessern. Damit kehrt er gewissermassen zu seinen Wurzeln zur¨¹ck. Noch vor seinem Studium der Elektrotechnik an der ETH Z¨¹rich verdiente er sich als junger Gymnasiast in den Sommerferien sein erstes Geld als Hilfskoch und stieg bis zum Entremetier auf. Seine Lieblingsspeise: Fischgerichte in allen Variationen inklusive Sushi.

Beantragte Schweizer Internetdomain

Bernhard Plattner, der 1950 in Bern geboren wurde, hat die gesamte Entstehung des Internets erlebt und vor allem in der Schweiz entscheidend mitgepr?gt. Bereits 1987 registrierte er die f¨¹r die Schweiz die Domain .ch. Auch war er aktiv mit dabei, als im selben Jahr Bund und Universit?ten die Stiftung ?Switch? gr¨¹ndeten; als erster Direktor leitete er interimistisch die Gesch?ftsstelle der Stiftung.

Switch betreibt die Hochschulnetzwerke der Schweizer Hochschulen und registriert s?mtliche .ch- und .li-Domain-Namen. Bis Ende 2014 hat Switch die Domains auch selbst verkauft, doch diese Aufgabe wurde jetzt an verschiedene Internetdienstleister ¨¹bertragen.

Der Nutzen im Fokus

?Ende der Achtzigerjahre hat noch niemand an eine kommerzielle Nutzung des Internet gedacht?, res¨¹miert er. Damals ging es in erster Linie darum, den Austausch per E-Mail zwischen den Hochschulen und den Zugang der Forscher zu Hochleistungsrechnern zu erm?glichen.

Im Gespr?ch mit Bernhard Plattner zeigt sich schnell, dass es ihm um die Chancen und das Potenzial des Internets geht. Er will wissen, wie dieses ?Netz der Netzwerke? funktioniert und wie es noch besser werden kann. Dabei ist ihm die Anwendbarkeit, der Nutzen, sehr wichtig. Das hat Plattner auch all seinen Doktoranden mit auf den Weg gegeben. ?Ihre Forschungsarbeiten sollten drei Anforderungen erf¨¹llen: Erstens sollte sie etwas sein, was noch niemand vorher gemacht hat. Zweitens sollten ihre L?sungen besser sein als vergleichbare, fr¨¹here Ans?tze. Und drittens sollten die Resultate n¨¹tzlich sein.?

Sein Engagement zur Verbreitung des Internets in der Schweiz und vor allem an den Hochschulen war vielseitig. Neben international beachteten Publikationen trugen Programme wie ETH World, das er von 2002 bis 2005 leitete, dazu bei. Im Rahmen von ETH World wurde unter anderem an neuen Lehrmethoden und an Ans?tzen f¨¹r die Zusammenarbeit bei r?umlicher Trennung ¨C ?virtual presence? ¨C gearbeitet. Das Projekt ?Neptun? erm?glicht es bis heute Studierenden und Mitarbeitenden Laptops g¨¹nstig zu erwerben. Wobei die Dienste von externe Seite Neptun seit 2007 allen Schweizer Hochschulen zur Verf¨¹gung stehen.

Entwickelt wurde auch ein  Internettelefonie-Dienst f¨¹r ETH-Angeh?rige, der jedoch Ende 2013 eingestellt wurde. Plattner selbst z?hlt zu den Vorreitern im Bereich Internettelefonie. ?Ich habe schon seit 2002 kein Festnetz mehr und telefoniere seitdem nur ¨¹bers Internet.? Einzig von sozialen Netzwerken h?lt er sich fern. Als Hauptgrund nennt er den Faktor Zeit, meint aber, dass es auch eine Generationsfrage sein k?nnte.

Erwartungen an die Zukunft des Internet

F¨¹r die Zukunft erwartet Bernhard Plattner ein immer st?rkeres Verschmelzen der virtuellen mit der realen Welt. Dazu geh?rt f¨¹r ihn zum Beispiel, dass ein Auto nach einem Unfall selbst?ndig Polizei und Rettungswagen alarmiert oder dass ein Smartphone nach einem Lawinenniedergang einen Notruf absetzt ¨C so wie es die vom ETH Spin-Off ?externe Seite Uepaa Swiss Alpine Technology? entwickelte App kann.

Aus Plattners Sicht sind k¨¹nftig aber auch grunds?tzliche Neuerungen im Netz notwendig. ?Es steht eine Renovation des Internets selbst an, denn die Basistechnik ist mittlerweile 30 Jahre alt.? Entsprechend forschen die Wissenschaftler am Institut f¨¹r Technische Informatik und Kommunikationsnetze (TIK), das er gemeinsam mit Professor Albert K¨¹ndig 1990 gr¨¹ndete, an der Frage, wie sich die Steuerung des Internets verbessern lassen k?nnte.

Das Stichwort lautet ?Software Defined Network? (SDN). Diese neue Technologie hat zum Ziel, das Internet durch eine bessere Koordination effizienter zu verwalten. Offen ist bislang vor allem die Frage, wo und wie die Koordination stattfinden soll und inwieweit das die Sicherheit des Netzes beeinflusst.

Generell sieht der Professor f¨¹r Technische Informatik den Schutz der Privatsph?re als weiteres wichtiges Thema. Er rate all seinen Studierenden stets zu einer gesunden Vorsicht bei der Nutzung des World Wide Web. ?bertrieben ?ngstlich solle man aber auch nicht sein, f¨¹gt er hinzu. ?Jede neue Technologie hat positive und negative Seiten ¨C das ist unvermeidbar.?

Seine Anliegen leben weiter

Um den Fortgang der Forschung an seinem Institut, das zum Departement f¨¹r Informationstechnologie und Elektrotechnik geh?rt, macht Plattner sich keine Sorgen. Er weiss, es wird auch ohne ihn weiterbestehen. Laurent Vanbever, seit Januar 2015 Assistenzprofessor an der ETH, wird die Forschung in diesem Fachgebiet weiterf¨¹hren. Und auch sonst werden Plattners Ideen weiterleben.

So meint er denn mit einem leichten Schmunzeln: Es habe vielleicht nicht f¨¹r den Nobelpreis gereicht, doch daf¨¹r habe er 52 Doktoranden promoviert und 300 bis 400 Masterstudierende begleitet. ?Dies ist? ¨C und das sagt er aus tiefer ?berzeugung und mit gewissem Stolz ¨C ?die bedeutendste Wirkung, die man als Professor erreichen kann.?