Aus zwei mach vier Grad

Die Welt hat sich entschieden, Massnahmen zu ergreifen, damit die globale durchschnittliche Erw?rmung die Zwei-Grad-Marke nicht überschreitet. Was aber bedeutet das für die Temperatur und die Verteilung von Starkniederschl?gen auf regionaler Ebene? Klimaforscher haben dies nun berechnet.

Vergr?sserte Ansicht: Stausee von Sau, Spanien (Bild: flickr.com/Josep Enric)
Das Mittelmeergebiet wird sich st?rker erw?rmen als zwei Grad. Schon heute leidet die Region - im Bild das Reservoir Pantà de Sau in Katalonien - unter Hitzewellen und Trockenheit. (Bild: flickr.com/Josep Enric)  

An der vergangenen Klimakonferenz COP21 in Paris hat die Versammlung ein Abkommen beschlossen, das die Begrenzung der globalen Erw?rmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius vorsieht. Denn mittlerweile sind sich Wissenschaft und Politik einig: Um zwei Grad darf sich die globale Durchschnittstemperatur maximal erh?hen, damit Mensch und Umwelt keine gravierenden und nicht umkehrbaren Sch?den erleiden.

?Dieses Klimaziel ist jedoch abstrakt und l?dt zu Missverst?ndnissen ein?, sagt Sonia Seneviratne, Professorin für Land-Klima-Dynamik an der ETH Zürich. Viele würden zwei Grad global als 2-Grad-Erw?rmung in ihrer Region interpretieren und dementsprechend die CO2-Emissionen in ihren L?ndern zu wenig energisch senken.

Denn verschiedene Klimamodelle zeigen auf, dass über Land die Temperatur st?rker ansteigen wird als über Meer. Die grosse Frage ist deshalb, wie sich eine maximale globale 2-Grad-Erw?rmung auf einzelne Weltregionen auswirkt.

Erste quantitative Darstellungen

Eine Gruppe von Klimaforschenden der ETH Zürich, der australischen Universit?t New South Wales und der Loughborough Universit?t (GB) unter Seneviratnes Federführung ist dieser Frage nun nachgegangen. Die Wissenschaftler haben erstmals berechnet, auf welches Niveau die Extrem- und Durchschnittstemperaturen sowie die Starkniederschl?ge in einzelnen Regionen zu liegen kommen, wenn als Referenz der durchschnittliche globale Temperaturanstieg verwendet wird.

Die vorliegende Studie, die soeben in Nature als ?Perspective? ver?ffentlicht wurde, ist eine der ersten quantitativen Darstellungen zu dieser Frage. Qualitativ wurden die Zusammenh?nge schon mehrfach untersucht. Diese Studie wurde über Seneviratnes ERC-Consolidator Grant-Projekt ?DROUGHT-HEAT? unterstützt.

Als Basis für ihre Berechnungen dienen der Forschungsgruppe mehrere bestehende Klimaszenarien sowie die vermutete und effektive Entwicklung der CO2-Konzentration in der Atmosph?re.

Eines der zentralen Resultate der Berechnungen sind neue grafische Darstellungen, anhand derer sich auf einen Blick erfassen l?sst, wie sich Durchschnittstemperaturen bezogen auf die gesamthaft emittierte Menge CO2 und in Abh?ngigkeit der globalen durchschnittlichen Erw?rmung in geografischen Grossregionen verhalten.

Vier Modellregionen getestet

Diese l?sst sich einfach lesen: Die grafische Darstellung ist wie eine Art Regler, bei dem den angestrebten Zielwert – wie beispielsweise das globale 2-Grad-Ziel - einstellen und dann einen damit gekoppelten Wert für die Erw?rmung in der entsprechenden Region auslesen kann.

Ihr neues Modell haben die Wissenschaftler an vier Beispielen – dem Mittelmeergebiet, der USA, Brasilien und der Arktis – getestet. Für jede dieser Regionen errechneten die Forschenden eine separate grafische Darstellung.

Vergr?sserte Ansicht: Grafik Mittelmeer-Erwärmung
Global zwei Grad Erw?rmung (waagrechte Skala) bedeuten rund 3,4°C Erw?rmung im Mittelmeergebiet (senkrechte Skala): Die Grafik verdeutlicht, wie sich die Temperaturen regionenbezogen entwickeln. (aus Seneviratne et al. Nature 2016)  

Für das Mittelmeergebiet zeigen die Resultate folgendes: Steigt die globale Durchschnittstemperatur um zwei Grad an, so steigen dort die Mitteltemperaturen um durchschnittlich 3,4 Grad. Will man jedoch eine 2-Grad-Erw?rmung im Mittelmeergebiet erzielen, so darf die globale Temperatur nur um 1,4°C steigen. Am extremsten k?nnten die Ver?nderungen in der Arktis sein: Bei einer globalen 2-Grad-Erw?rmung stiegen die Durchschnittstemperaturen im hohen Norden um 6 Grad. Das 2-Grad-Ziel für die Arktis wurde schon überschritten, als die weltweite Erw?rmung im Schnitt 0,6 Grad betrug (mittlerweile betr?gt sie schon etwa 1 Grad).

?Effekte treten deutlich hervor?

Die Studie von Seneviratne und Kollegen verdeutlicht, dass das 2-Grad-Ziel in vielen Regionen der Welt nicht erreicht werden kann, selbst wenn es als global eingehalten würde. ?Dass die Effekte so deutlich hervortreten, h?tten wir nicht erwartet?, betont Markus Donat, wissenschaftlicher Mitarbeiter am ARC Centre of Excellence for Climate System Science in Australien und Co-Autor der Studie. ?Ausserdem sind die Zusammenh?nge zwischen Extremtemperaturen und den globalen Temperatur-zielen meist linear und unabh?ngig vom Emissionsszenario.?

Für die ETH-Klimaforscherin ist die Studie eine praktische Hilfe, ?eine Kommunikationsmassnahme?, wie sie sagt, um regionale Emissionsziele zu definieren. ?Die regionalen Auswirkungen der globalen Erw?rmung sind viel wichtiger?, sagt sie. Die Studie k?nnte bei Verhandlungen helfen, da man rasch erkenne, was der Klimawandel für die Verhandlungspartner bedeute. Diese k?nnten auch helfen, dass die Bürger und Entscheidungstr?ger einzelner L?nder besser einsehen, warum eine schnelle Verminderung der CO2-Emissionen wichtig ist, und zwar m?glicherweise auch unterhalb vom globalen 2-Grad Ziel.

Einsch?tzungshilfe für jedermann

Jedermann k?nne mithilfe dieser Berechnungen selbst ermitteln, wie sich die 2-Grad-Erw?rmung auf seine Region auswirke, sagt Seneviratne. Damit b?ten sie eine ganz konkrete Hilfe für Politiker, Entscheidungstr?ger aber auch Laien, die Landwirtschaft oder den Tourismus.

Die Berechnungen haben jedoch laut den Wissenschaftlern auch Grenzen. So machen sie nur Aussagen zur Klimaentwicklung von Grossregionen. ?Mithilfe der Diagramme k?nnen wir nicht ableiten, wie die Temperatur in der Stadt Zürich sein wird, wenn global zwei Grad Erw?rmung erreicht wird?, sagt die ETH-Professorin.

Literaturhinweis

Seneviratne SI, Donat MG, Pitman AJ, Knutti R, Wilby RL. Allowable CO2 emissions based on regional and impact-related climate targets. Nature, Advanced Online Publication, 20th January 2016. DOI: externe Seite 10.1038/nature16542

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert