Tödliche Stürme über dem Victoriasee
Der Victoriasee in Ostafrika ist bekannt für seine stürmischen N?chte, in denen jedes Jahr tausende Fischer sterben. Neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass der See durch den Klimawandel künftig ein ?Hotspot? für gef?hrliche Gewitterstürme wird. Doch verbesserte Sturmwarnungen sind auf dem Weg.
Der Victoriasee, zwischen Uganda, Kenia und Tansania gelegen, ist Nahrungsquelle für rund 30 Millionen Menschen, die entlang seiner Ufer leben. Mit einer Fl?che von rund 70 000 km2 ist er zudem der zweitgr?sste See der Welt – und darüber hinaus der wohl gef?hrlichste. Dies insbesondere für die 200 000 Menschen, die in der Nacht auf dem See auf Fischfang gehen. Das Internationale Rote Kreuz sch?tzt, dass jedes Jahr zwischen 3000 und 5000 Fischer in den heftigen Stürmen den Tod finden [1]. Doch trotz des anhaltend schlechten Rufs des Victoriasees wusste man bis vor Kurzem kaum, wie sich der Klimawandel auf dieses riesige Gew?sser auswirken wird.
Landwinde brauen stürmischen Cocktail
Der Grund, weshalb es auf dem Victoriasee in der Nacht sehr stürmisch sein kann, liegt in der Luftzirkulation über der enormen Wasserfl?che. Tagsüber entstehen Winde, die sich vom kühlen Wasser in Richtung warmes Festland bewegen. In der Nacht passiert das Gegenteil: Die Landwinde wehen vom abkühlenden Festland hin zum w?rmeren See. Da der See rund ist, treffen die Landwinde aus allen Himmelsrichtungen über ihm zusammen. Gesellt sich zum windigen Cocktail zus?tzlich Verdunstung, entstehen Gewitter, Wellen, Regen und Stürme.
In einer neuen Studie [2] gelang es uns – einem Forschungsteam aus Wissenschaftlern der ETH Zürich und der belgischen Universit?t Leuven – dieses Wetter-Muster wissenschaftlich nachzuweisen. Zusammen mit der amerikanischen Weltraumbeh?rde NASA haben wir mit Hilfe von Satellitendaten die Anzahl heftiger Gewitterstürme in Ostafrika sowie deren Ort identifiziert – und das alle 15 Minuten für den Zeitraum von 2005 bis 2013. Am Tag wüten die meisten Stürme über dem umliegenden Festland. Dies gilt insbesondere für die typischen nachmitt?glichen Gewitter, die durch lokal aufsteigende warme Luft entstehen. In der Nacht konzentrieren sich diese Stürme über dem Victoriasee.
Nachtstürme werden st?rker
Um die Auswirkungen des Klimawandels auf den Victoriasee vorherzusagen, haben wir dessen Klima mit einem Computermodell simuliert. In einem Szenario, in dem die Treibhausgasemissionen weiterhin zunehmen (Business as usual), werden die extremen Niederschl?ge über dem Victoriasee gegenüber denjenigen auf dem umliegenden Festland um das Doppelte zunehmen. Als Folge davon entwickelt sich der See noch st?rker zu einem ?Hotspot? für n?chtliche Stürme. Auch Superstürme, wie sie heute nur alle 15 Jahre vorkommen, werden sich am Ende des Jahrhunderts beinahe jedes Jahr ereignen. Der Victoriasee dürfte deshalb auch künftig das gef?hrlichste Gew?sser der Welt bleiben.
Ein Frühwarnsystem für die Region
Mittlerweile sind sich jedoch zahlreiche Organisationen der Gefahren dieser Stürme bewusst und unterstützen die Entwicklung von Frühwarnsystemen für lokale Fischer. Vielversprechend sind die Bestrebungen der World Meteorological Organisation WMO, die zusammen mit dem britischen Met Office und lokalen Telekommunikationsunternehmen Wetteralarme auf Mobiltelefonen anbietet [3]. Fischer, die diesen Dienst abonniert haben, empfangen Textnachrichten mit einem einfachen Ampel-System, das sie warnt, falls heftige Gewitterstürme über dem See erwartet werden.
Die Resultate unserer Studie [2] haben das Potential, die Prognose von extremen Stürmen zu verbessern, und k?nnen helfen, solche Warnsysteme weiter zu optimieren. Konkret fanden wir heraus, dass die Bedingungen am Nachmittag auf dem Festland die St?rke der n?chtlichen Stürme über dem See beeinflussen. Das deutet auf eine gr?ssere Vorhersagbarkeit hin als bisher vermutet. Basierend auf diesen Erkenntnissen haben wir bereits einen Prototyp eines neuen Sturmprognosesystems entwickelt. Dieses unterstützt laufende Bemühungen zur Sturmwarnung und k?nnte so mithelfen, die Menschen am Victoriasee besser zu schützen.
Weitere Informationen
[1] Internationale F?deration der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften: externe Seite World Disasters Report 2014
Ein Film zeigt zwei externe Seite Tornados auf dem Victoriasee
[2] Wim Thiery, Edouard L. Davin, Sonia I. Seneviratne, Kristopher Bedka, Stef Lhermitte, and Nicole P.M. van Lipzig, externe Seite Hazardous thunderstorm intensification over Lake Victoria, Nature Communications, 2016.
[3] Mehr über die Bemühungen des britischen externe Seite Met Office, Leben auf dem Victoriasee zu retten.