Wie Riesenplaneten entstehen
Junge Planeten werden aus Gas und Staub gebildet. Um herauszufinden, was bei ihrer Geburt genau passiert, simulierten Forschende der ETH Zürich sowie der Universit?ten von Zürich und Bern unterschiedliche Szenarien am Schweizer Supercomputerzentrum (CSCS).
Astronomen haben zwei Theorien aufgestellt, welche die Geburt von Riesenplaneten wie Jupiter oder Saturn erkl?ren. Beim ersten Mechanismus findet der Aufbau von unten nach oben statt, indem sich zuerst ein fester Kern bildet, der etwa zehnmal so gross ist wie die Erde. ?Dann hat dieser Kern genügend Masse, um eine betr?chtliche Menge Gas anzuziehen und zurückzuhalten?, erkl?rt Judit Szulágyi, Astrophysikerin an der ETH Zürich und Mitglied des Nationalen Forschungsschwerpunkts PlanetS.
Die zweite Theorie ist ein Szenario, das von oben nach unten führt: Dabei ist die Materiescheibe um den jungen Stern so dicht, dass Gas und Staub aufgrund ihrer Schwerkraft Spiralarme bilden, die Klumpen enthalten. Schliesslich l?sst die Gravitation diese Klumpen direkt in sich zusammenstürzen und formt so einen Gasplaneten, ?hnlich wie Sterne gebildet werden. Der erste Mechanismus heisst ?Kern-Akkretion?, der zweite ?Scheiben-Instabilit?t?. In beiden F?llen bildet sich um die Gasriesen eine so genannte zirkumplanetare Scheibe – den Geburtsort von Monden.
Simulation mit Supercomputer
Um herauszufinden, welcher Mechanismus im Universum tats?chlich stattfindet, simulierten Judit Szulágyi und Lucio Mayer, Professor an der Universit?t Zürich, die beiden Szenarien auf dem Supercomputer Piz Daint am Schweizer Supercomputerzentrum (CSCS) in Lugano. ?Wir gingen mit unseren Simulationen bis an die Grenze, was die Komplexit?t der Physik anbelangt, die wir für unsere Modelle verwendeten?, erkl?rt Judit Szulágyi: ?Und wir erzielten eine h?here Aufl?sung als irgendwer zuvor.?
In ihren Studien, die in der Zeitschrift ?Monthly Notices of the Royal Astronomical Society? ver?ffentlicht wurden, fanden die Forschenden einen grossen Unterschied zwischen den beiden Entstehungsmechanismen: Beim Szenario zur Scheiben-Instabilit?t blieb das Gas in Planetenn?he sehr kalt, um 50 Kelvin, w?hrend im Fall der Kern-Akkretion die zirkumplanetare Scheibe auf mehrere hundert Kelvin aufgeheizt wurde. ?Die Simulationen zur Scheiben-Instabilit?t sind die ersten, welche die zirkumplanetare Scheibe um mehrfache Protoplaneten aufl?sen k?nnen?, erkl?rt Mayer.
Dieser riesige Temperaturunterschied l?sst sich leicht beobachten. ?Wenn Astronomen neu entstehende Planetensysteme anschauen, genügt es, die Temperatur in Planetenn?he zu messen, um herauszufinden, welcher Mechanismus den Planeten geformt hat?, erkl?rt Szulágyi. Ein erster Vergleich der berechneten und beobachteten Daten scheint eher für die Kern-Akkretions-Theorie zu sprechen.
Ein anderer, vorhergesagter Unterschied zeigte sich hingegen nicht in den Computersimulationen. Zuvor hatten die Astrophysiker angenommen, dass sich die Masse der zirkumplanetaren Scheibe in den beiden Szenarios deutlich unterscheidet. ?Wir zeigten, dass dies nicht stimmt?, sagt die Forscherin.
Leuchtende Schockfront entdeckt
Was die Gr?sse der neugeborenen Planeten angeht, k?nnen Beobachtungen irreführend sein. Dies entdeckte die ETH-Astrophysikerin in einer zweiten Studie zusammen mit Christoph Mordasini, Professor an der Universit?t Bern. Beim Kern-Akkretions-Modell konzentrierten sich die Forschenden auf die Scheibe um Planeten mit der drei- bis zehnfachen Masse von Jupiter. Die Computersimulationen zeigten, dass das Gas, das von aussen auf die Scheibe f?llt, aufgeheizt wird, und auf der oberen Scheibenschicht eine hell leuchtende Schockfront bildet. Das ver?ndert das Erscheinungsbild junger Planeten entscheidend.
?Wenn wir einen hellen Punkt innerhalb einer zirkumplanetaren Scheibe beobachten, wissen wir nicht, ob wir nur den Planeten leuchten sehen, oder auch die ihn umgebende Scheibe?, erkl?rt Szulágyi. So kann die Masse des Planeten bis zum Vierfachen übersch?tzt werden. ?Vielleicht hat also ein beobachteter Planet nur so viel Masse wie Saturn, anstatt ein paar Jupitermassen?, folgert die Wissenschaftlerin.
In ihren Simulationen ahmten die Astrophysiker den Entstehungsprozess nach, indem sie die grundlegenden physikalischen Gesetze von Gravitation oder Hydrodynamik und Gastheorie anwandten. Weil die physikalischen Modelle so komplex waren, ben?tigten die Simulationen sogar auf Europas schnellstem Supercomputer am CSCS viel Rechenzeit. ?Das entspr?che einer Laufzeit von etwa neun Monaten auf Hunderten bis einigen Tausenden Computerkernen?, sch?tzt Szulágyi: ?Das heisst, dass es mit einem Computerkern l?nger gedauert h?tte als mein ganzes Leben.?
Doch es warten weitere Herausforderungen. Die Simulationen zur Scheiben-Instabilit?t umfassen noch keine lange Zeitspanne. Nachdem der Protoplanet bis zu Jupiterdichte kollabiert ist, k?nnte seine Scheibe wie bei der Kern-Akkretion aufgeheizt werden. Zudem w?re das heissere Gas im Fall der Kern-Akkretion teilweise ionisiert, was ein günstiges Umfeld für Magnetfeldeffekte b?te, die bisher vernachl?ssigt wurden. N?chste Schritte werden deshalb noch aufw?ndigere Simulationen mit einer detaillierteren Beschreibung der Physik sein.
Die Autorin dieses Textes, Barbara Vonarburg, ist verantwortlich für die ?ffentlichkeitsarbeit des Nationalen Forschungsschwerpunkts externe Seite PlanetS.
Literaturhinweise
Szulagyi J, Mayer L, Quinn T. Circumplanetary disks around young giant planets: a comparison between core-accretion and disk instability, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 2016; doi: externe Seite 10.1093/mnras/stw2617
Szulagyi J, Mordasini C: Thermodynamics of Giant Planet Formation: Shocking Hot Surfaces on Circumplanetary Disks, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society: Letters 2016; doi: externe Seite 10.1093/mnrasl/slw212