Wie uns der Klimawandel (in)direkt betrifft
Auch Klimarisiken in weit entfernten L?ndern tangieren uns: Wird etwa Chinas Kornkammer von einer Dürre heimgesucht, kann sich das in einer globalisierten Welt über Handelsketten auch auf die Schweiz auswirken. Anpassung an den Klimawandel sollte weniger lokal erfolgen, als gemeinhin gedacht.
Der Klimawandel findet statt, und kein Land kann sich seinen Folgen entziehen. Zwar werden die direkten Auswirkungen für die Schweiz vermutlich weniger drastisch ausfallen als anderswo – Hiobsbotschaften von tropischen Stürmen, ?berschwemmungen ganzer Landstriche oder anhaltenden Dürren erreichen uns meistens aus dem Ausland. Doch in einer stark vernetzten Weltwirtschaft, in der Rohstoffe, Nahrungsmittel und Güter in fernen L?ndern produziert und rund um den Globus konsumiert werden, k?nnen sich Wetter- und Klimaextreme entlang der Lieferketten rasch global auswirken. So kann es auch in der Schweiz zu Versorgungsengp?ssen oder unterbrochenen Warenstr?men kommen.
Um die Frage, wie uns der ?globalisierte? Klimawandel konkret betrifft, und wie wir damit umgehen k?nnen, dreht sich die diesj?hrige ETH-Klimarunde.
Wetter- und klimabedingte Risiken erkennen
So bleibt uns nicht erspart, uns an das ver?nderte – und sich weiter ver?ndernde – Klima anzupassen. Doch nur wer die damit verbundenen Chancen und Bedrohungen kennt, kann vorausschauend handeln.
Mit dem Begriff des Risikos bezeichnet man den unsicheren Ausgang einer Unternehmung. Dabei kann es sich um einen Gewinn oder Verlust handeln, der nicht unbedingt monet?rer Art sein muss. Zudem wird das Risiko nicht nur durch die eigentliche Gef?hrdung (etwa Wetterph?nomene) bestimmt – mindestens ebenso wichtig ist es zu wissen, wie stark ein Unterfangen exponiert und wie verletzlich es ist. Oft sind diese Aspekte gar die prim?ren Treiber des Risikos.
Um Wetter- und Klimarisiken zu begegnen, sind folgende Fragen zentral:
- Welchen Wetter- und Klimaeinflüssen ist mein Tun ausgesetzt?
- Wie gehe ich mit den Risiken um? Welche Optionen habe ich, um sie zu bew?ltigen?
- Wie sieht es mit dem Aufwand (den Kosten) aus? Stehen Aufwand und Kosten in einem attraktiven Verh?ltnis zum Nutzen?
Will Wissenschaft bei der Bew?ltigung von Wetter- und Klimarisiken einen Beitrag leisten, also obige Fragen zu beantworten helfen, so kann dies nur in engem Dialog mit den Betroffenen geschehen. Ganz besonders gilt dies für Risiken entlang der Wertsch?pfungskette. Diese macht nota bene nicht an Landesgrenzen halt. Deshalb ist Klimaanpassung keineswegs nur lokal zu begreifen.
Beispiel Importe aus China
Gem?ss dem Schweizerischen Bauernverband wurden im Jahr 2013 in der Schweiz pro Person rund 880 kg Nahrungsmittel konsumiert. [1] Die importierte Menge entsprach ungef?hr 88 Prozent der Inlandproduktion. Es sind haupts?chlich pflanzliche Produkte, die importiert werden. Die Schweizer Landwirtschaft deckte 2013 energiem?ssig 58 Prozent des inl?ndischen Nahrungsbedarfs.
Einige dieser Agrarimporte stammen aus China, etwa Gemüse und Futtermittel (Importe von etwas über 100 Millionen Franken). [2] Das Dürrerisiko für die grossen Anbauregionen in Nordostchina ist schon heute nicht zu vernachl?ssigen. Aufgrund einer detaillierten Studie in enger Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren rechnen wir im langj?hrigen Durchschnitt mit einem Ernteverlust von 1.3 Milliarden US Dollar unter heutigen Wetterbedingungen. [3] Das prognostizierte Wachstum des Landwirtschaftssektors erh?ht die Exponierung und damit das Risiko bis 2030 um rund 700 Millionen Dollar. Unter der Annahme einer starken Klima?nderung in dieser Region k?men weitere 600 Millionen Dollar dazu. Damit betrüge das kombinierte wetter- und klimabedingte Risiko im Jahre 2030 rund 2.6 Milliarden Dollar, was einer Verdopplung in nicht einmal zwei Dekaden entspr?che.
Die Bedrohung minimieren
Glücklicherweise finden sich in den meisten F?llen risikoreduzierende Massnahmen. In der von Dürre bedrohten chinesischen Landwirtschaft w?ren das etwa bessere Bodenbewirtschaftung, Tr?pfchenbew?sserung, Züchtung dürreresistenterer Sorten sowie eine generell sorgf?ltige Wasserbewirtschaftung. Diese Massnahmen k?nnen das Risiko um ca. 48 Prozent reduzieren. Sie sind nicht gratis, doch deutlich günstiger als die prognostizierten Verluste. Ein in die Bodenbewirtschaftung investierter Dollar vermag beinahe 20 Dollar an Ernteverlust zu vermeiden. Im Falle der Tr?pfchenbew?sserung sind es immer noch mehr als 6 Dollar.
Sensibilit?t erh?hen
Das Beispiel zeigt, dass Wetter – und Klimarisiken im Agrarsektor zu vertretbaren Kosten zu begegnen w?re. Doch im Moment finden solche Investitionen (noch) nicht statt. Aufgrund der global stark vernetzten Warenstr?me macht es für Firmen und Beh?rden sicher Sinn, auch über Klimaanpassung jenseits der Landesgrenzen zumindest nachzudenken. Dies muss nicht bedeuten, dass wir die erw?hnten Investitionen in China zu t?tigen brauchen – oft hilft es schon, die Transparenz solcher Risiken zu erh?hen und den Dialog über m?gliche Massnahmen zu führen.
Dass ein vorausschauender Umgang mit Risiken auch einen Wettbewerbsvorteil bedeutet, sei hier nur am Rande erw?hnt – auch dieser Aspekt wird uns an der n?chsten ETH-Klimarunde vom 8. November 2016 sicher besch?ftigen.
Weiterführende Informationen
[1] Bundesamt für Statistik: externe Seite Landwirtschaftliche Gesamtrechnung: Sch?tzung 2016 und Landwirtschaft und Ern?hrung: externe Seite Taschenstatistik 2016
[2] 109 Mio. CHF im Jahre 2009. Siehe externe Seite Medienmitteilung Schweizerischer Bauernverband SBV
[3] Swiss Re: Economics of Climate Adaptation – externe Seite Shaping climate-resilient development