Spielen für die Wissenschaft
So unterhaltsam kann Quantenmechanik sein: Wer am 30. November ein paar Minuten Zeit übrig hat für ein Videospiel, hilft tatkr?ftig mit, eine Grundfrage der Physik zu kl?ren, über die schon Albert Einstein und Nils Bohr gestritten haben. Worum es beim Big Bell Test geht, erkl?rt ETH-Professor Andreas Wallraff.
ETH-News: Herr Wallraff, Sie beteiligen sich mit Ihrem Labor am Big Bell Test? Worum geht es bei diesem Test?
Andreas Wallraff: Der Big Bell Test ist ein gross angelegtes Experiment, an dem sich elf wissenschaftliche Institutionen weltweit und mindestens 30‘000 Mitspieler auf der ganzen Welt beteiligen. Es soll eine weitere Best?tigung für die Quantenmechanik liefern.
Wird an der Quantenmechanik denn noch grunds?tzlich gezweifelt?
Die Quantenmechanik postuliert einige Ph?nomene, die sehr merkwürdig scheinen und unseren Alltagserfahrungen v?llig zuwiderlaufen. Sie postuliert beispielsweise, dass sich Eigenschaften von Objekten ver?ndern, sobald wir sie beobachten. Albert Einstein konnte sich mit dieser Idee überhaupt nicht anfreunden, w?hrend Niels Bohr dieses merkwürdige Verhalten akzeptierte. ?ber die Quantenmechanik wurde damals heftig gestritten.
Der Physiker John Bell schlug 1964 ein Experiment vor, mit dem man die Frage schlüssig kl?ren kann, ob in der mikroskopischen Welt der Atome und Photonen die Quantenmechanik oder die klassische Physik gültig ist. Dieser sogenannte Bell Test wurde schon mehrmals durchgeführt, das Resultat fiel immer zugunsten der Quantenmechanik aus.
Dann ist also eigentlich alles gekl?rt?
Eben nicht. Wie jedes Experiment beruhten auch diese Bell Tests auf gewissen Annahmen. Es gab also – trotz positiven Resultaten – immer noch kleine Lücken. Das heisst, es k?nnte also immer noch sein, dass die Quantenmechanik unvollst?ndig oder gar falsch ist.
Und diese Lücken soll der Big Bell Test nun schliessen?
In den letzten Jahren wurden schon verschiedene Lücken geschlossen. Nun soll noch ein weiterer kritischer Punkt ausgeschlossen werden k?nnen. Die Grundidee des Bell Tests ist folgende: Wenn man zwei quantenmechanische Objekte – beispielsweise Photonen – miteinander verschr?nkt, dann l?sst sich gem?ss der Quantenmechanik aus der Beobachtung des einen Teilchens schliessen, in welchem Zustand sich das andere Teilchen in diesem Moment befindet. Beim Bell Test werden nun jeweils die beiden verschr?nkten Teilchen gleichzeitig gemessen, und wenn die Quantenmechanik korrekt ist, liegen die Messwerte der beiden Teilchen n?her beieinander als dies gem?ss der klassischen Physik m?glich w?re.
Ein wichtiger Aspekt bei diesem Test ist nun, dass die Messungen zuf?llig erfolgen müssen. Bisher wurde die Zuf?lligkeit von einem Ger?t bestimmt, das ebenfalls auf den Prinzipien der Quantenmechanik beruht. Dadurch ergibt sich eine prinzipielle Unsicherheit: Es k?nnte theoretisch sein, dass dieses Ger?t fehlerhaft funktioniert und die Resultate demnach nur scheinbar die Quantenmechanik best?tigen. Deshalb sollen nun Menschen bestimmen, wann die Messungen durchgeführt werden.
K?nnen denn Menschen die Zuf?lligkeit garantieren?
Die grundlegende Annahme beim Big Bell Test ist, dass Menschen einen freien Willen haben und demnach unabh?ngig voneinander Zahlen erzeugen, die insgesamt zuf?llig sind.
Wie genau l?uft das Experiment ab?
Die Versuchspersonen spielen am 30. November auf ihrem Computer oder Handy ein kleines Videospiel, das ein paar Minuten Zeit ben?tigt. Dabei erzeugen die Spieler eine Abfolge von 0 und 1. Die Daten werden dann nach Barcelona ans externe Seite Institute of Photonic Sciences übermittelt und von dort aus an die elf beteiligten Labors verteilt, wo Forscher entsprechende Experimente durchführen. Auch wir an der ETH Zürich werden an diesem Tag in unserem Labor Messungen machen. Dabei nutzen wir supraleitende elektronische Schaltungen als quantenmechanische Objekte.
Was erhoffen Sie sich von diesem Experiment?
Es würde mich sehr überraschen, wenn das Resultat zuungunsten der Quantenmechanik ausfallen würde. Ich erwarte also, dass diese Theorie nochmals best?tigt wird. Darüber hinaus erhoffe ich mir, dass mit diesem Experiment das Interesse an der Quantenmechanik gest?rkt wird und dass wir die Neugier von m?glichst vielen Menschen wecken k?nnen, sich mit diesem Teil der Physik zu befassen. Es ist wirklich eine faszinierende Welt!
Big Bell Test – so machen Sie mit
Der Big Bell Test findet am 30. November 2016 statt. Mindestens 30'000 Menschen sollen an diesem Tag über ein Videospiel eine m?glichst zuf?llige Sequenz von Zahlen erzeugen, welche dann für das Experiment verwendet werden. Auf der Webseite des Tests finden sich übrigens auch viele interessante Informationen zur Welt der Quantenphysik.