Erdbeben als Motor für den Kohlenstoffkreislauf in der Tiefsee

Ein internationales Team um den Geologen Michael Strasser hat mit neuartigen Methoden Sedimentablagerungen im Japangraben analysiert, um neue Erkenntnisse über den Kohlenstoffkreislauf zu gewinnen.

Forschungsschiff
Das Forschungsschiff RV Sonne, von welchem aus 2012 die Sedimentproben aus dem Japangraben gebohrt wurden. (Bild: RF Forschungsschiffahrt Bremen/Germany)

In einer soeben in externe Seite Nature Communications erschienenen Publikation pr?sentiert der Geologe Michael Strasser erste Erkenntnisse einer einmonatigen Forschungsexpedition vor Japan, die im M?rz 2012 vom ?MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften? organisierte wurde. Strasser, bis 2015 Assistenzprofessor für Sedimentdynamik an der ETH Zürich und aktuell Professor für Sedimentgeologie an der Universit?t Innsbruck, untersuchte vor Ort mit einem internationalen Team dynamische, durch Erdbeben ausgel?ste Verteilungs- und Umschichtungsprozesse von Sedimenten.

Die Forschenden entnahmen auf einer Tiefe von 7542 Meter unter Meer einen Bohrkern aus dem sogenannten Japangraben, einer 800 km langen Tiefseerinne im nordwestlichen Teil des Pazifischen Ozeans. Der Japangraben ist seismisch aktiv. Dort ereignete sich unter anderem das Tohoku-oki-Erdbeben von 2011, das vor allem aufgrund der Nuklearkatastrophe von Fukushima Schlagzeilen machte. Bei solchen Erdbeben werden enorme Mengen an organischem Material vom flachen Wasser in die Tiefsee gespült. Die so entstandenen Sedimentschichten geben deshalb sp?ter Aufschluss über die Geschichte von Erdbeben und den Kohlenstoffkreislauf in der Tiefsee.

Neue Methoden für Altersbestimmungen in Tiefsee

Mit der aktuellen Studie gelang den Forschenden ein Durchbruch. Sie analysierten die kohlenstoffhaltigen Sedimente n?mlich mittels Radiokarbonmethode. Zwar wird die Bestimmung des Gehalts an organischem Kohlenstoff sowie die Messung von radioaktivem Kohlenstoff (14C) an mineralisierten Verbindungen in einzelnen Ablagerungsschichten schon lange zur Altersbestimmung von Sedimenten eingesetzt. Doch bislang war die Analyse von Proben aus mehr als 5000 Metern unter Meer nicht m?glich, weil sich unter zunehmendem Wasserdruck die mineralisierten Verbindungen aufl?sen.

Strasser und sein Team mussten deshalb neue Methoden für die Analytik einsetzen. Eine davon war die so genannte Online-Gas-Radiokarbonmethode, die vom Labor für Ionenstrahlphysik in Zusammenarbeit mit dem ETH-Doktoranden Rui Bao und der Biogeoscience Group der ETH Zürich entwickelt wurde. Damit k?nnen für einen einzigen Bohrkern h?chst effizient mehr als hundert 14C-Altersbestim?mungen direkt an der im Sediment enthaltenen organischen Substanz durchgeführt werden.

Die Forschenden wendeten zudem erstmals die Methode der ?Ramped PyrOx?-Messungen (Pyrolyse) für die Datierung von Sedimentschichten aus der Tiefsee an. Dies gemeinsam mit dem amerikanischen Woods Hole Oceanographic Institute, welches die Methode entwickelt hat. Dabei wird organisches Material bei unterschiedlichen Temperaturen verbrannt. Da ?ltere organische Materialien st?rkere chemische Verbindungen aufweisen, sind bei ihrer Verbrennung h?here Temperaturen erforderlich. Die Neuigkeit besteht darin, dass die relativen Altersabweichungen der einzelnen Temperaturfraktionen zwischen zwei Proben die Altersunterschiede zwischen Sedimentschichten in der Tiefsee sehr genau eingrenzen.

Erdbeben datieren für genauere Prognosen

?ber diese beiden methodischen Innovationen liess sich das relative Alter der organischen Substanz in den einzelnen Sedimentschichten ?usserst exakt bestimmen. Der untersuchte Bohrkern weist an drei Stellen ?lteres organisches Material sowie erh?hte Raten der Kohlenstoffzufuhr in die Tiefsee auf. Diese Stellen entsprechen den drei historisch dokumentierten, jedoch teilweise bislang ungenau datierten, Erdbebenereignissen im Japangraben: das Tohoku-oki-Erdbeben von 2011, ein unbenanntes Erdbeben von 1454 und das Jogan-Erdbeben von 869.    

Aktuell arbeitet Strasser an der grossfl?chigen geologischen Aufzeichnung der Herkunft und H?ufigkeit von Sedimenten in Tiefseegr?ben. Dazu analysiert er mehrere, w?hrend einer Folgeexpedition im Jahr 2016 entnommene Bohrkerne aus dem Japangraben. ?Die Identifizierung und Datierung erdbebenbedingter Ablagerungen ist auch für künftige Prognosen über die Wahrscheinlichkeit von Erdbeben wichtig?, sagt Strasser. ?Denn aufgrund unserer neuen Methoden k?nnen wir die Wiederkehrrate von Erdbeben wesentlich genauer bestimmen.?

Michael Strasser und Gerold Wefer
Michael Strasser (rechts), damals Assistenzprofessor an der ETH Zürich, und der Expeditionsleiter Gerold Wefer, Professor am MARUM und der Universit?t Bremen, beraten an Bord der RV Sonne über den Bohrkern. (Bild: V. Diekamp, MARUM, Universit?t Bremen)

Literaturhinweis

Bao R, Strasser M, McNichol A, Haghipour N, McIntyre C Wefer G, Eglinton T: Tectonically-triggered sediment and carbon export to the Hadal zone. Nature Communications, 9. Januar 2018, doi: externe Seite 10.1038/s41467-017-02504-1

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