Grosse Membranproteine kristallisieren

ETH-Forschende entwickelten eine neue Methode, um grosse Membranproteine für die Strukturaufkl?rung zu kristallisieren. Davon profitieren werden die biologische Forschung und die Pharmaindustrie.

Vergr?sserte Ansicht: Künstlerische Darstellung einer Membran mit darin eingebetteten Proteinen: ETH-Forscher haben eine Methode entwickelt, die der Strukturaufklärung solcher Moleküle Schub verleihen wird. (Bild: www.colourbox.com)
Künstlerische Darstellung einer Membran mit darin eingebetteten Proteinen: ETH-Forscher haben eine Methode entwickelt, die der Strukturaufkl?rung solcher Moleküle Schub verleihen wird. (Bild: www.colourbox.com)

In Membranen eingebettete Proteine sind für Zellen und jegliche Lebensformen essenziell. Nicht nur gibt es sehr viele verschiedene davon, sie haben auch einen grossen Funktionsumfang: Dieser reicht von der Kommunikation zwischen Zellen über den Transport von Stoffen in die Zelle oder aus ihr heraus bis zur Vermittlung einer Immunantwort. Membranproteine gelten als wichtige therapeutische und diagnostische Ziele. Kennt man ihre Struktur und Funktionen, kann die Pharmaforschung Wirkstoffe entwickeln, welche ihre Funktionen gezielt beeinflussen.

Die Struktur von Membranproteinen zu kl?ren, war bislang allerdings sehr schwierig. Denn dazu müssen Forscher diese Moleküle erst in grosser Zahl isolieren und Kristalle aus ihnen bilden, und genau dabei liegt die Schwierigkeit: Membranproteine sind nicht wasserl?slich sowie oft zu gross und heterogen, um sie mit g?ngigen Methoden zu kristallisieren.

Diese Einschr?nkung hebt nun die Gruppe von Raffaele Mezzenga, Professor für Lebensmittel und weiche Materialien an der ETH Zürich, auf. Die Gruppe stellt in einer Publikation in der Fachzeitschrift Nature Communications eine allgemeine Methode vor, mit der sich Membranproteine jeglicher Art und Gr?sse kristallisieren lassen.

Lipid-Wasser-Gemisch als Reaktionskammer

Die Grundlage für diese Methode legten Forschende in den 1990er Jahren mit einem Vorgehen, das als ?in meso-Kristallisation? bekannt wurde: Die Proteine werden mithilfe von stabilen Wasser-Lipid-Gemischen, sogenannten Lipid-Mesophasen, isoliert und angereichert. In solchen Mesophasen bildet sich selbstorganisierend ein dreidimensionales Netz aus gebogenen Wasserr?hren, deren W?nde wie bei einer Biomembran aus Lipiden bestehen. Diese R?hren haben einen Durchmesser von drei bis vier Nanometern. Das kubische Grundmotiv des Netzwerks wiederholt sich in regelm?ssigen Abst?nden.

In solchen R?hren betten sich die Membranproteine mit dem wasserabstossenden Teil, der ansonsten in der Zellmembran sitzt, in die Wand ein. Der Rest des Proteins kommt in das wassergefüllte R?hreninnere zu liegen. Haben sich die Proteine korrekt ausgerichtet, beginnen sie sich zu kristallisieren. Gerade weil die R?hren so wenig Platz bieten, liessen sich bisher nur kleine Membranproteine kristallisieren. Grosse wurden herausgedrückt und bildeten keine Kristalle aus.

Mit geladenen Lipiden R?hren erweitert

Die ETH-Forschenden wendeten nun einen Trick an, um die R?hren zu erweitern: Sie mischten den Lipiden einen kleinen Anteil elektrisch geladener Lipide bei. Diese stossen sich gegenseitig ab und bl?hen dadurch die R?hren auf. Ihr Durchmesser wurde so auf 20 Nanometer erweitert. Erste Versuche, mit denen Forscher versuchen, die Wasserkan?le in Lipid-Mesophasen elektrostatisch zu erweitern, gehen auf das Jahr 2000 zurück. Mezzenga und sein Team sind jedoch die Ersten, die eine Methode von allgemeiner Gültigkeit aufzeigen k?nnen.

Vergr?sserte Ansicht: Die Wasserkanäle (blau) bisheriger Lipid-Mesophasen (l.) sind zu eng, um grosse Membranproteine zu kristallisieren. Gibt man elektrisch geladene Lipide (DSPG) in die Lipid-Wasser-Mischung, schwellen die Kanäle stark an (r.), sodass sich Proteine wie GLIC mit grossen "wasserliebenden" Bereichen (mittlere Grafiken) kristallisieren lassen. (aus Zabara A et al, Nat.Comm., 2018)
Die Wasserkan?le (blau) bisheriger Lipid-Mesophasen (l.) sind zu eng, um grosse Membranproteine zu kristallisieren. Gibt man elektrisch geladene Lipide (DSPG) in die Lipid-Wasser-Mischung, schwellen die Kan?le stark an (r.), sodass sich Proteine wie GLIC mit grossen "wasserliebenden" Bereichen (mittlere Grafiken) kristallisieren lassen. (aus Zabara A et al, Nat.Comm., 2018)

Dank dieser gequollenen Lipid-Mesophasen gelang es den ETH-Forscherinnen und -Forschern tats?chlich, grosse Membranproteine zu kristallisieren und sp?ter deren Struktur aufzukl?ren. Eines der ?bungsobjekte der ETH-Forschenden war das Membranprotein GLIC (Gloeobacter ligand-gated ion channel) aus Bakterien.

GLIC besitzt mehrere grosse Untereinheiten, die ausserhalb der Bakterienmembran im Zellaussenraum liegen. Die Kristallisation dieses Komplexes erfolgte bisher mit einer anderen Methode, da dessen Untereinheiten zu gross waren. ?Unser Vorgehen verbesserte nicht nur die Kristallisation, auch die Kristalle waren extrem kompakt und sie geh?ren einer neuen kristallografischen Gruppe dieses Proteins an?, betont Mezzenga. Ausserdem konnten die Forschenden dieses Kanalprotein erstmals in seiner geschlossenen Konfiguration kristallisieren. Bisher konnten andere Forscher diesen Molekülkomplex mit einer alternativen Methode nur in seinem offenen Zustand kristallisieren.

Schub für die Strukturaufkl?rung erwartet

Die neue allgemeine ?in meso?-Methode dürfte vor allem bei Strukturbiologen, die sich bis anhin an der Aufkl?rung von grossen Membranproteinen die Z?hne ausgebissen haben, auf grosses Interesse stossen. ?Dieses Werkzeug wird der Strukturaufkl?rung neuen Schwung verleihen, weil sich damit Proteine erschliessen, die bislang ausser Reichweite waren?, sagt Mezzenga.

Erst von 360 kleinen Membranproteinen kennt man heute die exakte Struktur, das entspricht etwa einem Siebtel aller Membranproteine. Vom grossen Rest der Membranproteine ist die Struktur unbekannt.

Profitieren dürfte laut Mezzenga auch die Pharmaindustrie. ?Für die Entwicklung neuer Medikamente ist die Strukturaufkl?rung von überragender Bedeutung?, sagt er. ?Unsere Methode wird dies stark vereinfachen und ihr Schub verleihen.?

Erfolgreicher Abschluss eines langen Projekts

Ein Patent auf die Entwicklung besteht nicht. ?Wir haben die Arbeit bewusst in einem Open Access Journal publiziert, damit alle interessierten Forscher unbeschr?nkt darauf zugreifen k?nnen?, betont Mezzenga, der über drei Jahre in dieses Projekt investierte. Er startete die ersten Versuche bereits 2015 und arbeitete 2016 w?hrend seines Sabbaticals an der RMIT Universit?t Melbourne daran. Weitere Experimente, wie die Strukturaufkl?rung von GLIC, führte er an der Synchrotronlichtquelle am Paul Scherrer Institut (PSI) durch. Finanziert wurde das Projekt unter anderem durch ein Stipendium des Schweizerischen Nationalfonds.

Literaturhinweis

Zabara A, Tse Yin Chong J, Martiel I, Stark L, Cromer BA, Speziale C, Drummond CD, Mezzenga R. Design of ultra-swollen lipidic mesophases for the crystallization of membrane proteins with large extracellular domains. Nature Communications, volume 9, Article number: 544 (2018). doi:externe Seite 10.1038/s41467-018-02996-5

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