Neuer Physikunterricht lässt Mädchen aufholen

Was ist der Unterschied zwischen Masse und Gewicht? Wie definiert sich Kraft in der Physik? Die wenigsten Sch¨¹ler k?nnen grundlegende Konzepte der Physik richtig erkl?ren. Nicht einmal die Besten. Das Problem liege nicht bei den Sch¨¹lern, sagt Elsbeth Stern, Professorin f¨¹r Lehr- und Lernforschung an der ETH Z¨¹rich: ?Unsere Forschung l?sst schliessen, dass es meist am Unterricht liegt, wenn gute Sch¨¹ler Physik nicht verstehen.?

Eine Studie des Forschungsteams unter dem Lead von Sarah I. Hofer und Elsbeth Stern zeigt jetzt, dass selbst kleine ?nderungen am Unterricht viel bewirken k?nnen. Sie ist soeben im externe Seite Journal of Educational Psychology erschienen.

Gezieltes Scheitern

Die Methode setzt darauf, dass sich Sch¨¹ler mit ihrem Vorwissen auseinandersetzen. Das sei in der Physik besonders wichtig, sagt Stern: ?In kaum einem Fach liegen Intuition und Wirklichkeit so weit auseinander, wie in der Physik. Unsere Alltagserfahrungen helfen uns nicht weiter?. Physikalische Konzepte zu verstehen, verlange von Sch¨¹lern einen grossen mentalen Effort. Formeln auswendig zu lernen, reiche nicht: ?Zwar kennen Sch¨¹ler die Formel ¡®Kraft gleich Masse mal Beschleunigung¡¯, aber sie haben eine falsche Vorstellung der Begriffe Kraft, Masse und Beschleunigung?. Erst wer solche falschen Vorstellungen erkenne, sei bereit daf¨¹r, Physik zu verstehen.

Die am MINT-Lernzentrum der ETH Z¨¹rich entwickelte Unterrichtseinheit setzt bei diesen falschen Vorstellungen an. So l?sst man die Sch¨¹ler zum Beispiel gezielt scheitern: Sie erhalten eine Aufgabe, die sie mit ihrem bestehenden Wissen nicht l?sen k?nnen. Erst danach erl?utert der Lehrer das zugrundeliegende Konzept. Oder man l?sst die Sch¨¹ler Gesetzm?ssigkeiten anhand unterschiedlicher Beispiele selber erfinden, bevor sie die Formel dazu erhalten.

Erfolgreicher Test im Schulalltag

Stern und ihre Gruppe haben nun gezeigt, dass die Methode nicht nur im Labor, sondern auch im gymnasialen Schulalltag funktioniert. In einem Experiment zeigten die Forscherinnen und Forscher, dass Sch¨¹ler in Physik besser abschnitten, wenn sie mit der am MINT-Zentrum entwickelten Methode unterrichtet wurden. Sie verbesserten nicht nur ihr konzeptionelles Verst?ndnis, sondern rechneten danach auch besser.

Den gr?ssten Leistungsunterschied stellte Stern und ihre Gruppe bei besonders intelligenten M?dchen fest. Mit der neuen Methode holten sie gegen¨¹ber den Jungen markant auf. Der ?Gender Gap? schloss sich zwar nicht ganz, verkleinerte sich aber deutlich.

F¨¹r das Experiment entwickelte das Team zusammen mit erfahrenen Physiklehrern eine Unterrichtseinheit mit 18 Lektionen zu Newtons Mechanik. Danach wurden vier Gymnasiallehrer w?hrend eines Tages in der neuen Methode geschult. Diese unterrichteten danach jeweils eine Parallelklasse mit der herk?mmlichen Methode und eine mit der neuen Methode. Die Wirksamkeit massen sie mit drei Tests: Einmal vor der Unterrichtsreihe, einmal unmittelbar danach und einmal nach drei Monaten.

Umdenken im Physikunterricht

Die Resultate seien erfreulich, aber erst der Anfang, sagt Stern: ?Ich bin ¨¹berzeugt, dass wir die Effekte der Unterrichtseinheit noch verst?rken k?nnen?. Als n?chstes will sie deshalb mit den Lehrern des Experiments Feinkorrekturen am Unterricht vornehmen. Von der Studie erhofft sie sich aber auch, dass sie ein Umdenken bewirkt: ?Wir werden uns nun noch ¨¹berzeugter an jene Physiklehrer wenden, die das Fach immer noch vorwiegend mit Rechen¨¹bungen vermitteln. Das bringt nichts?.