Wolken in der dritten Dimension
ETH-Computergrafiker haben die Wolkenbildung und Luftstr?mungen in hochaufgel?sten Wettersimulationen analysiert und dafür eine Wettersituation dreidimensional dargestellt. Von einer solchen Visualisierungsmethode k?nnten künftig die Fliegerei und die Meteorologie profitieren.
Visualisierungen spielen bei Untersuchungen von Wetterdaten wie Temperatur, Luftdruck oder dem Wassergehalt der Atmosph?re eine sehr grosse Rolle. Solche Daten grafisch darzustellen ist auch relativ einfach, da sie einen klaren r?umlichen Bezug haben und sich daher gut auf Landkarten eintragen lassen.
Zurzeit sind in der Meteorologie zweidimensionale Darstellungen Usus, sowohl in der Forschung als auch in der Anwendung bei Wettervorhersagen. In der Regel reichen solche einfachen Visualisierungen aus. Einige Prozesse, wie etwa die vertikale Entwicklung von Wolken über die Zeit, lassen sich zweidimensional jedoch nur schlecht untersuchen.
Wolken dreidimensional visualisieren
Computergrafiker aus der Gruppe von ETH-Informatikprofessor Markus Gross haben deshalb Ans?tze entwickelt, um basierend auf numerischen Wettersimulationen die Entwicklung und Dynamik von Wolken und Luftstr?mungen hochaufgel?st dreidimensional zu visualisieren.
Ihre Arbeit pr?sentierten die Forscher an zwei internationalen Fachkongressen, wo die neue 3D-Visualisierungsmethode vom Publikum gut aufgenommen worden sei, sagt Tobias Günther, Senior Scientist bei Gross. Der von Günther betreute Student No?l Rimensberger hat die Methoden als Bachelorarbeit entwickelt, ausgebaut und die Visualisierungen auf dem Computer berechnet.
Visualisierung der Wolkenentwicklung sowie von Luftstr?mungen
Dreidimensionale Visualisierung von Aufwinden und Wolken über einem hügeligen Gebiet Deutschlands.
Die Grundlage für Rimensbergers Visualisierungen waren Wind-, Wolken- und Regendaten, die im Rahmen eines internationalen Visualisierungswettbewerbs, dem IEEE Scientific Visualization Contest 2017, der Wissenschaft frei zur Verfügung gestellt wurden. Die zugrunde liegende Simulation bildet die Wetterlage am Abend des 26. April 2013 nach und entstand im Rahmen eines grossangelegten Meteorologie-Forschungsprojektes namens HD(CP)?, an welchem sich mehr als 100 Forscher aus 19 Institutionen beteiligen.
Der Informatikstudent kombinierte bestehende Algorithmen, um die Wolkenentwicklung und die Luftstr?mungen zu visualisieren und wandte dabei aktuelle Methoden aus dem Forschungsfeld der wissenschaftlichen Visualisierung an.
Neue M?glichkeiten ausloten
Dabei ging es ihm weniger darum, für die Meteorologie brauchbare Prognosewerkzeuge zu schaffen, als die M?glichkeiten auszuloten, Wetter ?relativ simpel und verst?ndlich darzustellen?, wie er betont. Der Wert für die Wissenschaft sei, dass die 3D-Grafiken etwas sichtbar machen, was auf 2D-Grafiken nicht sichtbar sei, um dadurch einen ?berblick gewinnen zu k?nnen.
So zeigen Rimensbergers Visualisierungen, wie sich Wolken über Deutschland formieren und über die Zeit ver?ndern, mit Aufwinden in die H?he getragen und schliesslich von Winden in der Troposph?re mehr als 10 Kilometer über den Boden verfrachtet werden. In unterschiedlichen Farben dargestellt werden Wolkenzonen, die einen identischen Wasser- oder Eisgehalt haben.
Weiter analysierte der Informatikstudent auch Luftstr?mungen. Die Linien stellen die Pfade von Luftpaketen dar und deren Farben zeigen an, wie stark sich ein Luftpaket um seine eigene Achse dreht. Die L?nge der Linien gibt Aufschluss über den zurückgelegten Weg und visualisiert damit die Str?mungsgeschwindigkeit. Aufsteigende Wolken erzeugen Turbulenzen, die st?rkere Verwirbelungen hervorrufen oder deren Flugbahn ver?ndern. Beides ist an den berechneten Pfadlinien ablesbar.
Den Simulationen der Wolkenentwicklung überlagerte Rimensberger zudem die Flugbahnen von startenden Passagierflugzeugen. ?Ich wollte herausfinden, ob und wie Gewitterzonen den Flugverkehr beeinflussen?, sagt er.
Die Flugbahnen der in Frankfurt startenden Maschinen verlaufen allerdings quer durch die simulierten Gewitterzellen hindurch. Lediglich ein in München startender Flieger weicht einer Regenzelle über Regensburg ein wenig aus. Der Computerforscher folgert daraus, dass die Gewitter zu wenig heftig waren, um eine Verlagerung des Flugverkehrs zu notwendig zu machen, oder zu wenig Messdaten vorhanden waren.
Die neuen Visualisierungen erleichtern die Klassifizierung von Wolkenformationen, weil Wolken ?sichtbar? werden, die weder Satelliten von oben noch ein Beobachter vom Boden aus sehen k?nnen. Ein Vergleich mit der heute üblichen 2D-Kategorisierung zeigte, dass die neuen Algorithmen auch übereinander angeordnete Wolkenstrukturen erkennen k?nnen.
Unsichtbares aufdecken
?Der wissenschaftliche Wert unserer Visualisierung liegt darin, dass wir etwas sichtbar machen, was mit bisherigen Tools nicht sichtbar ist?, sagt Rimensberger. Für Echtzeitsimulationen sei aber die Zeit noch nicht reif. Auch aufw?ndige Grafiken wie diejenige der Luftstr?mungen über ganz Deutschland haben den Weg in die Praxis bisher nicht gefunden. ?Die Berechnungen hierfür dauern derzeit zu lang. Wir versuchen, sie mit verbesserten Algorithmen zu verkürzen?, erg?nzt Günther. ?Einige der Visualisierungen oder etwa die Wolkenklassifizierung k?nnte man aber bereits jetzt in existierende Tools integrieren.?
Für die Flugsicherung k?nnte die Visualisierung von turbulenten Str?mungsregionen oder von Regionen mit starken Auftrieb und Unwetterentwicklung ebenfalls von Interesse sein.
Folgeprojekte sind geplant oder bereits in Arbeit, wie jenes einer interaktiven Auswertung von grossen meteorologischen Datens?tzen. Die Computergrafiker sind zudem daran, wichtige Strukturen in diesen Daten besser sichtbar zu machen und die aufw?ndigen Visualisierungen von Luftstr?mungen zu beschleunigen. Wer weiss, vielleicht pr?sentiert dereinst der TV-Wetterfrosch 3D-Wetterkarten, welche auf ETH-Algorithmen beruhen.
Literaturhinweis
Rimensberger N, Gross M, Günther T: Visualization of Clouds and Atmospheric Air Flows. IEEE Scientific Visualization (SciVis 2016), Phoenix, AZ, USA, October 1-5, 2017. DOI: externe Seite 10.3929/ethz-b-000237747