«Ich möchte noch wichtige Initiativen in der ETH verankern»

Herr Guzzella, Ihr Entscheid, nicht mehr f¨¹r eine zweite Amtszeit als Pr?sident zur Verf¨¹gung zu stehen, kam allgemein ¨¹berraschend. Welche Reaktionen haben Sie erfahren?
Lino Guzzella: Besonders gefreut hat mich die grosse Unterst¨¹tzung, die ich von vielen ETH-Angeh?rigen erhalten habe. Dieses Echo - quer durch alle Bereiche per E-Mail, Telefon und m¨¹ndlich - erf¨¹llt mich mit grosser Freude: Das zeigt, dass meine Vorstellungen ¨¹ber und mein Anspruch an die ETH in den vergangenen Jahren bei vielen ETH-Angeh?rigen auf fruchtbaren Boden gefallen sind.

Gab es auch ¨¹berraschende Reaktionen?
Nicht als ¨¹berraschend, aber als nicht selbstverst?ndlich w¨¹rde ich den grossen Zuspruch aus der Politik bezeichnen. Das hat mich pers?nlich gefreut. Von zentraler Bedeutung sind aber die positiven Stimmen f¨¹r die ETH als Institution. Es ist wichtig, dass die ETH weiterhin auf die Unterst¨¹tzung der Politikerinnen und Politiker der Schweiz z?hlen kann. Die Schweiz, ja die Welt, braucht die ETH. Unsere Hochschule ist ein Schl¨¹ssel f¨¹r das Wohlergehen unseres Landes. Daf¨¹r, dass die Bedeutung der ETH der ganzen Bev?lkerung bewusst ist, habe ich mich in den letzten Jahren engagiert. Ich bitte die Verantwortlichen in der Politik, sich auch k¨¹nftig f¨¹r eine starke ETH Z¨¹rich einzusetzen.

Was bedeutet Ihr Entscheid f¨¹r die ETH Z¨¹rich? Was f¨¹r Sie pers?nlich?
Zun?chst: Der Erfolg der ETH h?ngt nicht davon ab, wer im Pr?sidentenzimmer sitzt, sondern vom Engagement jedes und jeder Einzelnen, vom technisch-administrativen Mitarbeitenden bis zur Professorin. Sie alle tragen dazu bei, dass es der ETH gut geht. Darauf k?nnen wir alle zu Recht stolz sein. F¨¹r mich pers?nlich war es der richtige Entscheid. Die sieben Jahre in der Schulleitung, davon vier als Pr?sident, waren anstrengend, und es kamen bei mir Zweifel auf, ob ich nochmals vier Jahre meinen eigenen Anspr¨¹chen an diese Aufgabe gerecht werden kann. Auf der anderen Seite sp¨¹rte ich vermehrt Lust, mich noch einmal ganz meinem Fachgebiet und meinen Passionen in der Lehre und der Forschung zu widmen. Ich habe auch schon viele konkrete Ideen im Kopf ¨C neue Lehrkonzepte, die ich testen und Forschungsfragen, die ich angehen will. Darauf freue ich mich enorm!

In verschiedenen Medien werden Probleme in der Doktorierendenbetreuung in den Vordergrund ger¨¹ckt. Was meinen Sie dazu?
Wir sind bei der Betreuung von Doktorierenden vereinzelt mit F?llen konfrontiert worden, die absolut inakzeptabel sind. Ich erwarte von allen Professorinnen und Professoren eine f¨¹rsorgliche und unterst¨¹tzende Betreuung der Doktorierenden. Die hervorragenden Leistungen der Doktorierenden sind mitentscheidend f¨¹r den Erfolg der ETH. Entstehen k?nnen sie nur durch bewusstes F?rdern und einen konstruktiven und respektvollen Umgang miteinander. Deshalb nehmen sowohl ich als auch die ganze Schulleitung Problemf?lle in der Doktorierendenbetreuung sehr ernst. Wir sind schon l?nger daran, all diese F?lle sorgf?ltig und konsequent zu bearbeiten und ergreifen die n?tigen Massnahmen. Dabei wollen wir aber professionell und korrekt vorgehen. Es gilt immer, mit Augenmass vorzugehen und die rechtlichen Vorgaben einzuhalten. Das braucht etwas Zeit, aber nur so erreichen wir faire Einsch?tzungen und nachhaltig wirkende Verbesserungen.

Critical Thinking, Digitalisierung und Medizin sind strategische Initiativen, die Sie massgebend gepr?gt haben. ETH+ ist gut unterwegs und hat Fahrt aufgenommen. Gibt es etwas, das Sie sich f¨¹r das letzte halbe Jahr als ETH-Pr?sident noch vorgenommen haben?
Mein Ziel ist, in meiner restlichen Zeit diese grossen und wichtigen Initiativen, die ich mit der Schulleitung gestartet habe, weiter zu verankern und zu verstetigen. Das Zukunftsprojekt ETH+ zum Beispiel ist hervorragend unterwegs: Die erste Welle wird demn?chst evaluiert und danach implementiert. Ein zweiter Schwerpunkt liegt bei der F¨¹hrungskultur. Hier m?chte ich noch in den kommenden Monaten sp¨¹rbare Verbesserungen erreichen und konkrete Massnahmen einleiten. Eine zeitgem?sse F¨¹hrungskultur auf allen Ebenen zu leben, muss f¨¹r die ETH eine Selbstverst?ndlichkeit sein.

Was w¨¹nschen Sie sich von Ihren Kolleginnen und Kollegen in der Schulleitung, was von den Professorinnen und Professoren, und was von den Mitarbeitenden?
Ich w¨¹nsche mir, dass sich alle bewusst sind, dass die ETH nur dank des Einsatzes aller ETH-Angeh?rigen so ausserordentlich erfolgreich ist. Wir haben in Forschung, Lehre und Technologietransfer grossartige Erfolge erreicht, und wir werden gemeinsam in den kommenden Jahren diesen Weg weiter beschreiten. Ich freue mich, bis Ende 2018 als Pr?sident und danach als Professor meinen Beitrag an die weitere Entwicklung dieser wunderbaren Institution leisten zu d¨¹rfen.