Pflanzen schlauer schützen

Verbote wichtiger Pflanzenschutzmittel stehen denn auch im Zentrum der Debatte. Die EU hat Ende April 2018 drei h?ufige Neonikotinoide f¨¹r die Anwendung im Freiland untersagt, da diese Insektengifte nicht nur auf Sch?dlinge, sondern auch auf N¨¹tzlinge wie Bienen wirken. Auf der politischen Agenda steht zudem ein m?gliches Verbot des Totalherbizids Glyphosat, das am h?ufigsten eingesetzte Pflanzenschutzmittel der Welt.

Noch weiter gehen zwei aktuelle Volksinitiativen in der Schweiz. Die Initiative ?F¨¹r sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung? will Subventionen nur an landwirtschaftliche Betriebe zahlen, die ¨C unter anderem ¨C keine Pflanzenschutzmittel einsetzen. Derweil m?chte die Initiative ?F¨¹r eine Schweiz ohne synthetische Pestizide? den Einsatz jeglicher (synthetischer) Pestizide generell verbieten.

Auch die Privatwirtschaft ist ein Treiber f¨¹r Verbote und Einschr?nkungen. ?Glyphosatfreie? Milch in Deutschland und ?r¨¹ckstandfreies? Obst und Gem¨¹se (z¨¦ro r¨¦sidu de pesticides) aus Frankreich: Der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel wird immer mehr zum Marketingargument.

Was sind gute Politikl?sungen?

Das Ziel, die durch Pflanzenschutzmittel hervorgerufenen Risiken f¨¹r Mensch und Umwelt deutlich zu reduzieren, halte ich f¨¹r richtig und alternativlos. Verbote und Restriktionen sind aber nicht immer zielf¨¹hrend, denn sie k?nnen unerw¨¹nschte Nebeneffekte haben.

So kann ein Verbot eines spezifischen Mittels den Einsatz noch toxischerer Produkte beg¨¹nstigen. Andere Umweltziele k?nnten beeintr?chtigt werden und die Kosten des Pflanzenschutzes steigen. Die Quantit?t und Qualit?t von Nahrungsmitteln k?nnten sinken und die Preise steigen. Denkbar ist auch, dass Obst- und Gem¨¹seproduktion verst?rkt unter Netzen und Folien stattfinden und so unsere Landschaften merklich ver?ndern.

Das Gesamtsystem im Blick

Um Entscheidungsgrundlagen f¨¹r Politik und Wirtschaft zu schaffen, m¨¹ssen wir s?mtliche Zielkonflikte betrachten und quantifizieren¹. Wie eine Landwirtschaft mit weniger Pflanzenschutzmitteln auss?he, ist n?mlich nicht ausreichend bekannt.

Aktuell untersuchen wir zum Beispiel, wie sich ein Verzicht auf Glyphosat oder auf alle Herbizide f¨¹r ausgew?hlte Ackerkulturen auswirken k?nnte. Dabei bilden wir in bio?konomischen Modellen sowohl Unkrautdruck und Bek?mpfungsstrategien als auch die Entscheidungen der Landwirte ab. So simulieren wir, wie Landwirte reagieren, wenn sich biophysikalische, ?konomische oder rechtliche Rahmenbedingungen ?ndern.

Wir konnten zeigen, dass der Verzicht auf Glyphosat im Maisanbau zwar die Bodenbearbeitung intensiviert, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln aber insgesamt senkt². Dabei erh?hen sich die Kosten f¨¹r den Landwirt im Mittel nur geringf¨¹gig. Das heisst im Umkehrschluss, dass h?here Preise f¨¹r Glyphosat dessen Einsatz verringern k?nnten. Die Alternative ¨C eine intensivere Bodenbearbeitung im Fall des Verbots ¨C w¨¹rde hingegen den Energieaufwand, die Bodenerosion und den CO₂-Ausstoss der Landwirtschaft erh?hen.

Anreize f¨¹r schonenden Pflanzenschutz

F¨¹r mich steht zudem fest: Wir brauchen neue Wege, um Risiken des Pflanzenschutzmitteleinsatzes zu reduzieren ohne andere Leistungen des Sektors zu gef?hrden. Die Digitalisierung der Landwirtschaft wird hier eine entscheidende Rolle spielen. Autonome Roboter und Drohnen k?nnen Unkr?uter, Sch?dlinge oder Krankheiten erkennen und bek?mpfen und so Pflanzenschutzmittel drastisch reduzieren oder komplett ersetzen. Die Landwirtschaft von morgen muss zudem pr?ventive Massnahmen in Form biologischer und mechanischer Bek?mpfungsstrategien st?rken. Nicht zuletzt kann auch die Z¨¹chtung resistenter Sorten massgeblich zum Schutz der Kulturen beitragen.

Diese Ans?tze gilt es meiner Ansicht nach zu f?rdern. Es braucht dar¨¹ber hinaus aber auch ?konomische Instrumente, um die landwirtschafte Produktion nachhaltiger zu gestalten. Statt Wirkstoffe zu verbieten, sollten die durch Pflanzenschutzmittel hervorgerufenen externen Effekte internalisiert werden: Zum Beispiel k?nnte eine Lenkungsabgabe Anreize geben, sch?dliche Pflanzenschutzmittel durch weniger riskante Produkte oder nicht-chemische Strategien zu ersetzen³.

Dieser Text erschien ebenfalls als externe Seite Autorenbeitrag in der NZZ.