Digitaler Wandel mischt die Karten neu
Bundesrat Johann Schneider-Ammann lud gestern die Wirtschaftsminister Deutschlands, ?sterreichs und Liechtensteins zum traditionellen Vierertreffen in die Schweiz. Gastgeberin war die ETH Zürich. An einem Podium im Vorfeld tauschten sich Studierende mit den Ministern zu den Herausforderungen der Digitalisierung aus.
Im Zuge der Digitalisierung ziehen grosse Firmen Forscher, Erfindungen und Arbeitspl?tze aus Europa ab. Was tun die Schweiz und ihre Nachbarn dagegen? Unter anderem darüber unterhielten sich am Dienstag die deutschsprachigen Wirtschaftsminister Europas an der ETH Zürich. Bundesrat und Bildungsminister Johann Schneider-Ammann hatte seine Amtskollegin aus ?sterreichs und die Amtskollegen Deutschlands Liechtensteins zum traditionellen Vierertreffen in die Schweiz eingeladen.
Gründergeist f?rdern
Den Auftakt für den Anlass bildete ein Podium in der Semper-Aula. ETH-Pr?sident Lino Guzzella er?ffnete mit Zahlen zu Firmengründungen, die aus der ETH-Forschung hervorgingen. In den letzten drei Jahren entstanden so je 25 Spin-offs. ?Darunter sind Firmen, die sehr gross werden, aber auch kleine. Allen gemeinsam ist: Es sind wichtige Impulsgeber für die Schweizer Wirtschaft. Wir wollen Arbeitspl?tze schaffen, das ist eine unserer Hauptmotivationen?, betonte er.
Damit die besten K?pfe und Ideen nicht abwandern, will Bundesrat und Bildungsminister Johann Schneider-Ammann die Schweiz attraktiver machen für Firmengründungen. Eine neue Stiftung unter seinem Patronat etwa soll Jungunternehmern den Zugang zu Risikokapital erleichtern. Schneider-Ammann sagte: ?Wir wollen, dass man es hier mit einer Idee aus dem Labor in die Umsetzungsphase schafft und das Geld dafür nicht nur in Kalifornien oder Moskau findet.?
Der Wettkampf um die künstliche Intelligenz
Auch der Peter Altmaier, deutscher Bundesminister für Wirtschaft und Energie, betonte die Bedeutung des digitalen Wandels. Dadurch werde neu verteilt, wo auf der Welt die neuen Arbeitspl?tze entstehen. Mit vereinten Kr?ften und staatlicher Unterstützung k?nnten es europ?ische Unternehmen schaffen, Anwendungen künstlicher Intelligenz zu entwickeln und weltweit zu vermarkten.
?sterreich hat zurzeit die EU-Ratspr?sidentschaft inne. Margarete Schramb?ck, Bundesministerin für Wirtschaftsstandort und Digitalisierung, sagte, Europa wolle bereits verloren geglaubte Industrien wieder zurückholen. Forschungs- und Bildungsst?tten wie die ETH seien dabei Impulsgeber, weil sie Europa mit den n?tigen Kompetenzen rund um das Thema Künstliche Intelligenz versorgten. Liechtenstein setzt laut Regierungsschef-Stellvertreter Daniel Risch unter anderem auf eine neue Gesetzgebung für Blockchain-Anwendungen.
Die vier Minister stellten sich auch den Fragen von Informatik-Studierenden. Diese legten den Finger auf ungel?ste Probleme. Etwa, wie sich im kleinteiligen Europa die n?tige Menge Daten sammeln lasse, ohne dabei das Recht auf pers?nlichen Datenschutz zu verletzen. Sie stellten zudem in Frage, dass sich Daten wirklich anonymisieren lassen. Und sie fragten, wie Europa die Kr?fte bündeln wolle, ohne dabei tr?ge Konstrukte zu schaffen, die das von China und Amerika vorgegebene Tempo nicht mithalten k?nnen.
Pl?doyer für eine fünfte europ?ische Freiheit: Freiheit des Datenverkehrs
Bundesrat Johann Schneider-Ammann rief zu Eigeninitiative auf. Er vertrete die ?G?tti-Variante? - Wer eine gute Idee habe, sagte er symbolisch, solle sich damit an einen ?Onkel in Amerika? wenden, ?dann l?uft die Kiste?. Er meinte damit nicht amerikanische Grossfirmen, sondern private Geldgeber. Im Gegenzug erwarte er, dass die Talente, die Wertsch?pfung und die Arbeitspl?tze hierblieben.
Zum Abschluss der Runde pl?dierte der ETH-Pr?sident dafür, dass die europ?ische Staatengemeinschaft zus?tzlich zu den vier bestehenden Freiheiten Personen- und Warenverkehr, Dienstleistungs- sowie Kapitalverkehr eine fünfte Freiheit schafft, ?und zwar die Freiheit des Datenverkehrs?, so Lino Guzzella. ?Damit meine ich einen gut regulierten, aber dennoch freien Verkehr von Daten. Ein Ziel w?re unter anderem, in Europa eine kritische Masse von Daten zu erzeugen, die ausreicht, um diese Daten dann auch produktiv zu nutzen.? Und bei den ?berlegungen zu den wirtschaftlichen Chancen der Digitalisierung sei schliesslich nicht zu vergessen, was am Anfang dieser Dynamik steht: ?Grundlagenforschung?, so der ETH-Pr?sident, ?und diese muss weiterhin ihrem enormen Stellenwert entsprechend gef?rdert werden?.