Wie weiter nach den Crispr-Babys?
Der Chinese He Jiankui hat verantwortungslos gehandelt, sagt Jacob Corn. Dennoch dürfen wir die Keimbahntherapie nicht verteufeln.
Wir befinden uns in einer historisch bedeutenden Zeit: Dank den wissenschaftlichen Fortschritten der letzten Jahrzehnte wissen wir sehr viel über genetische Krankheiten. Ausserdem haben wir Grund zur Hoffnung, solche Krankheiten in Zukunft mit Genom-Editierungs-Technologien wie Crispr/Cas heilen zu k?nnen. Solche Methoden werden derzeit entwickelt. Aber sie sind l?ngst noch nicht bereit, um damit die Keimbahn von Menschen zu ver?ndern. Sie dennoch schon einzusetzen, um damit S?uglinge mit ver?nderter Keimbahn auf die Welt zu bringen, wie das der chinesische Wissenschaftler He Jiankui kürzlich gemacht zu haben behauptet hat, ist unverantwortlich. Ich habe auf diese Nachricht emotional reagiert, wie viele meiner Wissenschaftskollegen auch.
Trotz allem Enthusiasmus über das zweifellos vorhandene grosse Potenzial der Genom-Editierung müssen wir sehen, dass diese Technik noch nicht ausgereift ist. So ist bekannt, dass bei ihrem Einsatz in manchen F?llen gr?ssere Erbgutabschnitte komplett gel?scht werden. Wenden wir die Technik am falschen Ort an, wie zum Beispiel in der menschlichen Keimbahn, so hat dies gravierende Folgen.
Aus den von He pr?sentierten Daten geht ebenfalls hervor, dass er die Methode bei weitem nicht unter Kontrolle hatte. So erzeugte er beispielsweise nicht genau die von ihm ursprünglich beabsichtigten Mutationen. Wie sich die tats?chlich erzeugten Mutationen auswirken, ist überhaupt nicht bekannt. Ausserdem ist das Erbgut wahrscheinlich nicht in allen K?rperzellen der in China auf die Welt gekommenen S?uglinge ver?ndert, sondern nur in einem Teil ihrer Zellen. Diese M?ngel sind dem Wissenschaftler selbst aufgefallen, dennoch hielt er daran fest, die Kinder zur Welt zu bringen.
Er ignorierte eine Reihe von wissenschaftlichen Richtlinien, darunter solche, die er unter seinem eigenen Namen ver?ffentlichte. Und nach Angaben der chinesischen Beh?rden hat er zentrale Verfahren zur Durchführung medizinischer Studien einfach umgangen. Er ist ein Schurke, der einen monstr?sen und unethischen Ansatz verfolgte und dabei seinen Patienten Unrecht tat.
All dies bedeutet jedoch nicht, dass wir den Einsatz von Genom-Editing-Technologie grunds?tzlich verteufeln sollten.
Wichtige Forschung und potenzielle Therapie
Zum einen wird damit jetzt schon wichtige Grundlagenforschung gemacht, auch an menschlichen Embryonen: Es gibt vor allem in Grossbritannien, den USA und China stark regulierte Forschung, in welcher menschliche Embryonen mit Crispr/Cas ver?ndert werden. Damit gehen Wissenschaftler bedeutenden Fragen in Bezug auf Schwangerschaft und Gründen für Fehlgeburten nach. Nach dem Gesetz dürfen diese Embryonen im Labor nicht l?nger als 14 Tage am Leben gelassen werden.
?Wir müssen uns um alle Patienten kümmern.?Jacob Corn
Zum anderen sind F?lle der Therapie von Erbkrankheiten denkbar, bei denen es ethisch angebracht sein k?nnte, die Keimbahn aktiv genetisch zu ver?ndern, so denn die Technik dereinst als sicher genug eingestuft werden sollte. Wie andere Wissenschaftler finde auch ich, dass man angesichts der langfristigen Auswirkungen nur dann zu diesem Mittel greifen darf, wenn es keine alternativen Therapiem?glichkeiten gibt. In vielen F?llen gibt es eine Alternative: Paaren mit genetischen Krankheiten und Kinderwunsch kann oft mit künstlicher Befruchtung und Pr?implantationsdiagnostik (PID) geholfen werden.
In seltenen F?llen ist dieser Ansatz jedoch nicht gangbar. Dann n?mlich, wenn beide Partner zwei krankheitsverursachende Genkopien tragen oder wenn es um eine sogenannt dominant vererbte Krankheit geht und einer der Partner zwei krankheitsverursachende Genkopien tr?gt.
Nicht überreagieren
Es ist wichtig, dass wir uns auch um diese Patienten kümmern. Auch wenn diese F?lle selten sind, sind sie trotzdem relevant – wir sprechen hier von echten Menschen mit schweren Krankheiten und keiner anderen Aussicht auf eine Heilung. Diese Patienten müssen wir einerseits davor schützen, von skrupellosen Wissenschaftlern wie He ausgebeutet zu werden. Andererseits dürfen wir es nicht zulassen, dass Verbote von neuen Formen der Gentherapie ihre Hoffnungen auf Hilfe zunichte machen.
Denn es besteht die Gefahr, dass wir unter dem Eindruck des entsetzlichen Vorgehens einer einzelnen Person nun überreagieren und die Genom-Editierung der menschlichen Keimbahn generell verbieten. Damit würden wir über das Ziel hinausschiessen, zumal bestehende Vorschriften Hes Handlungen bereits ausreichend verbieten. Viel eher braucht es nun wir eine ernsthafte Diskussion über die m?glichen Vor- und Nachteile der Keimbahn-Editierung sowie eine durchdachte Regelung, die missbr?uchliches Handeln verbietet und gleichzeitig die Behandlung von Patienten, die darauf angewiesen sind, erm?glicht.
Podiumsdiskussion zum Thema
Unter dem Titel #CRISPRbabies wird Jacob Corn zusammen mit Gerald Schwank, Professor für Stammzellbiologie, Effy Vayena, Professorin für Bioethik, und New-York-Times-Kolumnist Carl Zimmer diskutieren.
Donnerstag, 13. Dezember 2018
12.00 bis 13.30 Uhr
Audimax im ETH-Hauptgeb?ude, HG F 30, R?mistrasse 101, Zürich
Die Diskussion findet auf Englisch statt.
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