Was bei Stress im Hirn abläuft

Forschende der ETH Zürich zeigen erstmals, dass eine gezielte Ausschüttung des Stress-Botenstoffs Noradrenalin die Kommuni?kation zwischen grossfl?chigen Netzwerken im Gehirn reorganisiert. Ihre Ergebnisse geben Einblicke in die neuronalen Prozesse, die im Gehirn bei akuten Stresssituationen automatisch ablaufen.

Eine brenzlige Situation im Verkehr sorgt für Stress und den Nordadrenalin-Kick im Hirn. (Bild: www.colourbox.com)
Eine brenzlige Situation im Verkehr sorgt für Stress und den Nordadrenalin-Kick im Hirn. (Bild: www.colourbox.com)

In akuten Stressmomenten – zum Beispiel in einer lebensgef?hrlichen Situation im Strassenverkehr - muss unser Gehirn blitzschnell reagieren. Es richtet die Aufmerksamkeit auf die wichtigsten Umgebungsreize, um in Sekundenbruchteilen lebenswichtige Entscheidungen zu treffen. Um dies zu bewerkstelligen, müssen verschiedene Hirnareale optimal miteinander kommunizieren und sogenannte funktionelle Netzwerke bilden.

Wie das Gehirn solche raschen Prozesse steuert, war bisher unklar. Versuche in Menschen deuteten auf eine Beteiligung des Botenstoffs Noradrenalin hin, der bei Stress in erster Linie im Gehirn ausgeschüttet wird. Dies am Menschen detailliert zu untersuchen, ist allerdings nicht direkt m?glich.

Locus coeruleus anregen

Um dieses schwierige R?tsel zu knacken, schlossen sich zwei Forscher?teams der ETH Zürich zusammen, die Gruppen von Johannes Bohacek und Nicole Wenderoth. In Tierversuchen gelang es den Forschenden erstmals nachzuweisen, dass eine Noradrenalin-Ausschüttung alleine ausreicht, um unterschiedliche Gebiete des Gehirns sehr schnell miteinander zu vernetzen. Um dies zu untersuchen, regten die Wissenschaftler mit modernsten genetischen Tricks ein winziges Zentrum im Gehirn der M?use, den Locus Coeruleus, an. Dieser versorgt das gesamte Gehirn mit Noradrenalin.

W?hrend dieser Aktivierung des Locus Coeruleus zeichneten die ETH-Forschenden in Echtzeit die Gehirnaktivit?t der bet?ubten Tiere mit einem Magnetresonanztomographen (MRT) auf.

Die Resultate haben die Wissenschaftler verblüfft: Die Netzwerke in M?usehirnen, in denen die Noradrenalin-Ausschüttung selektiv aktiviert wurde, ?hnelten stark denjenigen von Menschen, die akuten Stressreizen ausgesetzt wurden. Am st?rksten stieg die Aktivierung jener Netzwerke, die sensorische Aufmerksamkeitsreize verarbeiten, wie etwa das Seh- und H?rzentrum des Gehirns. Ebenfalls stark aktiviert wurde ein Netzwerk rund um die Amygdala, welches mit Angstzust?nden in Verbindung gebracht wird.

Unglaublich starker Effekt

Valerio Zerbi, Erstautor der ver?ffentlichten Studie und Experte für bildgebende Verfahren in M?usen staunte: ?Ich konnte es kaum glauben, dass derart starke Effekte aufgetreten sind.? Die Forscher konnten ausserdem aufzeigen, dass Hirnareale, die besonders stark auf die stress?hnliche Noradrenalin-Ausschüttung reagieren, auch eine hohe Anzahl entsprechender Rezeptoren haben, um Noradrenalin zu erkennen.

?Insgesamt zeigen diese Ergebnisse, dass moderne bildgebende Verfahren im Tiermodell Zusammenh?nge aufdecken k?nnen, die es uns erlauben, fundamentale Hirnfunktionen beim Menschen zu verstehen?, sagt Bohacek. Die Forscher hoffen, ?hnliche Analysen in der Klinik zur Anwendung zu bringen, um krankhafte Hyperaktivit?t des Noradrenalin-Systems zu diagnostizieren, welche mit Angst und Panikst?rungen in Verbindung steht.

Johannes Bohacek tritt an der externe Seite Scientifica 19 mit einem externe Seite Kurzvortrag auf.

Literaturhinweis

Zerbi V et al. Rapid Reconfiguration of the Functional Connectome after Chemogenetic Locus Coeruleus Activation. Neuron, published online June 18th 2019. DOI: externe Seite 10.1016/j.neuron.2019.05.034

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