Mit Algorithmen dem Krebs auf der Spur
Die Medizin ist auf der Suche nach Hinweisen, die frühzeitig auf komplexe Krankheiten hindeuten. Um solche sogenannten Biomarker zu finden, hat das ETH-Spinoff Scailyte eine Software entwickelt, die Millionen von einzelnen Zellen durchforstet.
Die Suche nach sogenannten Biomarkern ist eine der aktuell gr?ssten Herausforderungen in der Medizin. Ziel ist es, dass Patienten beispielsweise über eine Blutprobe Hinweise auf eine m?gliche Erkrankung erhalten, noch bevor die ersten Symptome auftreten. Gelingt dies, k?nnen Betrof?fene gezielt therapiert und damit oft geheilt werden. Doch bei der Früher?kennung von Krebs und anderen komplexen Krankheiten tut sich die Wissenschaft noch schwer.
Dort setzt das ETH-Spinoff Scailyte an. ?Unsere Algorithmen analysieren Millionen von einzelnen Zellen und identifizieren Muster, die auf bestimmte Krankheiten hinweisen“, sagt Peter Nestorov, CEO von Scailyte. Die Funk?tionsweise der Software erkl?rt er anhand einer Metapher: ?Man muss sich das vorstellen wie einen Fruchtsalat, der schlecht schmeckt. Statt aufgrund der Farbe oder dem Geruch zu erahnen, was die Ursache für den üblen Geruch ist, nehmen wir alle Bestandteile auseinander und analysieren sie.“ Auf diese Weise m?chte das Startup dazu beitragen, dem Krebs und anderen komplexen Krankheiten auf die Spur zu kommen. ?Leben retten und verbessern“, lautet die Vision von Scailyte.
Einer der gr?ssten St?rken der Software von Scailyte ist ihre Effizienz. W?hrend es mit klassischen Methoden mehrere Wochen dauern würde, um die riesige Datenmenge zu durchforsten, verspricht das Startup dieselbe Leistung innerhalb von zwei bis drei Tagen. Denn die Software beruht auf künstlicher Intelligenz, lernt also aus bereits verarbeiteten Daten und sagt auf dieser Basis auff?llige Zelltypen, die typischerweise mit Krank?heiten assoziieren, voraus. Entwickelt und wissenschaftlich erprobt wurde diese Methode an der ETH. Die zu Grunde liegenden Algorithmen wurden von Manfred Claassen, Professor für rechnergesteuerte Biologie an der ETH und seiner Doktorandin Eirini Arvaniti entwickelt.
Die Einzelzellentechnologie gilt nach der Entschlüsselung der DNA vor einem halben Jahrhundert als gr?sster Durchbruch in der Biomedizin. In der Wissenschaft wird dazu derzeit viel Grundlagenforschung betrieben. In einem ersten Schritt bringt Scailyte seine Software deshalb für Forscher auf den Markt – die ersten Ums?tze sollen ab diesem Herbst fliessen. Doch die wissenschaftliche Basisarbeit führt selten zu einem direkten Nutzen in der medizinischen Praxis. Diese Lücke m?chte Scailyte mittelfristig schlies?sen. ?In den n?chsten Jahren m?chten wir die Software standardisieren und für klinische Zwecke anbieten“, sagt Nestorov. Auch Dienst?leis?tungen im Bereich der Datenanalyse sollen Teil des Gesch?ftsmodells werden.
Um dereinst Anwendungen für die Praxis anbieten zu k?nnen, hat Scailyte bereits mehrere Projekte in Zusammenarbeit mit Partnern gestartet. Mit dem Universit?tsspital Zürich sowie dem Inselspital Bern sucht man beispielsweise nach Biomarkern für Krebs – mit ersten Erfolgen: ?Einige Merkmale haben wir bereits entdeckt“, sagt Nestorov. Noch finden die Abkl?rungen in den R?umlichkeiten der Projektpartner statt. Gem?ss Nestorov m?chte man aber schon bald ein eigenes Labor aufziehen.
Datenanalyse für eine neuartige Technologie
Die Idee für Scailyte kam Nestorov bei der Arbeit für die Firma Witec, welche unter anderem Laborger?te für die Vereinzelung von Zellen vertreibt. Der ursprünglich aus Bulgarien stammende 35-J?hrige hatte in Deutschland Biochemie studiert und in Basel in Genetik mit Fokus auf die Einzelzellentechnologie doktoriert. ?Von Kunden h?rte ich 100 Mal, dass sie mit der Datenanalyse zu k?mpfen hatten“, erz?hlt Nestorov. ?Also war die Zeit reif für eine Firmengründung.“ Er wandte sich an ETH-Professor Manfred Claassen sowie an die Software- und IT-Spezialisten Dennis G?hlsdorf und Daniel Sonnleithner, beide ebenfalls mit Vergangenheit an der ETH Zürich. 2017 gründeten die vier gemeinsam die Scailyte AG. G?hlsdorf war es, der den akademischen Prototypen der Software zur Marktreife weiterentwickelte.
Heute arbeiten über 20 Mitarbeitende für Scailyte, wobei nur die wenigsten von ihnen am Firmensitz in Sursee t?tig sind, sondern im Ausland oder in den Labors der Projektpartner arbeiten. Finanziert wird die Jungfirma von Investoren. 2,7 Millionen Franken steckten Risikokapitalgeber im letzten Dezember in die Firma, Hauptinvestor ist Swisscom Ventures. Um weiter zu wachsen, soll Mitte 2020 die n?chste grosse Finanzierungsrunde folgen. Zwischen 20 und 40 Millionen Franken sollen dann eingesammelt werden.
W?hrend Scailyte in Europa zu den Pionieren in der Datenanalyse mit Einzelzellen geh?rt, ist die Konkurrenz in den USA gr?sser. Mit seinem Fokus auf die klinische Diagnostik grenzt sich das Startup aber merklich von der US-Konkurrenz ab. Entsprechend gross sind die Pl?ne: ?Wir wollen unsere Software und unseren Ansatz für die Entdeckung von Bio?mar?kern auf Basis der Einzelzellen-Analyse weiterentwickeln und global anbieten“, sagt Nestorov.