Ackerbau im Trockenstress
Um die Produktion von Schweizer Nahrungsmitteln langfristig zu sichern, erforschen ETH und Agroscope die Widerstandsf?higkeit der hiesigen Anbaumethoden gegen Trockenheit.
Der Hitzesommer 2018 hat Landwirten wie Laien vor Augen geführt, womit die Schweiz künftig rechnen muss: Wegen des Klimawandels k?nnten Som?merniederschl?ge ?fter und ?l?nger ausbleiben. Angesichts sich h?ufender Trockenperioden blickt auch Nina Buchmann, Professorin für Graslandwissenschaften, besorgt auf die Landwirtschaft von morgen. Denn Dürren und infolge davon Ernteausf?lle bedrohen die Nahrungsmittelproduktion zu?nehmend. ?Darauf ist unsere Landwirtschaft zu wenig vorbereitet?, sagt Buchmann. Deshalb brauche die Schweiz vermehrt Produktionsmethoden, die auch unter trockeneren Bedingungen stabile und gute Ertr?ge liefern. Bislang ist allerdings unklar, welches der hier g?ngigen Ackerbau?systeme am widerstandsf?higsten gegenüber Trockenheit ist.
Das will Nina Buchmann zusammen mit ihrem Team und Kollegen von Agroscope, dem Kompetenzzentrum des Bundes für Agrarforschung, he?rausfinden. In einem mehrj?hrigen Feldversuch vergleichen die Forschungspartner seit 2017, wie die wichtigsten Schweizer Ackerbausysteme auf anhaltende Trockenheit reagieren. Im Fokus stehen die konventionelle und die ?kologische Produktion (Bio) jeweils mit und ohne Bodenbearbeitung respektive weniger Bodenbearbeitung im Fall von Bio, wo ohne Pflügen der Unkrautdruck zu gross wird. Als Versuchspflanzen dienen Mais, eine Erbse-Gerste-Futtermischung und Winterweizen. Das durch das Mercator Research Program des World Food System Center und der ETH Zürich Foundation unterstützte Projekt reiht sich in die Langzeitstudie FAST von Agroscope ein, in der dieselben Anbaumethoden seit zehn Jahren auf ihre agronomische Leistung hin untersucht werden.
System Acker auf dem Prüfstand
Auf dem Acker simulieren die ETH?-Forschenden Sommerdürren mit einfachen Regend?chern. Darunter verbirgt sich ein komplexes Experiment. Es umfasst 32 Teilfl?chen, davon 16 mit D?chern und ebenso viele ohne, auf denen die vier Bewirtschaftungssysteme zum Einsatz kommen. Auf ?jedem der 32 Plots steht eine sogenannte Phenocam, die mit stündlichen Bildern das Wachstum der Pflanzen erfasst. Sensoren im und über dem ?Boden messen weitere ?kologische ?Variablen. Insgesamt kümmern sich drei Doktorandinnen und ein Doktorand um die Datenerhebung im Feld.
Für ihr Experiment haben die Projektpartner die Hypothese formuliert, dass der biologische Anbau widerstandsf?higer gegen Sommerdürre ist als der konventionelle Ackerbau. Buchmann begründet: ?Das erwarten wir, weil in der ?kologischen Produk?tion die Ernteertr?ge bekanntlich tiefer ausfallen und somit auch der Wasserverbrauch geringer sein sollte. Zudem sollten im Boden Pflanzensymbionten wie stickstoff?fixierende Bakterien und Mykorrhizapilze h?ufiger ?vorkommen, die Dürre- und Stressresistenz begünstigen k?nnen.?
Da verschiedene Faktoren die Trockenresistenz beeinflussen k?nnen, versuchen die Forschenden, die Leistungen des gesamten ?kosystems Acker zu erfassen. Zu diesen ?kosystemleistungen z?hlen neben dem Pflanzenwachstum und der Menge und Qualit?t der Ertr?ge auch Aspekte wie die Widerstandsf?higkeit der Feldfrüchte gegenüber Pilzinfektionen und Insektenfrass. Hinzu kommen die elementaren Funktionen des Bodens und seiner Organismen wie die Bodenfruchtbarkeit und die F?higkeit, organisches Material abzubauen, aber auch die Pr?senz von Pflanzensymbionten und nicht zuletzt die Frage, wie viele N?hrstoffe in welcher Form für die Pflanzen verfügbar sind und wie viel Stickstoff ausgewaschen wird. ?Wir versuchen, viele Leistungen abzudecken, jedoch mit einfachen und eta?blierten Messungen, um ein umfassendes Bild und vergleichbare Resultate zu erhalten?, erkl?rt Yujie Liu, die an Buchmanns Lehrstuhl doktoriert.
Embolierte Leitgef?sse
Eine zweite Annahme betrifft die ?Bodenbearbeitung: Weniger Pflügen macht das Anbausystem widerstandsf?higer gegen Sommerdürre, so die Vermutung der Forschenden. Dies weil weniger Bearbeitung die Boden?struktur stabilisiert, was die Wasser- und N?hrstoffverfügbarkeit für die Nutzpflanzen verbessern sollte.
Um diese Hypothesen zu testen, bestimmt Buchmanns Team mittels stabiler Wasser- und Sauerstoffiso?tope, wie viel Wasser in welcher Tiefe im Boden vorhanden ist und in welcher Tiefe die Pflanzen Wasser aufnehmen. Mehr noch: Die Wissenschaftlerinnen wollen genau wissen, wie stark die Kulturen unter Wassermangel leiden und ab wann es für sie kritisch wird. Dazu misst Qing Sun, ebenfalls Doktorandin in Buchmanns Gruppe, regelm?ssig den physiologischen Dürrestress der Feldfrüchte.
Das ist m?glich, weil Pflanzen in ihrem Stengel über Gef?sse für den Wassertransport verfügen. Durch die Verdunstung aus den Bl?ttern entsteht eine Saugwirkung, die Wasser von der Wurzelspitze bis ins Blatt hochzieht. Dadurch baut sich in den Gef?ssen ein Unterdruck auf, den man messen kann. Wird dieser bei trockenem Boden zu gross, reisst der Wasserfaden ab, und es kommt zu einem Lufteinschluss, der die Leitung blockiert. Je nachdem, wo die ?Embolie? erfolgt, welkt nur ein Blatt oder die ganze Pflanze stirbt. Interessant ist, ab wann wie viele Gef?sse blockiert sind. ?Solche Messungen wurden bisher kaum gemacht. Sie helfen uns, die Stressreaktion von Ackerpflanzen in verschiedenen Anbausystemen besser zu verstehen?, sagt Sun.
Ein (noch) unvollst?ndiges Bild
Das Trockenheitsexperiment l?uft noch bis Ende n?chsten Jahres. Erste vorl?ufige Analysen deuten darauf hin, dass die Anbaumethoden einen geringeren Einfluss auf die ?kosystemleistungen haben als angenommen. Bei der Erbse-Gerste-Mischung scheinen die Pflanzen unter biologischer Produktion resistenter gegen Trockenheit zu sein. Es ist aber gut m?glich, dass Mais und Winterweizen anders reagieren. ?Das Bild ist noch nicht vollst?ndig?, betont Buchmann. Ob es das dürreresistente Produktions?sys?tem je geben wird oder ob jede Feldfrucht ihre individuelle Produktions?methode bevorzugt, bleibt vorl?ufig noch das Geheimnis unserer Kulturpflanzen.
Dieser Text ist in der aktuellen Ausgabe des ETH-Magazins Globe erschienen.