Die Pestizidinitiativen verdienen einen Gegenvorschlag

Ackerbau belastet Trinkwasser

Allerdings gehen die Initianten ein reales und ernstzunehmendes Problem an. Neue Studien best?tigen die weitr?umige Belastung des Schweizer Grundwassers mit Pflanzenschutzmitteln, insbesondere in Ackerbaugebieten des Mittellandes². Tats?chlich ist der Pestizidverbrauch in der Schweizer Landwirtschaft auch im internationalen Vergleich betr?chtlich, mehr als 2000 Tonnen Pflanzenschutzmittel werden auf die Kulturen gespritzt. Der Regen w?scht einen Teil dieser Chemikalien ins Grundwasser und ebenso ihre Abbauprodukte, sogenannte Metaboliten. Im k¨¹hlen Untergrund erfolgt der Abbau langsam und die Chemikalien reichern sich an.  Gewisse Pestizide wie etwa das Unkrautvertilgungsmittel Atrazin bleiben ¨¹ber Jahrzehnte nachweisbar, selbst wenn die Substanz schon lange verboten ist. Die Trinkwasserinitiative³ verlangt deshalb, dass im Ackerbau nur jene Betriebe Direktzahlungen erhalten, welche auf synthetische Pestizide verzichten.

Problemfall Metaboliten

Zwar sind nicht alle Pestizid-Metaboliten gef?hrlich, doch die Forschung deckt laufend neue Risiken auf. Einige Metaboliten sind im Wasser besser l?slich und deutlich langlebiger als der urspr¨¹ngliche Wirkstoff. Das Fungizid Chlorothalonil ist ein aktuelles Beispiel. Der Stoff ist hierzulande gegen Pilzbefall im Gem¨¹se- und Getreideanbau zugelassen. Die Europ?ische Beh?rde f¨¹r Lebensmittelsicherheit hat aber k¨¹rzlich das Risikoprofil dieses Fungizids versch?rft, weil die Substanz m?glicherweise Krebs ausl?sen kann⁴. In der Folge hat die EU-Kommission die Zulassung nicht mehr erneuert, und in der Schweiz soll der Einsatz ebenfalls verboten werden.

Damit ist das Problem jedoch nicht gel?st ¨C das Schweizer Grundwasser ist bereits zu stark mit Metaboliten von Chlorothalonil belastet. Die ETH-Doktorandin Karin Kiefer hat an der Eawag 31 Grundwasserproben untersucht und in 20 F?llen ein neues Abbauprodukt von Chlorothalonil nachgewiesen⁵. Dieses ¨¹berschreitet den Grenzwert im Mittel um das F¨¹nffache; die h?chste Konzentration ist sogar 27-mal h?her als zul?ssig. Betroffene Wasserfassungen m¨¹ssten nun eigentlich innert Monatsfrist saniert werden. Wegen der weitr?umigen Verschmutzung in Ackerbaugebieten und den fehlenden Reinigungstechniken wird dies allerdings nicht m?glich sein.

Es braucht einen Kompromiss

Sauberes Trinkwasser ist ein ¨¹beraus wertvolles Gut. Wenn wir die Trinkwassersicherheit im Schweizer Mittelland langfristig erhalten wollen, m¨¹ssen wir in den Ackerbaugebieten den Einsatz von problematischen Pestiziden m?glichst schnell reduzieren. Der Bundesrat hat deshalb 2017 einen Aktionsplan zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln verabschiedet⁶, welcher auf einer sorgf?ltigen Risikoanalyse basiert. Bisher bleibt der Plan jedoch genauso unverbindlich wie die k¨¹rzlich ver?ffentlichte Absicht des Bundesrates, im Rahmen der Agrarpolitik ab 2022 m?gliche Gesetzesgrundlagen zum Schutz vor Pestizidverschmutzung ?zu pr¨¹fen?.

Anstatt Absichtserkl?rungen ist baldm?glichst effektives Handeln n?tig.  In dieser Hinsicht b?te die Trinkwasserinitiative ¨¹ber die Direktzahlungen einen konkreten finanziellen Anreiz, pestizidfrei zu produzieren. Leider ist der Vorschlag unflexibel, da er alle synthetischen Pflanzenschutzmittel unabh?ngig von ihrem Risikopotential gleichbehandelt und keine schrittweise Reduktion unterst¨¹tzt.   

Aus meiner Sicht brauchen wir in der Schweiz griffige Massnahmen, welche die Risiken des Pestizideinsatzes so schnell wie m?glich verringern, ohne die landwirtschaftliche Produktion zu stark einzuschr?nken. Als n?chstes wird der St?nderat ¨¹ber die Trinkwasser- und Pestizidinitiative beraten. Dass nun die Wirtschaftskommission des St?nderates mit einer parlamentarischen Initiative eine verbindliche Vorlage zur Reduktion des Pestizidverbrauchs ausarbeiten will, ist zu begr¨¹ssen [7].  Ein logisches Vorgehen w?re beispielsweise, Teile des Aktionsplans Pflanzenschutzmittel in Form eines Gegenvorschlags rasch gesetzlich zu verankern.  Ein verbindlicher Pestizid-Reduktionsplan mit scharfen Z?hnen w?re ein Kompromiss, mit dem Bauern, Bev?lkerung und Umwelt gut leben k?nnten.