Mit Industriemüll Häuser isolieren
Das ETH-Spinoff FenX verwandelt Industrieabfall in einen por?sen Schaum, der sich zur Geb?udeisolation eignet. Im Gegensatz zu anderen nachhaltigen D?mmstoffen ist dieser nicht brennbar und ausserdem günstig herzustellen.
Kaum hat einer die Idee ge?ussert, schon blasen die vier jungen M?nner in ihrem Labor farbige Ballone auf und knüpfen sie an seidene F?den. Ans andere Ende wickeln sie einen weissen Klotz, der die Form eines Schwam?mes und die Konsistenz von Kreide hat. ?Leicht wie ein Meringue?, sagt Etienne Jeoffroy und nimmt zum Beweis seine H?nde vom Klotz, so dass die Ballone ihn tragen.
Der Klotz ist in Wahrheit ein Stück Isolationsmaterial, die vier Wissenschaftler sind die Gründer von FenX. Die Jungfirma hat einen Prozess entwickelt, um aus Industriemüll Isolationsmaterial herzustellen. Dieses ist nicht nur leicht, sondern wird auch nachhaltig hergestellt und ist nicht brennbar.
In einer Ecke ihres Labors an der ETH H?nggerberg steht ein grosser Küchenmixer. ?Damit stellen wir das Material her?, sagt Jeoffroy, der als CEO des Startups amtet. Nicht nur die dafür notwendigen Ger?te, auch die Art und Weise der Herstellung ist relativ simpel: Der Industrieabfall wird mit Wasser sowie einigen Zusatzstoffen – der ?Magie?, wie Jeoffroy die Ergebnisse jahrelanger Forschung nennt – vermischt. Es entsteht ein por?ser Schaum, der sich sp?ter zum d?mmenden ?Meringue? verfestigt.
Nachhaltig und günstig
Wer ein Haus baut, steht bei der Wahl der richtigen Isolation vor einem Dilemma: entweder er entscheidet sich für einen künstlichen D?mmstoff wie zum Beispiel Styropor oder Steinwolle. Diese sind zwar günstig und effizient, dafür aber wenig ?kologisch. Oder aber die Wahl f?llt auf natürliche Alternativen wie Holzfasern oder Flachs, was zwar nachhaltig, dafür aber teurer und manchmal auch weniger effizient ist. Kommt hinzu, dass manche der heute g?ngigen D?mmmaterialien leicht brennbar sind.
FenX hat sich daran gemacht, dieses Dilemma zu l?sen. So sind die Schaumplatten der Jungfirma nicht brennbar, ihre Herstellung ausserdem ?usserst nachhaltig: Einerseits ist diese energiesparend, weil anders als bei künstlichen Alternativen keine grosse Hitze notwendig ist, damit sich der Schaum verfestigt. Andererseits beruht der ganze Prozess auf Recycling – die in W?nden oder D?chern verbauten Isolationsplatten sind wiederverwendbar. Schliesslich verspricht Jeoffroy, dass das Material, wenn es dereinst auf den Markt kommt, nicht nur gut isoliert, sondern auch beim Preis konkurrenzf?hig sein wird. ?Industrieabfall ist als Rohstoff günstig bis gratis zu haben?, erkl?rt er.
Welche Industrieabf?lle wie zum d?mmenden Schaum verarbeitet werden k?nnen, daran forschen die vier Materialwissenschaftler noch. Für erste Tests haben sie Flugasche verwendet. Doch soll auch anderer Müll, etwa aus der Bau-, Metall- oder Papierindustrie, verarbeitet werden k?nnen. ?Wir experimentieren derzeit mit rund zehn verschiedenen Arten von Industrieabfall?, sagt Jeoffroy. Die Idee ist, dass dereinst jeweils jener Rohstoff verarbeitet werden kann, welcher am Ort der Produktion zur Genüge vorkommt. So entstehen keine ?kologisch und ?konomisch sinnlosen Transportkosten, und die Herstellung ist prinzipiell überall auf der Welt m?glich.
Auf einen Partner angewiesen
Der neuartige D?mmstoff dürfte also der Bauwirtschaft, die vor dem Hintergrund des Pariser Klimaabkommens grüner werden muss, einige Vorteile bringen. Dennoch steht das ETH-Spin off noch vor einigen Herausforderungen. Vor allem muss es , seine Produktionskapazit?ten massiv erh?hen, um auf dem Markt eine Rolle spielen zu k?nnen. Denn auch wenn die Produktionsweise des Materials einfach ist, genügt ein Küchenmixer im ETH-Labor nicht, um die riesigen Mengen herzustellen, welche im Bauwesen nachgefragt werden. ?Die Produktion muss in einer Fabrik erfolgen, dafür brauchen wir einen Partner?, ist sich Jeoffroy bewusst.
Die Chancen, dass sich ein solcher findet, stehen nicht schlecht. Das bisherige Interesse am Schaum aus der ETH sei gross, sagt er. So sei man bereits an diversen Pilotprojekten beteiligt. Das erst wenige Monate alte Startup ist, wenn es wachsen will, ausserdem auf zus?tzliches Geld angewiesen. Bislang finanzieren sich die Jungunternehmer über Mittel aus dem ETH Pioneer Fellowship sowie nationale und europ?ische Zuschüsse. ?Ziel ist, bis im April 2020 rund 1,5 Millionen Franken einzusammeln und ab 2021 mit den Schaumplatten auf dem Markt zu sein?, gibt Jeoffroy den ehrgeizigen Fahrplan vor. Bis dahin wolle man auch personell wachsen – insbesondere ist Expertise in der Baubranche, in Marketing und Verkauf gefragt.
Die vier Jungunternehmer – neben dem Franzosen Etienne Jeoffroy sind dies der Tessiner Michele Zanini sowie die beiden Italiener Enrico Scoccimarro und Alessandro Dutto – kennen sich aus ihrer Zeit am Departement für Materialwissenschaften der ETH. Sie alle arbeiteten schon w?hrend ihres Studiums beziehungsweise Postdoktorats auf die eine oder andere Weise am Rezept für das neuartige Isolationsmaterial. Unterstützung erhielten sie dabei von ETH-Professor André Studart sowie Elena Tervoort – beide Mitgründer und Berater des Startups. Dass sie schliesslich eine Firma gründeten, sei einer gemeinsamen ?berzeugung geschuldet, sagt Mitgründer Zanini: ?Nur wenn wir das Produkt auf den Markt bringen, k?nnen wir massgeblich dazu beitragen, unseren CO2-Fussabdruck zu verringern.?