Kleiner als eine Münze

ETH-Forschende haben ein kompaktes Infrarot-Spektrometer entwickelt, das sich auf einem kleinen Chip unterbringen l?sst. Damit ergeben sich interessante Perspektiven – im Weltall und im Alltag.

Chip
Mit diesem ca. 2 cm langen Chip l?sst sich das Wellenspektrum von Infrarotlicht pr?zis aufschlüsseln. (Bild: ETH Zürich / Pascal A. Halder)

Ein Handy kann heute alle m?glichen Aufgaben erledigen: Fotos und Videos aufnehmen, Nachrichten versenden, die gegenw?rtige Position bestimmen – und natürlich auch Telefongespr?che übermitteln. Und vielleicht kann man mit diesen vielseitigen Ger?ten auch einmal den Alkoholgehalt im Bier oder den Reifegrad von Früchten bestimmen.

Die Idee, Mobiltelefone für chemische Analysen zu nutzen, scheint auf den ersten Blick wagemutig. Denn die heutigen Infrarot-Spektrometer, die für solche Analysen eingesetzt werden, sind in der Regel mehrere Kilogramm schwere Kisten, die sich kaum in ein handliches Ger?t integrieren lassen. Forschenden der ETH Zürich ist nun aber ein wichtiger Schritt gelungen, diese Vision dennoch Realit?t werden zu lassen: David Pohl und Marc Reig Escale? aus der Gruppe von Rachel Grange, Professorin für optische Nanomaterialien am Departement Physik, haben zusammen mit weiteren Kollegen einen rund zwei Quadratzentimeter grossen Chip entwickelt, mit dem sich Infrarotlicht auf die gleiche Weise analysieren l?sst wie mit einem herk?mmlichen Spektrometer.

Lichtleiter statt Spiegel

Bei einem herk?mmlichen Infrarotspektrometer wird das einfallende Licht in zwei Pfade aufgeteilt und anschliessend an zwei Spiegeln reflektiert. Das zurückgeworfene Licht wird wieder zusammengeführt und mit einem Fotodetektor gemessen. Verschiebt man nun einen der beiden Spiegel, kann man aus dem Interferenzmuster den Anteil der verschiedenen Wellenl?ngen im Eingangssignal bestimmen. Da chemische Substanzen charakteristische Lücken im Infrarot-Wellenspektrum erzeugen, l?sst sich anhand des gemessenen Spektrums nachweisen, welche Substanzen in der untersuchten Probe in welcher Konzentration vorkommen.

Auf diesem Messprinzip basiert auch das von den ETH-Forschenden entwickelte Mini-Spektrometer. Das einfallende Licht wird allerdings nicht mehr mit Hilfe von beweglichen Spiegeln analysiert, sondern mit speziellen Lichtleitern, deren optischer Brechungsindex sich von aussen über ein elektrisches Feld ver?ndern l?sst. ?Das Variieren des Brechungsindexes hat einen ?hnlichen Effekt wie das Verschieben der Spiegel?, sagt David Pohl. ?Deshalb k?nnen wir mit dieser Anordnung das Spektrum des einfallenden Lichtes ebenfalls aufl?sen.?

Anspruchsvolle Strukturierung

Je nach dem, wie der Lichtleiter konfiguriert ist, lassen sich dabei unterschiedliche Bereiche des Lichtspektrums untersuchten. ?Mit unserem Spektrometer kann man im Prinzip nicht nur Infrarotlicht, sondern auch sichtbares Licht analysieren, wenn man den Lichtleiter entsprechend konfiguriert?, erl?utert Marc Reig Escalé. Im Gegensatz zu anderen integrierten Spektrometern, die nur einen engen Bereich des Lichtspektrums abdecken k?nnen, hat das von Granges Gruppe entwickelte Spektrometer den grossen Vorteil, dass es einen breiten Wellenl?ngenbereich analysieren kann.

Die Entwicklung der ETH-Physiker hat neben der Kompaktheit noch zwei weitere Vorteile: Das Spektrometer auf dem Chip muss nur einmal kalibriert werden, w?hrend herk?mmliche Ger?te immer wieder geeicht werden müssen; und es ben?tigt weniger Unterhalt, da es keine beweglichen Teile mehr gibt.

Für das Spektrometer verwendeten die ETH-Forschenden ein Material, das auch in der Telekommunikationsbranche als Modulator zum Einsatz kommt. Das von ihrer Gruppe verwendete Material hat zwar viele positive Eigenschaften. Als Lichtleiter h?lt es das Licht jedoch im Inneren gefangen. Das ist ungünstig, denn eine Messung ist nur m?glich, wenn ein Teil des zusammengeführten Lichts nach aussen dringen kann. Die Wissenschaftler haben deshalb auf den Lichtleitern feine Metallstrukturen angebracht, die das Licht nach aussen streuen. ?Es brauchte viel Arbeit im Reinraum, bis wir das Material in der gewünschten Form strukturieren konnten?, sagt Grange.

Ideal für den Weltraum

Bis das heutige Mini-Spektrometer tats?chlich in ein Handy oder ein anders elektronisches Ger?t eingebaut werden kann, braucht es allerdings noch einiges an technischer Weiterentwicklung. ?Im Moment messen wir das Signal mit einer externen Kamera?, erkl?rt Grange. ?Wenn wir ein kompaktes Ger?t haben wollen, müssen wir diese also auch noch integrieren.?

Ursprünglich hatte die Physikerin nicht chemische Analysen, sondern eine ganz andere Anwendung im Visier: In der Astronomie liefern Infrarotspektrometer wichtige Informationen über ferne Himmelsobjekte. Weil die Erdatmosph?re viel Infrarotlicht absorbiert, werden diese Instrumente idealerweise auf Satelliten im Weltraum stationiert. Dabei ist es natürlich ein grosser Vorteil, wenn man ein kompaktes, leichtes und stabiles Messger?t zur Verfügung hat, das sich vergleichsweise kostengünstig ins All bef?rdern l?sst.

Literaturhinweis:

Pohl D et.al.: An integrated broadband spectrometer on thin-film lithium niobate. Nature Photonics, 8. Oktober 2019. DOI: externe Seite 10.1038/s41566-019-0529-9

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