Klimasignal im Wetter erkennbar
Klimaforschende k?nnen den Fingerabdruck der Klimaerw?rmung mittlerweile in den t?glichen Wetterbeobachtungen auf globaler Ebene erkennen. Damit erg?nzen sie das langj?hrige Paradigma: Wetter ist nicht gleich Klima, aber der Klimawandel ist inzwischen im t?glichen Wetter nachweisbar.
Im Oktober dieses Jahres massen Wetterforscher im US-Bundesstaat Utah die tiefste je im Oktober in den USA (ausserhalb Alaska) gemessene Temperatur: -37,1°C. Der bisherige Oktober-K?lterekord lag bei -35°C. Und manch einer hat sich da wohl gefragt, wo denn der Klimawandel geblieben ist.
Klima ist eben nicht gleich Wetter, antworteten bisher Klimaforschende. Klima ist das, was man langfristig erwartet, Wetter, was man kurzfristig erh?lt. Und da das lokale Wetter sehr variabel ist, kann es an einem Ort durchaus kurzfristig sehr kalt sein, trotz langfristiger Klimaerw?rmung. Kurz: Die Variabilit?t des lokalen Wetters verschleiert langfristige globale Klimatrends.
Das gekippte Paradigma
Nun aber hat eine Gruppe von Wissenschaftlern um ETH-Professor Reto Knutti Temperatur-Messwerte und Modelle neu analysiert. Die Wissenschaftler kommen zum Schluss, dass das Wetter-ist-nicht-gleich-Klima-Paradigma in dieser Form nicht mehr gilt. Das Klimasignal, also der langfristige Trend zur Erw?rmung, l?sst sich gem?ss den Forschern tats?chlich aus den t?glichen Wetterdaten wie Lufttemperaturen an der Oberfl?che und Luftfeuchtigkeit herauslesen, sofern globale r?umliche Muster berücksichtigt werden.
Das heisst im Klartext: Es kann trotz Klimaerw?rmung sehr wohl im Oktober in den USA einen K?lterekord geben. Ist es zur gleichen Zeit in anderen Regionen überdurchschnittlich warm, dann wird diese Abweichung fast vollst?ndig ausgel?scht. ?Um im t?glichen Wettergeschehen das Signal für den Klimawandel zu entdecken, ist eine globale Betrachtungsweise n?tig, nicht eine regionale?, sagt Sebastian Sippel, Postdoktorand bei Reto Knutti und Erstautor einer Studie, die soeben in ?Nature Climate Change? erschienen ist.
Fingerabdruck des Klimawandels extrahieren
Um das Klimasignal in t?glichen Wetteraufzeichnungen zu detektieren, verwendeten Sippel und Kollegen statistische Lernverfahren und kombinierten auf diese Weise Simulationen mit Klimamodellen und Daten von Messstationen. Statistische Lernverfahren k?nnen aus der Kombination der Temperaturen verschiedener Regionen und dem jeweiligen Verh?ltnis der Erw?rmung und Variabilit?t einen sogenannten ?Fingerabdruck? des Klimawandels extrahieren. Durch systematische Auswertung der Modellsimulationen k?nnen sie den Klimafingerabdruck in den globalen Messdaten identifizieren, und zwar an jedem beliebigen Tag seit Frühjahr 2012.
Vergleicht man die Variabilit?t der lokalen und globalen Tagesmitteltemperaturen, zeigt sich, warum die globale Betrachtungsweise wichtig ist. W?hrend lokal gemessene Tagesmitteltemperaturen (selbst nach Abzug jahreszeitlich bedingter Schwankungen) sehr stark schwanken k?nnen, so bewegen sich rechnerisch ermittelte globale Tagesmittelwerte in einem sehr engen Bereich.
Vergleicht man nun die Verteilung der globalen Tagesmittelwerte von 1951 bis 1980 mit denjenigen von 2009 bis 2018, dann überlappen sich die beiden Mittelwertverteilungen (Glockenkurven) kaum noch. In den globalen Werten tritt das Klimasignal also deutlich hervor, w?hrend es in den lokalen Werten verschleiert wird, da sich die Verteilung der Tagesmittelwerte in den beiden Perioden ziemlich stark überschneiden.
Methode auf Wasserkreislauf anwenden
Die Erkenntnisse dürften breite Implikationen für die Klimawissenschaft haben. ?Wetter auf globaler Ebene tr?gt wichtige Klimainformationen in sich?, sagt Reto Knutti. ?Diese Informationen k?nnten beispielsweise für weiterführende Studien genutzt werden, mit denen ?nderungen in den Wahrscheinlichkeiten von Extremereignissen, wie zum Beispiel regionale K?ltewellen, quantifiziert werden. Diese Studien basieren auf Modellrechnungen, und unser Ansatz k?nnte dann w?hrend solcher regionaler K?ltewellen globalen Kontext über den Fingerabdruck des Klimawandels in Beobachtungen liefern. Somit entstehen neue M?glichkeiten für die Kommunikation von regionalen Wetterereignissen vor dem Hintergrund der Klimaerw?rmung.?
Die Studie resultiert aus einer Zusammenarbeit der ETH-Klimaforscher mit dem Swiss Data Science Center, das die ETH Zürich gemeinsam mit ihrer Schwesterhochschule EPFL betreibt. ?Die vorliegende Arbeit unterstreicht, wie fruchtbar Methoden der Datenwissenschaft für die Kl?rung von Umweltfragen sind, und das SDSC ist dabei von hohem Nutzen?, sagt Knutti.
Methoden der Datenwissenschaft erlauben nicht nur, die St?rke des menschlichen ?Fingerabdrucks? nachzuweisen. Sie zeigen auch, an welchen Orten auf dem Globus der Klimawandel besonders klar und früh erkennbar ist. Besonders bedeutend ist dies im Wasserkreislauf, wo die natürlichen Schwankungen von Tag zu Tag und Jahr zu Jahr sehr gross sind. ?Damit sollte man in Zukunft auch in anderen komplizierteren Messgr?ssen wie Niederschlag menschgemachte Muster und Trends erkennen k?nnen, die mit traditioneller Statistik schwer nachweisbar sind?, sagt der ETH-Professor.
Literaturhinweis
Sippel S, Meinshausen N, Fischer EM, Székely E, Knutti R: Climate change now detectable from any single day of weather at global scale. Nature Climate Change 2019, January 2nd, DOI: externe Seite 10.1038/s41558-019-0666-7