Längste Mikrowellen-Quantenverbindung
ETH-Physiker haben die mit fünf Metern bisher l?ngste Mikrowellen-Quantenverbindung demonstriert. Sie eignet sich sowohl für zukünftige Quantencomputer-Netzwerke als auch für Experimente der quantenphysikalischen Grundlagenforschung.
Zusammenarbeit ist alles – auch in der Quantenwelt. Um in Zukunft leistungsf?hige Quantencomputer bauen zu k?nnen, wird es n?tig sein, mehrere kleinere Quantenrechner zu einer Art Cluster oder lokalem Netzwerk (LAN) zusammenzuschliessen. Da solche Rechner mit quantenmechanischen ?berlagerungszust?nden arbeiten, welche die logischen Werte ?0? und ?1? gleichzeitig enthalten, sollten die Verbindungen zwischen ihnen ebenfalls ?Quanten-Verbindungen? sein.
Die mit fünf Metern bisher l?ngste auf Mikrowellen basierende Quantenverbindung steht nun seit Kurzem im Labor von Andreas Wallraff, Professor am Quantum Device Lab der ETH Zürich. Ihre Ergebnisse wollten die Forscher in diesen Tagen auf dem Jahrestreffen der American Physical Society in Denver vorstellen. Wegen der aktuellen Epidemie-Lage wurde diese Konferenz kurzfristig abgesagt. Stattdessen berichteten die Wissenschaftler nun im Rahmen einer externe Seite virtuellen Ersatzkonferenz über ihre Resultate.
?Das ist schon ein Meilenstein für uns?, erkl?rt Wallraff, ?denn damit k?nnen wir zeigen, dass Quanten-LAN prinzipiell m?glich sind. In den n?chsten 10 bis 20 Jahren werden Quantencomputer darauf wohl zunehmend angewiesen sein.? Derzeit gibt es zwar Computer mit einigen Dutzend Quanten-Bits oder Qubits, aber mehrere Hunderttausend davon lassen sich in den bestehenden Apparaturen kaum unterbringen. Das liegt unter anderem daran, dass auf supraleitenden elektrischen Schwingkreisen basierende Qubits, wie sie in den Quanten-Chips in Wallraffs Labor (und auch von IBM und Google) benutzt werden, auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt von -273,15 Grad Celsius abgekühlt werden müssen. Dadurch werden thermische St?rungen unterdrückt, die dazu führen würden, dass die Quantenzust?nde ihren ?berlagerungscharakter verlieren – dies wird als Dekoh?renz bezeichnet – und damit Fehler in den Quantenrechnungen auftreten.
Extreme K?lte gegen Dekoh?renz
?Die Herausforderung war nun, zwei solche supraleitenden Quanten-Chips über mehrere Meter so zu verbinden, dass ?berlagerungszust?nde zwischen ihnen mit m?glichst geringer Dekoh?renz ausgetauscht werden k?nnen?, sagt Philipp Kurpiers, ein ehemaliger Doktorand in Wallraffs Arbeitsgruppe. Dies geschieht in Form von Mikrowellen-Photonen, die von einem supraleitenden Schwingkreis ausgesandt und von einem anderen empfangen werden. Dazwischen fliegen sie durch einen Wellenleiter, also einen wenige Zentimeter breiten Hohlraum aus Metall, der ebenfalls stark abgekühlt werden muss, damit die Quantenzust?nde der Photonen nicht beeinflusst werden.
Jeder der beiden Quanten-Chips wird dabei in einem Kryostaten (einem extrem leistungsf?higen Kühlschrank) mit Hilfe von komprimiertem und flüssigem Helium über mehrere Tage auf wenige Hundertstel Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt. Der fünf Meter lange Wellenleiter, der die Quantenverbindung herstellt, wurde dazu mit einer Ummantelung aus mehreren Lagen Kupferblech versehen. Jede dieser Lagen dient als W?rme-Schutzschild für die verschiedenen Temperaturstufen des Kryostaten: -223 Grad, -269 Grad, -272 Grad und schliesslich – 273,1 Grad. Insgesamt wiegen alleine diese W?rmeschilde gut eine Vierteltonne.
Kein ?Table Top?-Experiment
?Dies ist also eindeutig kein ?Table Top?-Experiment mehr, das man auf einer kleinen Werkbank aufbauen kann?, sagt Wallraff. ?Da steckt viel Entwicklungsarbeit drin, und die ETH ist ein idealer Ort, um eine so anspruchsvolle Apparatur zu bauen. Es ist so etwas wie ein Mini-Cern, das wir erst über Jahre bauen mussten, um nun endlich interessante Sachen damit zu tun?. Ausser den drei Doktoranden, die die Experimente ausführten, waren mehrere Ingenieure und Techniker in den Werkst?tten der ETH und des Paul-Scherrer-Instituts (PSI) an der Herstellung und am Aufbau der Quantenverbindung beteiligt.
Die ETH-Physiker konnten nicht nur zeigen, dass die Quantenverbindung ausreichend abgekühlt werden kann, sondern auch, dass sich mit ihr tats?chlich Quanteninformation zwischen zwei Quanten-Chips zuverl?ssig übertragen l?sst. Dazu stellen sie über die Quantenverbindung einen Verschr?nkungszustand zwischen den beiden Chips her. Solche Verschr?nkungszust?nde, bei denen eine Messung an einem Qubit augenblicklich das Messergebnis an einem anderen Qubit beeinflusst, eignen sich auch für Tests der quantenmechanischen Grundlagenforschung. Bei solchen Bell-Tests müssen die Qubits ausreichend weit voneinander entfernt sein, damit jegliche Informationsübertragung mit Lichtgeschwindigkeit ausgeschlossen werden kann.
W?hrend Wallraff und seine Mitarbeiter Quantenexperimente mit der neuen Verbindung durchführen, haben sie schon mit der Arbeit an noch l?ngeren Quantenverbindungen begonnen. Bereits vor einem Jahr konnten sie eine zehn Meter lange Verbindung ausreichend abkühlen, ohne allerdings Quantenexperimente damit zu machen. Nun arbeiten sie an einer 30-Meter-Quantenverbindung, für die eigens ein Raum an der ETH hergerichtet wurde.