Komplexe Zelluloseobjekte drucken
Forschende der ETH Zürich und der Empa druckten mit einem Zellulose-Verbundmaterial verschiedene Objekte, deren Zellulosegehalt h?her liegt als derjenige von anderen 3D-gedruckten zellulosebasierten Gegenst?nden. Ein Trick half dabei.
B?ume und andere Pflanzen machen es vor: Sie stellen Zellulose selbst her und bauen daraus komplexe Strukturen mit aussergew?hnlichen mechanischen Eigenschaften. Zellulose ist deshalb für Materialwissenschaftler attraktiv, um nachhaltige Produkte mit speziellen Funktionen herzustellen. Das Material zu komplexen Strukturen mit hohem Zelluloseanteil zu verarbeiten, fordert Materialwissenschaftler jedoch nach wie vor heraus.
Eine Gruppe von Forschenden der ETH Zürich und der Empa haben nun einen Weg gefunden, Zellulose mittels 3D-Drucker zu verarbeiten, um fast beliebig komplexe Gegenst?nde mit sehr hohem Zelluloseanteil zu schaffen.
Dazu kombinierten die Forschenden das Direct Ink Writing, eine 3D-Drucktechnik, mit einem nachfolgenden Verdichtungsprozess. Damit gelang es den Materialforschenden, den Zellulosegehalt in den gedruckten Objekten auf einen Volumenanteil von 27 Prozent zu heben, wie sie in der Fachzeitschrift ?externe Seite Advanced Functional Materials? berichteten.
Tinte aus Wasser und Nanozellulose
Die ETH- und Empa-Forschenden sind freilich nicht die ersten, die Zellulose mit dem 3D-Drucker verarbeiten. Mit bisherigen Ans?tzen, bei denen ebenfalls zellulosehaltige Druckpaste verwendet wurden, gelang es allerdings nicht, feste Objekte mit einem derart hohen Zelluloseanteil und von solch hoher Komplexit?t anzufertigen.
Die Druckpaste, die Hausmann und seine Kollegen einsetzen, ist denkbar einfach zusammengesetzt. Sie ist eine Dispersion aus Wasser und wenigen hundert Nanometer grossen Zellulosepartikeln und -fasern. Der Zelluloseanteil liegt zwischen sechs und 14 Prozent des Tintenvolumens.
L?sungsmittelbad verdichtet Zellulose
Der Trick der ETH-Forschenden ist, den Gegenstand nach dem Drucken in ein Bad aus organischen L?sungsmitteln einzubringen. Weil Zellulose organische L?sungsmittel abweist, lagern sich die Zellulosepartikel dicht zusammen. Dadurch schrumpft das Objekt, was zu einer starken Zunahme der relativen Menge von Zellulosepartikel im Material führt.
In einem weiteren Schritt tauchten die Wissenschaftler den Gegenstand in eine weitere L?sung, welche ein lichtempfindliches Kunststoffmonomer enthielt. Die Monomere füllten beim Verdunsten des L?sungsmittels die Lücken des Zellulosegerüsts. Um die Monomere in festen Kunststoff zu verwandeln, setzten die Forschenden den Gegenstand UV-Licht aus. So entstand ein Verbundmaterial mit einem Zellulosegehalt von besagten 27 Volumenprozent.
?Der Verdichtungsprozess erlaubte es uns, mit einem sechs bis 14-prozentigen Wasser-Zellulose-Gemisch anzufangen und am Ende ein Verbundmaterialobjekt mit 27 Volumenprozent von Zellulose-Nanokristallen zu erhalten?, sagt Hausmann.
Elastizit?t l?sst sich einstellen
Je nach Art des eingesetzten Kunststoffmonomers k?nnen die Forschenden die mechanischen Eigenschaften wie Elastizit?t oder St?rke der Druckgegenst?nde einstellen. Dies erlaubt es ihnen je nach Bedarf harte oder weiche Teile zu erzeugen.
Mithilfe dieses Vorgehens konnten die Forschenden verschiedene, teils filigrane und trotzdem stabile Verbundmaterialobjekte herstellen, wie etwa eine Flammenskulptur, die nur ein Millimeter dick ist.
Die Verdichtung von Gegenst?nden mit einer Wandst?rke von mehr als fünf Millimetern führt allerdings zu Verzerrungen, da sich deren Oberfl?chen rascher zusammenziehen als deren Inneres.
Faserausrichtung wie bei Holz
Ihre Objekte untersuchten die Forschenden mittels R?ntgenanalysen und mechanischen Tests. Dabei zeigte sich, dass sich die Zellulose-Nanokristalle ?hnlich ausrichten wie Zellulosefasern in natürlichem Holzmaterialien. ?Das bedeutet, dass wir die Mikrostruktur unserer Druckgegenst?nde so steuern k?nnen, sodass Materialien entstehen, deren Mikrostruktur derjenigen der biologischen Vorbildern wie Holz ?hneln?, betont Rafael Libanori, Oberassistent in der Gruppe von ETH-Professor André Studart.
Noch sind die gedruckten Stücke klein – Labormassstab eben. Doch m?gliche Anwendungen gibt es viele, angefangen bei massgeschneiderten Verpackungen bis hin zu Knorpelersatz-Implantaten für Ohren. Die Forscher haben denn auch ein Ohr nach menschlichem Vorbild angefertigt. Bis ein solches jedoch in der Klinik eingesetzt werden k?nnte, braucht es mehr Forschung und klinische Versuche.
An der Drucktechnik k?nnte auch die Autoindustrie interessiert sein. Japanische Autobauer haben bereits einen Prototyp eines Sportwagens gebaut, dessen Karosserie fast vollst?ndig mit Zellulosebasierten Materialien gefertigt wurde.
Literaturhinweis
Hausmann MK, Siqueira G, Libanori R, Kokkinis D, Neels A, Zimmermann T, Studart AR: Complex‐Shaped Cellulose Composites Made by Wet Densification of 3D Printed Scaffolds. Advanced Functional Materials, 9. Dezember 2019. doi: externe Seite 10.1002/adfm.201904127