Mit Atemwegspflege das Infektionsrisiko senken
Ein Blick in die Biologie zeigt, dass uns neben der Handhygiene noch weitere M?glichkeiten zur Verfügung stehen, um das Risiko einer schweren Infektion mit dem Coronavirus zu reduzieren, schreibt Viola Vogel.
Wir alle wissen, wie wichtig eine gute Handhygiene und Abstandhalten sind, wenn wir uns und andere vor einer Ansteckung mit dem neuen Coronavirus schützen wollen. Dies sind zielführende Massnahmen, um die Epidemie zu d?mpfen und so unser Gesundheitssystem zu entlasten, damit genügend Behandlungskapazit?t zur Verfügung steht für die verletzlichsten Personen unserer Gesellschaft.
Um die Schwere des Krankheitsverlaufs zu beeinflussen, stehen uns jedoch noch weitere Massnahmen zur Verfügung: Einen wesentlichen Beitrag leisten k?nnen n?mlich auch eine bewusste Pflege des Rachenraums sowie alles, was die Selbstreinigungskr?fte der Atemwege unterstützt. Dieser Aspekt wird in den n?chsten Wochen immer wichtiger werden. Denn je mehr sich das Virus bei uns ausbreitet, desto weniger l?sst sich verhindern, dass wir mit ihm in Berührung kommen, und desto wichtiger wird es sein, dass m?glichst wenige der Viruspartikel in die Lunge gelangen und dort Entzündungsreaktionen hervorrufen.
Unser K?rper bek?mpft Viren generell nicht nur mit spezifischen Antik?rpern, sondern nutzt noch eine ganze Reihe weiterer Abwehrmechanismen, die unspezifisch und daher bereits beim ersten Kontakt selbst mit einem neuen Erreger wirken. Ein Blick in die Biologie hilft, diese k?rpereigenen Mechanismen zu nutzen und zu f?rdern: Was geschieht auf der Reise des Coronavirus durch unseren K?rper, bevor es unsere Zellen bef?llt? Und wie gelangt das Virus in die Lunge?
Fliessband zur Reinigung der Atemwege
Nach dem gegenw?rtigen Wissensstand verbreitet sich das Coronavirus vor allem über Tr?pfchen. Dies geschieht, wenn eine infizierte Person von kleinsten Wassertr?pfchen umgebene Viren ausatmet und ein weiterer Mensch in seiner N?he diese gleich wieder einatmet. Diese Tr?pfchen bleiben entweder an den Schleimh?uten der Nase, des Rachenraums oder an den W?nden der Luftr?hre und Bronchien haften.
Damit sich das Virus vervielf?ltigen kann, muss es dort eine Schleimhautzelle befallen. Dieser Schritt erfordert Zeit. Dabei multipliziert das Virus seine genetische Information, stellt eine grosse Menge neuer Viruspartikel her und l?sst die Wirtszelle platzen, wodurch die Viruspartikel freigesetzt werden. ?ber mehrere Vermehrungszyklen kann sich das Virus so weiter in den Atemwegen bis tief in die letzten Verzweigungen der Lunge ausbreiten.
?Wir sind dem Coronavirus nicht hilflos ausgeliefert.?Viola Vogel
Die Atemwege besitzen allerdings ?usserst wirksame Selbstreinigungsmechanismen: Ihre W?nde bestehen aus Zellen mit winzigen Flimmerh?rchen auf denen eine dünne Schleimschicht liegt. Diese H?rchen bewegen sich synchron im Kreis und transportieren so den Schleim wie auf einem Fliessband langsam von den Bronchien in den Rachenraum hoch. Auch die im Schleim abgelagerten Partikel werden so aus den Atemwegen rausgeschafft. Dieses zellgetriebene Fliessband ger?t allerdings ins Stottern, wenn der Schleim zu z?hflüssig oder die Schleimschicht zu dick wird.
Eine letzte unspezifische Abwehrfront gegen Viren in der Lunge sind schliesslich die Fresszellen des Immunsystems, die in den Lungenbl?schen sitzen. Ihre Aufgabe ist es, die Lunge sauber zu halten. Dabei unterscheiden die Fresszellen nicht zwischen Krankheitskeimen und Schadstoffen aus der Umwelt. Allerdings ist ihre Kapazit?t begrenzt. Je mehr Zeit sie damit verbringen müssen, Feinstaub und andere Partikel aus den Lungenbl?schen zu entfernen, desto st?rker ist ihre Effizienz zur Virusreduktion eingeschr?nkt.
Mit Zusatzmassnahmen Virenzahl reduzieren
Es ist wichtig zu realisieren, dass wir nicht unbedingt beim ersten Einatmen eines Viruspartikels infiziert werden. Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion steigt mit der Zahl der Viren an – die Dosis an Viren ist also entscheidend. Bereits das Atmen durch die Nase reduziert die Zahl der Viren, die in den Mund und Rachenraum gelangen. Solange sich die Viren dann in unserem Rachenraum befinden, l?sst sich ihre Zahl mit verschiedensten antiviral wirkenden Mundspülungen reduzieren. Auch bew?hrte Hausmittel wie Gurgeln und heissen Ingwertee trinken, mit denen wir frühe Symptome einer Grippe bek?mpfen, haben dabei durchaus ihre Berechtigung. Um die Schleimschicht in unseren Atemwegen dünnflüssig zu halten und somit das zellul?re Reinigungsfliessband effektiv nutzen zu k?nnen, ist das regelm?ssige Inhalieren von Wasserdampf hilfreich. Und um die Fresszellen in den Lungenbl?schen m?glichst effizient Viren bek?mpfen zu lassen, hilft es, sich keinen anderen Umweltschadstoffen wie Feinstaub auszusetzen und auch auf das Rauchen zu verzichten.
Wir sehen also: Auf allen Stufen, von der Nase zum Rachen, über die Bronchien bis tief in die Lunge l?sst sich die Zahl der Viren durch kleine Zusatzmassnahmen reduzieren. Und diese Zahl der Viren ist entscheidend, ob es zu einer Lungeninfektion kommt oder nicht. Wir sind dem Coronavirus nicht hilflos ausgeliefert. Jede und jeder von uns kann einen Eigenbeitrag leisten, das Virus in Schach zu halten.
Erg?nzung vom 16.03.2020
Liebe Leserinnen und Leser
Ich freue mich sehr über die vielen Reaktionen. Wegen der Vielzahl an Kommentaren habe ich beschlossen, nicht jeden einzelnen davon zu beantworten, sondern hier eine Antwort in zusammenfassender Form zu geben.
Ich m?chte festhalten, dass ich Naturwissenschaftlerin bin und keine ?rztin. Ich werde daher keine spezifischen Therapievorschl?ge machen, sondern aus der naturwissenschaftlichen Warte heraus erl?utern, was wir bisher wissen.
Sehr viele Details zum Verhalten des neuen Coronavirus sind noch nicht bekannt. Sobald wir neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen, werden wir diese Methoden, den Erreger zu bek?mpfen, laufend verfeinern. Wir müssen uns jedoch bewusst sein, dass dies noch eine Weile dauern kann.
Die Wirksamkeit des Abstandhaltens und der Handhygiene sind bekannt. In meinem Beitrag habe ich darauf hingewiesen, dass darüber hinaus auch die Atemwegshygiene bedeutend sein k?nnte. Viele von Ihnen fragen diesbezüglich nun nach konkreten Rezepten und Produkten. Manche haben auch eigene Rezepte vorgeschlagen. Weil das Wissen zum aktuellen Pandemieerreger derzeit immer noch klein ist, m?chte ich mich nur allgemein zu Mechanismen ?ussern, nicht aber zu konkreten Rezepten.
Coronaviren – wie übrigens auch Influenzaviren, welche die saisonale Grippe verursachen – sind von einer dünnen Schutzhülle (Membran) umgeben, die einen grossen Anteil an Lipid (Fetts?ure)-Molekülen enth?lt. Alle Substanzen, welche solche Lipidmembranen zerst?ren, zerst?ren auch das Virus. Das heisst, sie wirken in diesem Fall antiviral.
Zu diesen Substanzen geh?rt Seife. Daher ist es auch so wichtig und wirksam, wenn wir uns die H?nde mit Seife waschen. Auch Zahnpaste beinhaltet Tenside, welche Lipidmembranen zu zerst?ren verm?gen. Es k?nnte daher wirksam sein, wenn wir nach dem Z?hneputzen mit dem im Mund verbliebenen Schaum gurgeln. Wissenschaftliche Literatur dazu ist mir allerdings nicht bekannt.
Was pflanzliche Stoffe angeht: Pflanzen stellen Naturstoffe her, um sich ihrerseits vor Krankheitserregern (unter anderem pflanzenspezifische Viren) zu schützen. Ingwer zum Beispiel enth?lt phenolische Verbindungen, welche die Aussenhülle von bestimmten Viren zerst?ren k?nnen.
Wegen den strukturellen Gemeinsamkeiten der Schutzhülle von Corona- und Influenzaviren k?nnten pflanzliche Verbindungen, die eingesetzt werden, um die frühen Symptome von Influenza-Infekten zu lindern, m?glicherweise auch helfen, den Krankheitsverlauf einer Covid-19-Infektion zu lindern. Allerdings ist dies Spekulation.
Bleiben Sie gesund und schützen Sie sich und Ihre Mitmenschen.
Viola Vogel
Referenz
Vogel V: externe Seite How to Further Reduce the Risk of Serious COVID-19 Infections: Exploiting the Fragile Viral Envelope and the Self-Cleaning Mechanisms of Our Respiratory System, hochgeladen am 24.03.2020 auf preprints.org (noch nicht begutachtestes Manuskript)