Es werde Licht, und der Vorgang stoppt
ETH-Forschende haben herausgefunden, dass sie lichtempfindliche Moleküle nutzen k?nnen, um genetische Netzwerke gezielt ein- und auszuschalten. Damit wird es in Zukunft m?glich sein, die biotechnologische Herstellung von Substanzen auf einfache Weise dynamisch steuern.
Das Antibiotikum Tetrazyklin (Tc) und sein Abk?mmling Anhydrotetrazyklin (aTC) werden in der Biotechnologie und der Synthetischen Biologie oft verwendet. Beide Moleküle beeinflussen die Genaktivit?t. Tc hemmt allgemein die zellul?re Maschinerie für die Produktion von Proteinen. aTc wird dazu verwendet, spezifische Gene freizuschalten. Dies geschieht indirekt: aTc verbindet sich mit einem Molekül, welches an das entsprechende Gen angelagert ist und verhindert, dass es von der zellul?ren Proteinproduktionsmaschinerie abgelesen wird. Durch die Verbindung l?st sich der Komplex vom Gen, und die Herstellung des von ihm kodierten Protein kann starten.
Tc und aTc in Zellkulturexperimenten als Regulatoren zu verwenden, hat jedoch auch Nachteile: Die beiden Moleküle verbleiben in der Kultur und k?nnen nicht entfernt werden. Dadurch k?nnen die Vorg?nge, die sie regulieren, nicht mehr gestoppt werden.
Ein Team von Forschenden um Mustafa Khammash vom Departement Biosysteme der ETH Zürich in Basel hat nun einen neuen Trick entdeckt: Wie viele andere Chemikalien auch sind Tc und aTc von Natur aus lichtempfindlich. Wenn UVA-Licht auf sie trifft, verlieren sie ihre F?higkeit, die Genaktivit?t zu hemmen. Dies nutzen die ETH-Forscher nun aus, um Tc und aTc zu dynamisch steuerbaren Transkriptions- und Wachstumsregulatoren zu machen. Ihre Arbeit erschien vor kurzem im Fachmagazin externe Seite Nature Communications.
Einfachere Regulation
?Die Verwendung von natürlicherweise lichtempfindlichen Molekülen wie aTc und Tc macht uns das Leben viel einfacher?, erkl?rt Armin Baumschlager den neuen Ansatz. Er ist Postdoktorand bei Khammash und Erstautor der entsprechenden Studie. Es sei nun nicht mehr n?tig, den verwendeten Zellen zus?tzliche Gene, welche die Lichtempfindlichkeit vermitteln, einzubauen. Dadurch k?nnten nun auch nicht spezialisierte Forschungsgruppen mit optogenetischen Netzwerken arbeiten.
Das Steuern der Genaktivit?t mit Licht wird in der Biologie als Optogenetik bezeichnet. So ist es m?glich, Zellen wie zum Beispiel E. coli-Bakterien, dazu bringen, auf Lichtimpulse hin eine bestimmte Reaktion wie die Produktion eines Proteins auszuführen. Neben Substanzen wie Tc oder aTc lassen sich auch lichtempfindliche Enzyme dafür verwenden. Wissenschaftler haben in der Vergangenheit komplexe genetische Netzwerke geschaffen, in welche sie die Gene dieser Enzyme eingebaut haben. Allerdings haben auch diese einen Nachteil: Sie bleiben nur aktiv, wenn sie dauerhaft mit Licht beschienen werden.
Der Einsatz von lichtempfindlichen Substanzen erm?glicht somit das An- und das Abschalten eines Netzwerks. Angeschaltet wird es, in dem der Zellkultur beispielsweise eine bestimmte Menge von aTc zugegeben wird. Beleuchtet man nach einiger Zeit die Kultur mit UVA-Licht, l?sst sich der Prozess rasch und vollst?ndig anhalten. ?Die Inaktivierung von aTc mit Licht ist vergleichbar mit dem Entfernen der Substanz aus dem System?, sagt Baumschlager.
M?chte man den Prozess erneut in Gang setzen, gibt man der Zellkultur wieder aTc hinzu. ?Solche Zyklen lassen sich mehrfach wiederholen, ohne dass die Zellen Schaden nehmen?, erkl?rt der Forscher. ?In dieser Studie haben wir gezeigt, dass wir den zeitlichen Aspekt des Aktivierens und Inaktivierens sehr gut regulieren k?nnen.?
Neue Steuerungsschemata
Die Lichtempfindlichkeit von Molekülen zur Steuerung von biologischen Prozessen auszunutzen, erlaubt es den Forschenden, v?llig neue Steuerungsschemata für die Biotechnologie zu entwickeln. Die ETH-Forschenden sind derzeit daran, sie auf gr?ssere Massst?be anzuwenden. Bislang haben sie das System erst im Reagenzglas getestet. Nun planen sie Versuche mit Bioreaktoren von wenigen Litern Volumen. Als Regulatoren k?nnten auch andere lichtempfindliche Moleküle wie zum Beispiel weitere Antibiotika verwendet werden.
Anwenden k?nnte man die Methode etwa für die Herstellung bestimmter therapeutisch nutzbarer Proteine wie Antik?rper oder wertvolle Vitamine, indem man deren Herstellung durch Zugabe oder Inaktivierung von aTc auf optimale Weise steuert. ?Für die Pharmaindustrie dürfte unser neues Verfahren interessant sein, da es viel einfacher in Handhabung und Entwicklung ist?, sagt Baumschlager.
Literaturhinweis
Baumschlager A, Rullan M & Khammash M. Exploiting natural chemical photosensitivity of anhydrotetracycline and tetracycline for dynamic and setpoint chemo-optogenetic control. Nat Commun 11, 3834 (2020). Doi: externe Seite 10.1038/s41467-020-17677-5