Blick zurück auf das Klima der Zukunft
Heiss und feucht: ETH-Forscher rekonstruieren anhand von Mineralien aus uralten B?den das Klima, das vor rund 55 Millionen Jahren auf der Erde herrschte. Die Erkenntnisse tragen dazu bei, unser künftiges Klima besser einzusch?tzen.
Vor 57 bis 55 Millionen Jahren ging das Pal?oz?n zu Ende, und das Eoz?n begann. Damals war die Atmosph?re mit dem Treibhausgas Kohlendioxid geradezu überflutet: Dessen Konzentration betrug 1400 ppm bis 4000 ppm. Unschwer vorzustellen, dass auf der Erde Temperaturen wie in einer Bio-Sauna geherrscht haben müssen. Es war heiss und schwül, und das Eis an den Polkappen war komplett verschwunden.
Das damalige Klima ist für Forschende interessant um abzusch?tzen, wie sich das heutige Klima entwickeln k?nnte. Denn zurzeit liegt der CO2-Gehalt der Atmosph?re bei 412 ppm, vorindustriell lag er bei 280 ppm. Klimaforschende gehen davon aus, dass er aufgrund der menschlichen CO2-Emissionen bis Ende des Jahrhunderts 1000 ppm erreichen k?nnte.
Eine Gruppe von Forschern der ETH Zürich, der Pennsylvania State University und des CASP in Cambridge (GB) haben deshalb das Klima rekonstruiert, das am Ende des Pal?oz?ns und am Anfang des Eoz?ns herrschte, und zwar anhand von winzigen Mineralien aus ehemaligen Sumpfb?den. Die Studie erschien soeben in der Fachzeitschrift ?Nature Geoscience?.
Was Mineralien übers Klima aussagen
Bei den Mineralien handelt es sich um Siderit. Sie entstanden in sauerstofflosen B?den, die sich unter einer dichten Pflanzendecke in Sümpfen entwickelten. Sümpfe waren im Pal?oz?n und Eoz?n entlang der heiss-feuchten Küsten weit verbreitet.
Siderit ist ein Eisenkarbonat und besteht aus einem Eisen-Atom, einem Kohlenstoff und drei Sauerstoff-Atomen (FeCO3). W?hrend des Wachstums der Siderit-Kristalle werden je nach Bodentemperatur unterschiedliche Kohlenstoff- und Sauerstoff-Isotopen in das Kristallgitter eingebaut. Die wachsenden Kristalle speichern auch Informationen über die Luftfeuchtigkeit, da die Sauerstoffisotope aus Wasser stammen, das durch Regen in den Boden eindrang. So speichern die Kristalle Informationen über das Klima der Epoche, in der sie wuchsen. Diese Informationen k?nnen die Forscher auslesen, indem sie die Isotopenzusammensetzung der Kristalle im Labor bestimmen. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf den Feuchtigkeitsgehalt der Atmosph?re und die Lufttemperaturen ziehen.
Um die klimatischen Bedingungen vom ?quator bis zu den Polregionen nachzuzeichnen, untersuchten die Forscher Siderite von 13 verschiedenen Fundorten auf der Nordhalbkugel der Erde. Damit deckten sie alle geografischen Breiten von den Tropen bis zur Arktis ab.
Dampfend heisse Welt
?Die Klimarekonstruktion anhand des Siderits zeigt, dass eine heisse Welt auch eine feuchte Welt ist?, sagt Erstautor Joep van Dijk, der von 2015 bis 2018 bei ETH-Professor Stefano Bernasconi am Geologischen Institut doktorierte.
So lag vor 57 bis 55 Mio. Jahren die mittlere j?hrliche Lufttemperatur am ?quator im heutigen Kolumbien bei rund 41°C. Im arktischen Sibirien betrug die durchschnittliche Sommertemperatur 23°C.
Anhand ihres Siderit-?Hygrometers? wiesen die Forscher auch nach, dass der globale Feuchtigkeitsgehalt der Atmosph?re beziehungsweise die spezifische Feuchtigkeit im Pal?oz?n und Eoz?n viel h?her war als heute. Der Wasserdampf blieb auch l?nger in der Luft, weil die spezifische Feuchtigkeit st?rker zunahm als Verdunstung und Niederschlag. Der Anstieg der spezifischen Feuchtigkeit war jedoch nicht überall gleich.
Dank der Tatsache, dass die Forschenden über Siderit aus allen Breitengraden verfügten, konnten sich auch die Verteilung der spezifischen Feuchtigkeit untersuchen: Die Tropen und die h?heren Breiten wiesen damals eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit auf.
Subtropischer Wasserdampf w?rmte Pole
Die Forscher führen dies darauf zurück, dass Wasserdampf aus den Subtropen in diese Zonen verfrachtet wurde. In den Subtropen stieg die spezifische Feuchte am wenigsten an. Die Verdunstung nahm zu, die Niederschl?ge wurden weniger. Dadurch entstand mehr Wasserdampf, der schliesslich hin zu den Polen und zum ?quator gelangte. Und mit dem Dampf wurde auch W?rme transportiert.
Auch heute beobachten Klimaforschende, dass Wasserdampf und W?rme von den Subtropen in die Tropen str?men. ?Dieser Transport dürfte im Eoz?n noch st?rker gewesen sein?, sagt Joep van Dijk. ?Und die Zunahme des Transport von W?rme in hohe Breiten kann tats?chlich die Verst?rkung der Erw?rmung in den Polregionen begünstigt haben.?
Anpassungsf?higkeit überfordert
Die neuen Resultate sprechen dafür, dass auch im Zug der aktuellen Klimaerw?rmung der Feuchtetransport in der Atmosph?re und damit auch der W?rmetransport zunehmen. ?Der Feuchtigkeitstransport ist ein wichtiger Prozess, der die Erw?rmung der Polgebiete verst?rkt?, sagt van Dijk.
?Der CO2-Gehalt der Atmosph?re war damals zwar deutlich h?her als heute, doch der Anstieg auf diese Werte vollzog sich über Millionen von Jahren?, gibt er zu bedenken. ?Dies im Gegensatz zu heute, wo die Menschheit den CO2-Gehalt seit der Industrialisierung in nur 170 Jahren um fast 50 Prozent erh?ht hat.? Tiere und Pflanzen hatten damals viel mehr Zeit, sich an die sich ?ndernden klimatischen Bedingungen anzupassen. ?Das ist mit der aktuellen rasanten Entwicklung schlicht nicht m?glich?, betont der Forscher.
Schwierige Suche nach Siderit-Kristallen
Die Siderite waren nicht einfach zu finden. Die Mineralien sind einerseits winzig, andererseits kommen sie nur in fossilen Sumpfb?den vor, und diese sind heutzutage teilweise erst in mehreren Kilometern Tiefe unter der Erdoberfl?che zu finden. Dementsprechend war es für die Forschenden schwierig bis unm?glich, selber Siderite auszugraben. ?Wir haben mehrere Expeditionen zu Fundorten unternommen, aber wir konnten nur in einem Fall Siderit finden?, sagt Joep van Dijk.
Die Forschenden konnten für ihre Untersuchungen jedoch auf die Sammlung von Mitautor Tim White zurückgreifen. Der Amerikaner von der Pennsylvania State University besitzt die weltweit gr?sste Siderit-Sammlung.
Literaturhinweis
Van Dijk J, Alvarez F, Bernasconi SM, et al.: Spatial pattern of super-greenhouse warmth controlled by elevated specific humidity. Nature Geoscience, published online on 26 October 2020. DOI: externe Seite 10.1038/s41561-020-00648-2