Weg frei für biobasierte Flipflops
Bioplastik liegt im Trend. Für Produkte mit Schaumstoffen gibt es aber noch wenige nachhaltige Alternativen. ETH-Pioneer-Fellow Zuzana Sediva entwickelt ein Verfahren, das aus organischem Abfall dereinst elastische Schuhsohlen oder Yogamatten machen soll.
Zuzana Sediva hat eine Vorliebe für Pistazien. ?Es gab eine Zeit, da sammelte ich sie in Sizilien und brachte sie nach Hause, um Glace zu machen?, erz?hlt sie. Dass diese Leidenschaft am Ursprung ihrer Dissertation stand und schliesslich zu ihrer Gesch?ftsidee wurde, ahnte sie da noch nicht.
Doch der Reihe nach: Die ETH-Forscherin entwickelt ein Verfahren, mit dem Bio-Abf?lle zu Schaumstoffen verarbeitet werden k?nnen. Solche werden in der Automobilindustrie und im Bau, aber auch für die Herstellung von Schuhsohlen, Spielzeugen, Yogamatten, Verpackungen oder Matratzen ben?tigt. Also überall dort, wo der elastische, federnde Effekt gewünscht wird, der Schaumstoffe ausmacht.
Heute werden Schaumstoffe in der Regel aus fossilen Ressourcen durch Zugabe synthetischer Stoffe gefertigt. Die daraus entstehenden Produkte sind eine riesige Belastung für die Umwelt, denn bis Kunststoffe in Mikroteile zerfallen, dauert es Jahrzehnte bis Jahrhunderte, ganz abgebaut werden sie nie. Produkte aus Plastikschaumstoff sind zudem sehr schwer zu rezyklieren.
Sedivas L?sung ist gleich in doppelter Hinsicht nachhaltig: erstens handelt es sich bei der von ihr verwendeten Biomasse um ein natürliches Abfallprodukt – unter anderem aus der Landwirtschaft. Es müssen dafür also keine B?den bewirtschaftet werden. Zweitens baut sich organischer Schaumstoff viel schneller ab als solcher aus Plastik.
Neuartiges Treibmittel aus Gas und Wasser
Bioplastik ist im Trend. Jedes Jahr werden weltweit 20 bis 30 Prozent mehr davon hergestellt. Für Schaumstoff gibt es heute aber noch sehr wenige nachhaltige Alternativen. Das liegt daran, dass die chemische Herstellung gewisse Eigenschaften an das Ausgangsmaterial voraussetzt. So sch?umt ein Kunststoff auf, wenn ihm ein Treibmittel zugegeben wird, meistens unter starker Hitze und grossem Druck. Organischer Abfall jedoch ist in der Regel hitzeempfindlich und kann nicht unter derart hohen Temperaturen verarbeitet werden. ?Die gewünschte Elastizit?t von Schaumstoff mit Biomasse zu erzeugen, ist sehr schwierig?, erkl?rt Sediva.
Sedivas L?sung besteht unter anderem aus einem neuartigen Treibmittel, das im Herstellungsprozess zugegeben wird und dafür sorgt, dass die Biomasse bei tieferen Temperaturen aufsch?umt. Das Bio-Treibmittel ist – im Gegensatz zu den synthetischen Zusatzstoffen bei Plastik-Schaumstoffen – komplett grün. Es basiert auf einem Gemisch von Gas und Wasser. Sediva hatte es im Rahmen ihrer Dissertation an der ETH entwickelt, letztes Jahr meldete sie zusammen mit der ETH ein Patent dafür an.
Damit Schaumstoffe aus organischen Abf?llen eine hohe Elastizit?t erreichen, muss ein genaues ?Rezept? eingehalten werden. Dazu geh?ren das speziell entwickelte Treibmittel, eine Mischung aus organischen Abf?llen und ein bestimmter Herstellungsprozess. Sediva überlegt sich, ob sie in Zukunft auch dieses ?Rezept? schützen lassen soll.
Nun optimiert die Forscherin im Rahmen ihres Pioneer Fellowships der ETH die Methode für den Industriegebrauch. Eines weiss sie jetzt schon: die Herstellung des neuen Treibmittels ist auch in grossen Mengen kein Problem. ?Wir k?nnen damit bis zu 60, vielleicht sogar 100 Liter Schaum pro Stunde herstellen?, sagt sie. Den Beweis dafür will sie in den n?chsten Monaten erbringen. Damit ist eines der Kriterien erfüllt, damit der neue Bioschaumstoff nicht nur im Labor, sondern auch am Markt ein Erfolg wird.
Ein weiterer Vorteil von Sedivas Methode ist, dass diese mit den klassischen Herstellungsverfahren von Schaumstoffen kompatibel ist. Potenzielle Kunden brauchen also keine zus?tzliche Infrastruktur.
Verpackungen – und Schuhe?
Wer zu den künftigen Kunden z?hlen k?nnte, h?nge auch davon ab, mit wem sie Pilotprojekte realisieren k?nne, sagt Sediva. Derzeit suche sie dafür Partner aus der Industrie. ?Ich sehe als Einstiegsmarkt Verpackungen.? Dort würden Schaumstoffe eingesetzt, um Produkte zu schützen – oder fürs Design. Auch die Schuhbranche k?nnte sp?ter ein m?glicher Absatzmarkt werden.
Zuzana Sediva wuchs in Tschechien auf und kam für ihr Studium der Biochemie in die Schweiz. Für Schaumstoffe begann sie sich auf natürlichem Weg zu interessieren: Das selbstgemachte Pistazien-Glace führte dazu. Glace ist n?mlich ein essbarer Schaumstoff. Ganz generell sind Schaumstoffe nichts anderes als Materialien mit geringer Dichte, dessen Zellen oder Poren mit Luft oder Gas gefüllt sind. Auch Brot oder Holz k?nnen so dazu gez?hlt werden.
Sedivas Faible für Pistazien-Glace weckte also ihr wissenschaftliches Interesse, und dieses wiederum führte zur Gesch?ftsidee. In ihrer Dissertation konnte Sediva zeigen, dass ihr auf Gas und Wasser basierendes Treibmittel funktioniert, um Schaumstoffe herzustellen. Dafür experimentierte sie wiederum mit Glace. Geschmacksrichtung: Vanille.