Staaten könnten Überdüngung eindämmen
Viele L?nder k?nnten in der Landwirtschaft weniger Stickstoffdünger einsetzen, ohne dass die Ernteertr?ge wegbr?chen. Das zeigt ein internationales Forschungsteam um die beiden ETH-Wissenschaftler David Wüpper und Robert Finger.
Die Welt wird mit Stickstoff überschwemmt. Er dient in der Landwirtschaft als Dünger, um, die Produktion zu steigern. Das verursacht eines der gr?ssten Umweltprobleme unserer Zeit. Unter der Stickstoffverschmutzung leiden Gew?sser, B?den aber auch die Gesundheit von Mensch und Tier. Auch die natürliche Artenvielfalt nimmt ab, wenn Stickstoff über die Luft oder Regen in Lebensr?ume wie Moore oder W?lder gelangt, die nicht direkt gedüngt werden.
Einen m?chtigen Hebel zur Eind?mmung des Problems k?nnten nationale Regierungen sein. Sie müssten eine nationale und internationale Politik betreiben, die das globale Ern?hrungssystem auf h?here Ertr?ge und eine viel geringere Umweltbelastung ausrichtet. Doch wie stark L?nder ihre Stickstoffverschmutzung und ihre Ernten tats?chlich beeinflussen, war bislang kaum untersucht.
Gesamteffekt der L?nder quantifiziert
Die ETH-Forscher David Wüpper und Robert Finger von der Professur für Agrar?konomie und –politik haben deshalb zusammen mit weiteren internationalen Autoren erstmals den Gesamteffekt fast aller L?nder der Welt auf ihre Stickstoffverschmutzung und die Ernteertr?ge berechnet. Die Resultate ihrer Studie sind soeben in der Fachzeitschrift ?Nature Food? erschienen.
In dieser Publikation zeigen die Forschenden auf, dass L?nder die Stickstoffverschmutzung tats?chlich besonders stark beeinflussen. Der Einfluss einzelner L?nder auf die Verschmutzung ist oft um ein Vielfaches gr?sser als derjenige auf die Ernteertr?ge.
Eind?mmen, ohne dass Ertr?ge wegbrechen
Das zeigt sich daran, dass viele L?nder die sogenannte Ertragslücke nur geringfügig verkleinern, selbst wenn sie sehr viel mehr Stickstoff einsetzen. Die Ertragslücke ist die Differenz zwischen m?glichem und dem tats?chlich erzielten Ertrag. Wenn einzelne L?nder versuchen, die Ertragslücke um 1 Prozent zu schliessen, ist dies insgesamt mit einem globalen Anstieg der Stickstoffbelastung um 35 Prozent verbunden. Mit anderen Worten: Einige L?nder setzen extrem hohe Düngemengen ein, aber holen nur sehr wenig mehr Ertrag heraus. Die Forschenden kommen deshalb zum Schluss, dass viele L?nder die Verwendung dieses N?hrstoffs eind?mmen k?nnten, ohne dass die Ertr?ge wegbrechen.
Im Rahmen ihrer Studie identifizierten die Forschenden auch die Faktoren, welche den gesamten Stickstoffeinsatz und die Stickstoffverschmutzung im Verh?ltnis zu den Ertr?gen erkl?ren. Wichtige Faktoren sind unter anderem die Qualit?t von Institutionen, wirtschaftliche Entwicklung, die Gr?sse der Bev?lkerung, aber auch wie hoch der Anteil der Landwirtschaft an der Gesamtwirtschaft eines Landes ist.
Weitere wichtige Faktoren, die die Stickstoffverschmutzung eines Landes beeinflussen, sind etwa direkte Subventionen, mit denen ein Staat Stickstoffdünger verbilligt. Aber auch indirekte Zuschüsse oder Politikmassnahmen, die beeinflussen, wie teuer landwirtschaftliche Produkte im Vergleich zu den Düngerkosten sind, Regulierungen und Gesetze, Ausbildung der Bewirtschafter, Technologien oder auch Handelsstrukturen sind relevant.
Globale Daten ausgewertet
Ein Beispiel dafür, wie L?ndereigenheiten die Stickstoffverschmutzung steuern, ist die Grenze zwischen Kasachstan und China. Von Natur aus ist es dort trocken und die Vegetation sp?rlich. Auf Satellitenaufnahmen ist zu erkennen, dass die Vegetation auf der chinesischen Seite genau bis zur Grenze üppig grün ist, um auf der kasachischen Seite der Grenzlinie abrupt zu ?ndern und weniger grün ist. Das weist auf Bew?sserung in Kombination mit reichlicher Stickstoffdüngung auf der chinesischen Seite hin.
?Von Natur aus g?be es keinen solchen Sprung in der Vegetation?, sagt David Wüpper, Erstautor der Studie. ?Dieses Beispiel illustriert, dass es für die Stickstoffverschmutzung und den Ertrag ausschlaggebend ist, in welchem Land die Felder liegen?, sagt Wüpper. ?Den gleichen Ertrag auf chinesischer Seite k?nnte man jedoch auch mit deutlich weniger Stickstoffverschmutzung erreichen.?
Auch die Schweiz ist keine Musterschülerin in Bezug auf die Stickstoffverschmutzung. Wie auch in anderen europ?ischen L?ndern wird in der Schweiz nach wie vor viel Stickstoffdünger ausgebracht, den die Pflanzen nicht vollumf?nglich aufnehmen k?nnen. Der ?berschuss landet in B?chen, Seen und anderen ?kosystemen.
?Die Landwirtschaft hierzulande ist sehr intensiv?, erkl?rt Wüpper. Das wirke sich direkt auf die Stickstoffverschmutzung aus, nicht zuletzt deshalb, weil Schweizer Tiere auch teilweise mit Futter aus dem Ausland gefüttert werden. Der Hofdünger, der bei der Tierhaltung anf?llt, wird allerdings auf Schweizer B?den ausgebracht – und tr?gt damit zur Stickstoffverschmutzung bei.
?konomische Instrumente als politische Option
?Insgesamt erkennen wir aber eine globale Ungleichverteilung der Düngeressourcen?, resümieren die Forscher. Hier zu viel, in anderen Regionen der Welt zu wenig, etwa in Teilen Afrikas südlich der Sahara, wo Bauern zu wenig Stickstoffdünger verwenden. Sie k?nnten jedoch mit wenig mehr Stickstoff ihre Ertr?ge deutlich steigern. Würde es gelingen, die globale Ungleichverteilung abzuschw?chen, k?nnten an manchen Orten Ertr?ge betr?chtlich gesteigert werden. Andernorts würde dafür die Verschmutzung betr?chtlich reduziert.
Ein Weg ist über den Preis für Stickstoffdünger. In L?ndern, wo zu viel davon verwendet wird, müsste der Dünger entsprechend teurer werden, etwa durch die Einführung einer Stickstoffsteuer oder andere politische Instrumente. In L?ndern, wo zu wenig Stickstoffdünger verwendet wird, sollten die Preise zum Beispiel durch Subventionen gesenkt werden.
Ein weiterer Ansatz sind die Landwirtschaftsbetriebe selbst. Die Politik und die Industrie k?nnten Landwirten Anreize bieten, die Produktion umweltfreundlicher zu gestalten. Sie k?nnten beispielsweise bestimmte Produktionsverfahren f?rdern, die zu einer h?heren Effizienz des Stickstoffeinsatzes führen. Nicht zuletzt k?nnten Bauern, die weniger Stickstoff verwenden und dafür mit weniger Ertrag rechnen müssen, vom Staat finanzielle Kompensationen erhalten.
Pr?zisionslandwirtschaft hat Potenzial
Auch mithilfe von neuen Technologien liesse sich die Stickstoffeffizienz steigern. ?Das Stichwort ist Pr?zisionslandwirtschaft, in der zum Beispiel Dünger gezielt nur wo effektiv n?tig ausgebracht wird. Das kann die Effizienz des Einsatzes erh?hen und die Umweltprobleme verringern, ohne dass die Produktion schrumpft?, erkl?rt Finger.
?Ein sehr grosser Hebel ist aber auch der Konsum?, erkl?rt Wüpper. Ein Drittel der Lebensmittel geht zwischen Feld und Teller verloren. Das f?rdere die Stickstoffverschmutzung und Umweltsch?den. ?Verringern wir Nahrungsmittelabf?lle, reduzieren wir auch Umweltprobleme?. Auch eine fleischarme Ern?hrung hilft, die N?hrstoffüberschüsse zu senken. Wird weniger Fleisch produziert, landet auch weniger Hofdünger auf den Feldern.
Literaturhinweis
Wuepper D, Le Clech S, Zilberman D, Mueller N, Finger R: Countries Influence the Trade-Off between Crop Yields and Nitrogen Pollution. Nature Food, online publiziert 11.11.2020. DOI: externe Seite 10.1038/s43016-020-00185-6
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