Auf dem Weg zu fischfreundlichen Wasserkraftwerken
Im EU-Projekt ?FIThydro? untersuchten Forschungs- und Industriepartner die ?kologischen Auswirkungen der Wasserkraft. Die Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich entwickelte ein Schutz- und Leitsystem, das wandernde Fische an der Turbine vorbei lenkt.
Wasserkraftanlagen (WKA) greifen mitunter stark in die Umwelt ein. Sie stauen Flüsse auf, ver?ndern den aquatischen Lebensraum und behindern wandernde Fische, die sich an Turbinen, Rechen oder Hochwasserentlastungsanlagen t?dlich verletzen k?nnen.
Das Schweizer Gew?sserschutzgesetz und die Europ?ische Wasserrahmenrichtlinie wollen solche negativen Auswirkungen mildern. Doch gerade ?ltere WKA erfüllen die neuen Anforderungen oft nicht – sie müssen nachgerüstet werden. Welche Massnahmen im konkreten Fall zielführend sind, muss jedes Kraftwerk individuell bestimmen.
?Es ist wichtig, regionalspezifische Konzepte für die Fischpassage einzubeziehen, welche die Bedürfnisse der lokalen Arten, die standortspezifischen hydraulischen Bedingungen und die Auslegung jedes Kraftwerks berücksichtigen?, erkl?rt Robert Boes, Professor für Wasserbau und Leiter der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) an der ETH Zürich.
Wasserkraftwerke in ganz Europa untersucht
Die VAW beteiligte sich am vierj?hrigen Horizon-2020-Projekt ?FIThydro? des Europ?ischen Forschungsrats. Ein Projektteam aus 26 europ?ischen Forschungsinstitutionen und Unternehmen erforschte an 17 Standorten in acht L?ndern, wie sich WKA auf das ?kosystem Fluss und insbesondere auf Fische auswirken. Die VAW trug mehrere Labor- und Feldstudien bei, die sie teilweise mit regionalen Partnern durchführte.
Zun?chst untersuchte die VAW an den Flusskraftwerken Schiffmühle an der Limmat und Bannwil an der Aare sowie im Labor bestehende Methoden und Ans?tze, um die Umweltwirkung von WKA und Sanierungsmassnahmen zu beurteilen. ?Wir wollten Wissenslücken schliessen und herausfinden, wie wir die aktuelle Situation und die bisherigen Massnahmen verbessern k?nnen?, sagt Boes.
Fische wandern flussauf- und flussabw?rts
So wusste man zum Beispiel nicht genau, welche Fischaufstiegs- und -abstiegsanlagen bei Kraftwerken für welche Arten geeignet sind und unter welchen Bedingungen Fische sie finden k?nnen. Forschende der VAW und ihre Partner haben an der WKA Schiffmühle die Str?mungen (Hydraulik) untersucht und Fische mit passiven Transponder-Tags markiert, um ihre Wanderrouten im Bereich des Kraftwerks zu beobachten. Das Monitoring zeigt, dass viele Fischarten in der Limmat die technischen und naturnahen Fischp?sse effektiv nutzen, um sich flussaufw?rts zu bewegen.
Flussabw?rts wandernde Fische müssen bei Wasserkraftwerken durch die Turbinen schwimmen, sofern keine alternativen Abstiegsm?glichkeiten bestehen. Dabei k?nnen sich die Fische an den Turbinenschaufeln verletzen. Zudem sind sie stark schwankendem Druck ausgesetzt. An der WKA Bannwil haben die Projektpartner die Passage von Fischen flussabw?rts durch die Turbinen sowie über das Wehr mittels Hightech-Sensoren, Monitoring-Technik und Modellen genauer studiert.
Dabei zeigte sich, dass die Passage an Wasserkraftanlagen für die Fische nicht nur wegen der Turbinen gef?hrlich sein kann: Auch beim Abstieg über Wehre k?nnen sie sich im Tosbecken durch die starken Str?mungen verletzen oder die Orientierung verlieren, womit sie für R?uber leichte Beute werden. ?Unsere Ergebnisse k?nnen etwa helfen, fischvertr?gliche Turbinen zu entwickeln, den Kraftwerksbetrieb w?hrend der Fischwanderungszeiten anzupassen und den sicheren Fischabstieg über das Wehr zu erm?glichen?, erkl?rt Ismail Albayrak, Senior Scientist und Projektleiter an der VAW.
Ein neues Leitsystem für Fische
Des Weiteren führten die VAW-Forschenden im Labor umfangreiche hydraulische Versuche mit Rechen durch, um das Verhalten lokaler Fischarten bei turbulenten Str?mungen besser zu verstehen. Auf dieser Basis entwickelten sie ein neuartiges Schutz- und Leitsystem für stromabw?rts wandernde Fische, genannt Curved-Bar-Rack-Bypass-System (CBR-BS).
Kernstück des CBR-BS ist ein vertikaler Rechen mit speziell geformten St?ben. Diese erzeugen starke lokale Wirbel, welche die Fische vom Rechen weg und zu einem Bypass lenken. So kann der Rechen eine Vielzahl von Fischarten verschiedener Gr?sse sicher an der Turbine vorbei leiten. Gleichzeitig ist das Schutzsystem so konzipiert, dass es den Betrieb der WKA nur geringfügig beeintr?chtigt.
?FIThydro? wurde Ende 2020 offiziell abgeschlossen. Dennoch gibt es in Europa insbesondere für grosse WKA noch keine in der Praxis erprobten L?sungen für den Fischschutz und Fischabstieg, betonen die Wissenschaftler. Für Boes und Albayrak ist denn auch klar, ihre Forschung weiterzuführen. ?Der n?chste logische Schritt ist eine Pilot- und Demonstrationsanlage, in der wir ein CBR-Bypass-System unter Realbedingungen testen wollen?, sagt der Wasserbau-Professor.
Frei zug?ngliche Werkzeuge und Wiki
Das FIThydro-Konsortium hat neben zahlreichen Fallstudien zu WKA in ganz Europa auch neue Bewertungsmethoden und Werkzeuge erarbeitet, die nun frei verfügbar sind. Darunter ein Index zur Gef?hrdung von Fischpopulationen, Simulationen zur Fischmigration sowie ein Entscheidungshilfe-Tool für die Planung von Massnahmen. Weiter bietet ein Wiki detaillierten Einblick in die Resultate der Fallstudien sowie in bestehende und neu entwickelte L?sungen für Fischp?sse.
Weitere Informationen
Am Horizon-2020-Projekt ?FIThydro? nahmen 13 europ?ische Forschungseinrichtungen und 13 Unternehmen teil. Die VAW der ETH Zürich beteiligte sich mit Labor- und Feldstudien zusammen mit den Schweizer Partnern AFRY Switzerland AG, BKW AG, Fish Consulting GmbH und Limmatkraftwerke AG.
externe Seite FIThydro Webseite
externe Seite FIThydro Entscheidungshilfe-Tool
externe Seite FIThydro Wiki
Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) Webseite
Literaturhinweis
Beck, C. (2020). Fish protection and fish guidance at water intakes using innovative curved-bar rack bypass systems. VAW-Mitteilung 257 (R.M. Boes, ed.). Laboratory of Hydraulics, Hydrology and Glaciology, ETH Zurich, Switzerland.
Meister, J. (2020). Fish protection and guidance at water intakes with horizontal bar rack bypass systems. VAW-Mitteilung 258 (R.M. Boes, ed.). Laboratory of Hydraulics, Hydrology and Glaciology, ETH Zurich, Switzerland.