«Die Entwicklung hat etwas von einem Hightech-Race»

K¨¹rzlich wurde der ETH-Spin-off Zurich Instruments von der deutschen Unternehmensgruppe Rohde & Schwarz ¨¹bernommen. Was ist bemerkenswert daran?
Vanessa Wood: Das war eine grossartige Nachricht! Eine Firma, die mit einem Nischenprodukt begann, ist nun f¨¹r einen grossen Elektronik-Anbieter interessant geworden. Das zeigt, dass der Bedarf an Instrumenten f¨¹r Quantentechnologie einen breiteren Markt erreicht hat. Und es best?tigt den Trend, den wir allgemein bei Investitionen in diesen Bereich sehen.
Andreas Wallraff: Rohde & Schwarz ist ein grosses Unternehmen. Ihre Motivation f¨¹r den Kauf war sicher, dass sich Zurich Instruments in den letzten Jahren in der Instrumentierung f¨¹r Quantentechnologie zunehmend etabliert hat. Rohde & Schwarz haben zwar Produkte, die man im erweiterten Umfeld auch nutzen kann, aber sie hatten dieses Gebiet bisher noch nicht wirklich adressiert. So war es f¨¹r das Unternehmen eine gute Gelegenheit, durch den Kauf eines ETH-Spin-offs in dieses Feld einzusteigen. Aber auch f¨¹r uns als Labor ist das eine wichtige Nachricht, weil wir mit Zurich Instruments schon seit acht Jahren gemeinsame Projekte machen.

Kann man an diesem Beispiel eine aktuelle Tendenz f¨¹r das Feld ablesen?
Wood: Die ?bernahme von Zurich Instruments durch Rohde & Schwarz ist Teil einer Entwicklung, die wir beobachten, bei der gut etablierte Grossunternehmen in der Computerwelt oder im Bereich Elektronik Investitionen in Quantentechnologie t?tigen, um sich als Akteur in diesem Bereich zu positionieren.
Wallraff: Es gab w?hrend den letzten f¨¹nf Jahren einen sehr starken Schub mit grossen Investitionen in neue und nicht ganz neue Start-ups in diesem Bereich. Insgesamt hat sich das Feld auch stark verbreitert. So gibt es inzwischen auch viel mehr Gelegenheiten, Jobs im Quantenumfeld zu finden, sowohl bei Firmen in der Schweiz wie auch international.

Sind wir denn heute generell an dem Punkt, wo man sagen kann, dass wir jetzt ¨¹bergehen von der Quantentheorie in die Anwendung?
Wallraff: Es hat ja schon verschiedene ?berg?nge gegeben. Die Quantenphysik selbst ist schon mehr als 100 Jahre alt. Dinge wie Transistoren, Laser oder MRI w?ren ohne Quantenphysik gar nicht denkbar. So gesehen hat Quantenphysik auch heute schon viele Anwendungen. In den sp?ten 1980er-Jahren kamen dann theoretische Ideen auf, die Quantenphysik in der Informationstechnologie, f¨¹r Computer oder f¨¹r sichere Kommunikation oder f¨¹r bessere Sensorik zu verwenden. In den sp?ten 1990er-Jahren hat man dann auch mit experimenteller Forschung begonnen, erste Realisierungen von solchen Systemen zu machen. Dann gab es eine Phase des experimentellen Fortschritts und die Erwartungen wurden gr?sser. Und jetzt sind wir tats?chlich in einer Phase des ?bergangs von der Grundlagenphysik zu wirklichen Anwendungen.

Wie eng sind dabei die Beziehungen der ETH zur Industrie?
Wood: Derzeit laufen viele Zusammenarbeiten auf der Basis von Innosuisse- und EU-Projekten. Mit dem neu gegr¨¹ndeten Quantum Center, das von Andreas Wallraff geleitet wird, bauen wir ein Partnership-Council auf, sodass Industriepartner, ETH- Forschende und Studierende von einer noch engeren Interaktion profitieren k?nnen.

Welche Industriebereiche haben Sie da besonders im Auge?
Wood: Wir hoffen, dass die grossen internationalen Technologieunternehmen wie Google, IBM, Microsoft, aber auch Start-up-Unternehmen wie Rigetti Computing und IQM daran interessiert sein werden. Dann gibt es die Bereiche, welche potenzielle Anwender dieser Quantentechnologie sein werden, wie zum Beispiel Internetsicherheit.
Wallraff: Ich pers?nlich finde auch Anwendungen in der Chemie-, Pharma- oder Biotechnologie sehr interessant, wie zum Beispiel die Entwicklung von Katalysatoren, biologisch und chemisch aktiven Substanzen oder Medikamenten. Das sind Dinge, die wie der Quantencomputer selbst vielleicht noch weit in der Zukunft liegen, aber wo Quantencomputer wirklich einen Vorteil bringen k?nnten. Wenn man zum Beispiel ein kompliziertes Molek¨¹l in der Chemie berechnen m?chte, dann l?st man eigentlich ein Quantenphysikproblem.

Das klingt sehr interdisziplin?r. Wie interdisziplin?r ist denn das Quantum Center derzeit?
Wallraff: Im Moment gibt es 28 Gr¨¹ndungsmitglieder. Die kommen aus den ±Ø²©¹ÙÍø,±Ø²©ÌåÓýn Physik, Chemie und Angewandte Biowissenschaften, Elektrotechnik und Informationstechnologie, Informatik, Materialwissenschaften, Maschinenbau und Verfahrenstechnik und aus dem Paul Scherrer Institut. Es ist wichtig, den interdisziplin?ren Aspekt zu f?rdern, weil in der Tat jetzt der ?bergang passiert zwischen Grundlagenforschung ¨C da gibt es immer noch viel zu tun! ¨C zu den Anwendungen von Quantentechnologie. Und diese Anwendungen passieren eben nicht nur in der Physik, sondern m?glicherweise vornehmlich sogar in anderen Bereichen, n?mlich in der Chemie, in der Materialwissenschaft, in der Informatik. Deshalb liegt uns viel daran, auch Studierende in F?chern ausserhalb der Physik anzusprechen, beispielsweise mit dem Masterstudiengang Quantum Engineering.

Wie konkurrenzf?hig ist die Schweiz im Quantenbereich?
Wood: Die Schweiz ist extrem konkurrenzf?hig. Seit 2011 l?uft das nationale Forschungsprogramm Quantum Science & Technology (QSIT), das die Forschenden in der Schweiz auf diesem Gebiet zusammengebracht hat. Der Erfolg der Schweiz zeigt sich ebenfalls an der rekordhohen Zahl an Professoren, die an Horizon-2020-Projekten beteiligt sind, sowie an den vielen Projekten, die durch Drittstaaten, beispielsweise die USA, finanziert werden und bei denen die ETH und andere Schweizer Forschungsgruppen zur Teilnahme eingeladen wurden. Der Abbruch des Rahmenabkommens mit der EU stellt jetzt eine Herausforderung dar. Wir m¨¹ssen nun Wege finden, um sicherzustellen, dass Schweizer Forschung weiterhin attraktiv bleibt f¨¹r Partnerschaften in diesen Forschungsprogrammen.
Wallraff: Die Schweiz ist ein kleines Land, hat aber trotzdem einen starken Einfluss auf die Entwicklung in den Quantentechnologien. Die Situation um die Quantentechnologie und deren Nutzung hat etwas von einem Hightech-Race. Jetzt m¨¹ssen wir schauen, wie wir uns in Zukunft positionieren k?nnen.

Wo liegen die Gr¨¹nde f¨¹r die gute Positionierung der ETH in den Quantenwissenschaften?
Wood: Es war schon lange ein strategisches Interesse der ETH, sich hier gut zu positionieren. Unser Beitrag hierzu sind Investitionen in Personen wie auch in neueste und modernste Infrastruktur und Ausr¨¹stung. Wir k?nnen uns ¨¹bergl¨¹cklich sch?tzen, an der ETH auf Professoren z?hlen zu d¨¹rfen, die weltweit zu den Topexperten in allen diesen Schl¨¹sseltechnologien f¨¹r Quantencomputer gez?hlt werden ¨C zum Beispiel supraleitende Schaltkreise, Photonik, um nur zwei davon zu erw?hnen. Die ETH hat die Schaffung eines Masters in Quantum Engineering stark gef?rdert ¨C das erste solche Programm in ganz Europa. Das ETH+ Programm hat das Quantum Center unterst¨¹tzt, das auch durch die ETH Foundation gef?rdert wird, und die ETH hat zusammen mit dem PSI den Quantum Computing Hub gebildet, dessen Ziel es ist, die Herausforderungen der Skalierung von Quantencomputern anzugehen.
Wallraff: Als ich 2005 meine Entscheidung treffen durfte, wo es mit meiner Karriere weitergehen w¨¹rde, war mir wichtig, an einen Ort zu gehen, wo man die Dinge auch realisieren kann. Quantenforschung ist ein Hightech-Gebiet und daf¨¹r braucht es eine aufw?ndige Infrastruktur und die richtigen Ressourcen, um ¨¹berhaupt Fuss zu fassen. Die ETH hat es geschafft, den Schwung ¨¹ber Jahre hinweg aufrechtzuerhalten und ein kontinuierliches Wachstum hinzulegen, und das zahlt sich aus. Ich bin ¨¹berzeugt, dass wir diesen Schwung auch weiterhin haben werden.