Das E-Mobil mit hauseigenem Solarstrom laden

Die Photovoltaik (PV) w?chst rasant. Sie deckt in der Schweiz bereits f¨¹nf Prozent des landesweiten Stromverbrauchs. Ein starkes Wachstum herrscht auch bei der Elektromobilit?t: Aktuell sind auf Schweizer Strassen 70'000 reine Elektromobile unterwegs, zus?tzlich 200'000 Hybride. Martin Raubal, Professor f¨¹r Geoinformations-Engineering an der ETH Z¨¹rich, begr¨¹sst die Entwicklung: ?Der Mobilit?tssektor ist in der Schweiz f¨¹r rund ein Drittel der Treibhausgase verantwortlich. Die Elektromobilit?t ist ein Weg, um den CO₂-Ausstoss des Verkehrs zu vermindern.?

Solarstrom und E-Mobile passen zusammen

Ein Forscherteam um Martin Raubal hat das Wachstum der Solarstrom-Produktion und der Elektromobilit?t nun gedanklich zusammengef¨¹hrt. Die Wissenschaftler wollten wissen, in welchem Grad Elektroauto-Besitzerinnen und -Besitzer ihre Fahrzeuge mit Strom aus einer eigenen Solaranlage laden k?nnen, und dies, ohne sich bei der Autonutzung st?rker einschr?nken zu m¨¹ssen als bei herk?mmlichem Laden mit Netzstrom. Viele Menschen sehen das Laden mit PV-Strom n?mlich kritisch: ?Wie soll ich mein Elektromobil nutzen, wenn es ¨¹ber den Tag bei Sonnenschein an die Ladestation muss??, lautet eine landl?ufige Meinung.

Die Studie der ETH-Forscher best?tigt diese Skepsis nicht, im Gegenteil: ?Unsere Ergebnisse zeigen, dass Besitzende von Elektromobilen ihre Autos ohne besondere Einschr?nkungen nutzen und gleichzeitig zu einem betr?chtlichen Teil mit eigenem Solarstrom laden k?nnen, dies auch ohne Zwischenspeicher?, fasst Henry Martin das Hauptergebnis der Studie zusammen. Martin ist Doktorand am Institut f¨¹r Kartographie und Geoinformation der ETH Z¨¹rich und forscht am Institute of Advanced Research in Artificial Intelligence (IARAI) in Wien. Die Untersuchung der ETH-Wissenschaftler ist soeben in der renommierten Fachpublikation externe Seite Renewable & Sustainable Energy Reviews erschienen.

Reale Nutzerdaten, virtueller PV-Ertrag

Im Zentrum der Studie standen 78 Elektromobilisten. Die Personen bewohnten in der Regel ein Einfamilienhaus und benutzten ihr Fahrzeug oftmals ¨¹ber den Tag. Ihr Nutzerverhalten war w?hrend zehn Monaten minuti?s aufgezeichnet worden. So wussten die ETH-Forscher, wann die Elektroautos fuhren, wann sie standen, und wann sie geladen wurden. Die Nutzerdaten stammten aus dem ??SBB Green Class?-Projekt, bei dem Privatpersonen gegen Entgelt ein Mobilit?tspaket aus Generalabonnement und Elektroauto inklusive privater Ladestation erwerben konnten.

Die Elektroauto-Besitzenden luden ihre Autos meist an der heimischen Ladestation mit Netzstrom. H?tten sie ihre Autos gleich flexibel nutzen k?nnen, wenn sie diese mit Strom aus einer eigenen PV-Anlage geladen h?tten? Um diese Frage zu kl?ren, stattete Henry Martins Forscherkollege Ren¨¦ Buffat die Wohnh?user der 78 E-Mobil-Besitzenden gedanklich mit einer PV-Anlage aus: Dazu ermittelte er ¨¹ber die Wohnadresse die jeweiligen H?user, rekonstruierte unter Einbezug verschiedener Geodaten die verf¨¹gbare Dachfl?che und bedeckte diese virtuell mit PV-Modulen. Anhand historischer Wetterdaten mit 30-Minuten-Aufl?sung errechnete Buffat den potenziellen Solarstrom-Ertrag, wobei er beispielsweise auch die Verschattung durch Nachbargeb?ude und B?ume ber¨¹cksichtigte.

Hoher Eigenverbrauch dank intelligenter Steuerung

Dank dieser Modellrechnung wussten die ETH-Forscher nun, wie viel PV-Strom jedem E-Mobil-Besitzer zu jedem Zeitpunkt f¨¹r die Ladung seines Fahrzeugs zur Verf¨¹gung stand. Dabei trafen sie die Annahme, dass der Solarstrom priorit?r f¨¹r die Ladung des Elektromobils verwendet wird. Die maximale Ladeleistung betrug im Modell 11 Kilowatt (kW). Die PV-Anlagen verf¨¹gten je nach Haus ¨¹ber eine Spitzenleistung von 5 bis 25 kW. Sie reichten in der Regel aus, das entsprechende Auto bei Sonnenschein mit voller Leistung zu laden.

Die Wissenschafter berechneten nun f¨¹r vier Ladestrategien, welcher Anteil des eigenen Solarstroms f¨¹r das Laden der Elektroautos herangezogen werden kann, wobei die Nutzenden ihr Mobilit?tsverhalten nicht ver?ndern. Im ersten Fall werden die Elektroautos zu den gleichen Zeiten geladen wie bisher mit Netzstrom, jetzt allerdings mit Solarstrom, sofern dieser verf¨¹gbar ist. Das Ergebnis ist ern¨¹chternd: Im Durchschnitt werden in dem Fall nur 15 Prozent des j?hrlichen Strombedarfs durch PV-Strom gedeckt (der Rest durch Netzstrom).

Anders das Ergebnis bei Ladestrategie 2, bei der eine einfache intelligente Steuerung (Smart-Charging) daf¨¹r sorgt, dass die Batterie vorzugsweise dann geladen wird, wenn hauseigener Solarstrom zur Verf¨¹gung steht. In dem Fall kann ¨¹ber die H?lfte (56 Prozent) des Strombedarfs mit eigenem Solarstrom gedeckt werden, und dies ohne Einsatz eines Zwischenspeichers. ?Der hohe Anteil hat uns ¨¹berrascht?, sagt Henry Martin, ?Smart-Charging kann den Eigenverbrauch von Solarstrom markant erh?hen ¨C und das Fahrzeug l?sst sich gleich flexibel nutzen, als w¨¹rde es mit Netzstrom geladen.?

Algorithmen f¨¹r Smart-Charging

Sch?pft man das Potenzial der intelligenten Steuerung konsequent aus (Ladestrategie 3), k?nnen die E-Mobile sogar zu 90 Prozent mit eigenem Solarstrom ?betankt? werden. Wird der PV-Strom in einem Speicher gepuffert (Ladestrategie 4), sind die Fahrzeuge praktisch ausschliesslich mit Solarstrom unterwegs. Die ETH-Forscher sehen Zwischenspeicher indes zwiesp?ltig: Der Eigenverbrauch von gr¨¹nem PV-Strom l?sst sich damit zwar noch ein wenig steigern. Die Nachhaltigkeitsbilanz des gesamten Ladesystems wird allerdings durch den Umstand getr¨¹bt, dass die Herstellung von Stromspeichern relevante CO₂-Mengen verursacht.

?Unsere Fallstudie f¨¹hrt das bislang kaum genutzte Potenzial von Smart-Charging f¨¹r eine dezentrale und netzdienliche Versorgung mit erneuerbaren Energien vor Augen?, sagt Martin Raubal. An seinem Lehrstuhl werden zurzeit Strategien des maschinellen Lernens entwickelt mit dem Ziel, Solarertrag und Nutzerverhalten m?glichst exakt vorhersagen zu k?nnen. Sie bilden die Grundlage f¨¹r die Entwicklung von Smart-Charging-Algorithmen, die in Ladestationen von Elektromobilen schon bald standardm?ssig eingesetzt werden d¨¹rften.