Bauteil für Computer nach Vorbild des Gehirns

Forschende von ETH Zürich, Universit?t Zürich und Empa entwickelten ein neues Material für ein Computerbauteil, das flexibler einsetzbar ist als seine Vorg?nger. Damit sollen elektronische Schaltungen gebaut werden, die sich am menschlichen Gehirn orientieren, und die Aufgaben des maschinellen Lernens effizienter l?sen k?nnen.

Visualisierung der synaptischen Verbindungen im Gehirn
Wissenschaftler:innen m?chten Aufgaben des maschinellen Lernens künftig effizienter l?sen mit Prozessoren, deren Funktionsweise sich am menschlichen Gehirn orientiert. (Bild: Adobe Stock)

Im Vergleich zu einem Computer arbeitet das menschliche Gehirn unglaublich energieeffizient. Um neuartige Computertechnologien zu entwerfen, orientieren sich Wissenschaftler:innen daher an der Funktionsweise des Gehirns mit seinen vernetzten Nervenzellen. Die Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass solche vom Gehirn inspirierte Computersysteme energieeffizienter sein werden als herk?mmliche und Aufgaben des maschinellen lernen besser l?sen k?nnen.

Analog zu Nervenzellen, die im Gehirn sowohl für die Datenspeicherung als auch die Datenverarbeitung zust?ndig sind, m?chten die Wissenschaftler:innen dabei ebenfalls Speicherung und Verarbeitung auf einem einzigen Bauteil-Typ kombinieren, sogenannten Memristoren. Dies soll helfen, den Effizienzgewinn zu erreichen. Auf herk?mmlichen Computern werden Daten zwischen Prozessor und Speicher verschoben. Dies ist der Hauptgrund für den hohen Energieverbrauch bei Prozessen des maschinellen Lernens auf herk?mmlichen Computern.

Forschende von ETH Zürich, Universit?t Zürich und Empa haben nun ein neuartiges Konzept entwickelt für einen Memristor, der sehr viel flexibler einsetzbar ist als bisherige Memristoren. ?Es gibt für Memristoren unterschiedliche Operationsmodi, und je nach Architektur eines künstlichen neuronalen Netzwerkes ist es vorteilhaft, alle diese Modi nutzen zu k?nnen?, erkl?rt ETH-Postdoc Rohit John. ?Bisherige herk?mmliche Memristoren mussten allerdings im Voraus für jeweils einen solchen Modus konfiguriert werden.? Die neuen Memristoren der Zürcher Forschenden k?nnen nun w?hrend ihres Einsatzes einfach zwischen zwei Operationsmodi wechseln: einem Modus, bei dem das Signal über die Zeit schw?cher wird und erl?scht (volatiler Modus), und einem, bei der das Signal dauerhaft konstant bleibt (nicht-volatiler Modus).

Wie im Gehirn

?Auch im menschlichen Gehirn gibt es diese beiden Operationsmodi?, erkl?rt John. Einerseits werde Reize an den Synapsen mit biochemischen Botenstoffen von Nervenzelle zu Nervenzelle weitergeleitet. Diese Reize sind zun?chst stark und werden dann langsam schw?cher. Anderseits bilden sich w?hrend des Lernens im Gehirn neue synaptische Verbindungen zu weiteren Nervenzellen aus. Diese sind l?nger anhaltend.

Rohit John ist Postdoc in der Gruppe von ETH-Professor Maksym Kovalenko und wurde 2020 mit einem ETH-Fellowship für exzellente Postdoktorierende ausgezeichnet. John führte diese Forschungsarbeit gemeinsam mit Yi?it Demira? durch. Er ist Doktorand in der Gruppe von Professor Giacomo Indiveri am Institut für Neuroinformatik von Universit?t Zürich und ETH Zürich.

Halbleitermaterial aus Solarzellen bekannt

Die von den Forschenden entwickelten Memristoren bestehen aus Halogenid-Perowskit-Nanokristallen, einem Halbleitermaterial, das vor allem von seinem Einsatz in Photovoltaikzellen bekannt ist. ?Die ?Reizleitung? wird in diesen neuen Memristoren vermittelt, indem sich Silberionen ausgehend von einer Elektrode tempor?r oder permanent zu einer Nano-Faser aneinanderreihen, welche die Perowskit-Struktur durchdringt, und durch die Strom fliessen kann?, erkl?rt Kovalenko.

Giacomo Indiveri
?Die Bauteile helfen Forschenden, ein besseres Verst?ndnis zu gewinnen für die Rechenprinzipien echter neuronaler Schaltkreise in Mensch und Tier.?
Giacomo Indiveri
Giacomo Indiveri

Dieser Vorgang kann so beeinflusst werden, dass die Silberionen-Faser entweder dünn ist und mit der Zeit wieder in einzelne Silberionen zerf?llt (volatiler Modus) oder dick und dauerhaft ist (nicht-volatiler Modus). Gesteuert wird dies durch die Stromst?rke, die auf den Memristor geleitet wird: Wird er mit schwachem Strom angesteuert, bildet sich der volatile Modus aus. Wird er mit starkem Strom angesteuert, bildet sich der nicht-volatile Modus aus.

Instrumentarium für Neuroinformatiker

?Unseres Wissens ist dies der erste Memristor, der bei Bedarf zuverl?ssig zwischen einem volatilen und einem nicht-volatilen Modus umgeschaltet werden kann?, sagt Demira?. Damit k?nnen in Zukunft auch Computerchips hergestellt werden mit Memristoren, die beide Modi erm?glichen. Denn auf einem Chip mehrere unterschiedliche Memristoren-Typen zu kombinieren, ist in der Regel nicht m?glich.

Im Rahmen der Studie, die sie im Fachmagazin externe Seite Nature Communications ver?ffentlichten, haben die Wissenschaftler 25 solcher neuen Memristoren getestet und mit ihnen 20'000 Messungen durchgeführt. So konnten sie eine Rechenaufgabe auf einem komplexen Netzwerk simulieren. In dieser Aufgabe ging es darum, eine Vielzahl unterschiedlicher Nervenpulse vier definierten Mustern zuzuordnen.

Bis die Memristoren in der Computertechnologie einsetzbar ist, müssen sie weiter optimiert werden. Wichtig sind solche Bauteile aber auch für die Forschung in der Neuroinformatik, wie Indiveri betont: ?Diese Bauteile kommen echten Neuronen n?her als bisherige. Dadurch helfen sie Forschenden, Hypothesen der Neuroinformatik besser zu überprüfen und hoffentlich ein besseres Verst?ndnis zu gewinnen für die Rechenprinzipien echter neuronaler Schaltkreise in Mensch und Tier.?

Literaturhinweis

John RA, Demira? Y, Shynkarenko Y, Berezovska Y, Ohannessian N, Payvand M, Zeng P, Bodnarchuk MI, Krumeich F, Kara G, Shorubalko I, Nair MV, Cooke GA, Lippert T, Indiveri G, Kovalenko MV: Reconfigurable halide perovskite nanocrystal memristors for neuromorphic computing. Nature Communications 2022. 13: 2074, doi: externe Seite 10.1038/s41467-022-29727-1

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