Die Grundlage für feinfühlige Roboter
Johannes Weichart entwickelt in seinem Doktorat eine künstliche Haut, die Robotern zu einem menschen?hnlichen Tastsinn verhelfen soll. Damit werden sie in Zukunft viel geschickter mit Objekten umgehen k?nnen.
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Eine besondere F?higkeit von Menschen ist, dass sie mit ihren H?nden Gegenst?nde geschickt handhaben k?nnen. Entscheidend dafür ist der Tastsinn, der in den Fingerspitzen besonders ausgepr?gt ist. Wir k?nnen mit unseren H?nden nicht nur die Position von Objekten ertasten, sondern auch ihre Beschaffenheit erkunden und die Struktur von Oberfl?chen erfühlen – und dies alles, ohne dass wir die Objekte sehen.
Wie raffiniert unser Tastsinn funktioniert, stellt man sp?testens fest, wenn man Roboter zu einer ?hnlich differenzierten Wahrnehmung verhelfen will. Fertigungsroboter und andere Maschinen k?nnen zwar Gegenst?nde zuverl?ssig ergreifen und verschieben. Doch dazu muss die Maschine entweder bereits wissen, wo sich der Gegenstand befindet, oder sie ben?tigt zus?tzliche visuelle Informationen, damit sie sich orientieren kann. Idealerweise weiss sie auch, wie fest der Gegenstand ist, den sie ergreifen soll, und welche Beschaffenheit er hat.
Hunderte von Sensoren
Geht es nach Johannes Weichart werden Roboter schon bald wesentlich geschickter mit Objekten umgehen k?nnen. Der Doktorand in der Gruppe für Mikro- und Nanosysteme der ETH Zürich hat eine künstliche Haut entwickelt, die den Tastsinn der menschlichen Finger imitiert und Roboter das Tasten und Fühlen erm?glichen soll. Der Clou dabei: Auch unregelm?ssig geformte Oberfl?chen aus weichen Materialien k?nnen damit ausgerüstet werden, also beispielsweise Robotergreifer mit der Geometrie eines menschlichen Fingers.
?hnlich wie die menschliche Haut ist auch Weicharts künstliche Haut mit einer Vielzahl von Rezeptoren ausgerüstet. ?Es braucht ungef?hr einen Sensor pro Quadratmillimeter?, hat er nachgeforscht. Jeder Sensor besteht aus mehreren Lagen. Kernstück sind zwei leitende Schichten, die mit Federn in einem Abstand von drei bis vier Mikrometern gehalten werden. Je nachdem, wie weit die Schichten voneinander entfernt sind, ?ndert sich das elektrische Signal, das über eine Elektrode gemessen wird.
Differenzierte Wahrnehmung
?ber den beiden leitenden Schichten befindet sich eine kleine Kugel. Drückt man auf diese Kugel, ver?ndert sich der Abstand der leitenden Membranen und damit das Messsignal des Sensors an der entsprechenden Stelle.
Entscheidend ist nun, dass die H?lfte der Kugeln nicht nur mit einer Elektrode kombiniert sind, sondern mit drei Elektroden. Damit kann man an diesen Stellen nicht nur messen, welche Kraft auf die Kugel wirkt, sondern auch, aus welcher Richtung sie kommt. Dadurch wird die Wahrnehmung der künstlichen Haut viel differenzierter. ?Man kann so eine Oberfl?che erkunden und erkennen, wenn ein Objekt über die Oberfl?che rutscht. Dafür sind vor allem auch dynamische Informationen wichtig?, erl?utert Weichart.
Viel zu viele Rohdaten
Dass das Prinzip grunds?tzlich funktioniert, konnte Weichart in den ersten drei Jahren seines Doktorats demonstrieren. Nun geht es darum, die Haut robuster und vor allem auch anschlussf?hig zu machen. Dazu braucht es noch einiges an Entwicklungsarbeit: ?Damit wir die künstliche Haut im Alltag einsetzen k?nnen, müssen wir die Sensoren mit einer Schutzschicht versehen?, h?lt Weichart fest. ?Und wir müssen das Ausgangssignal radikal vereinfachen. Denn ein Roboter w?re mit derart vielen Rohdaten als Input v?llig überfordert. Wir Menschen nehmen schliesslich auch nicht jeden einzelnen Rezeptor einzeln wahr, sondern das Gesamtbild.?
Trotz der anstehenden Arbeit hat das Projekt bereits eine vielversprechende Form angenommen. Es überrascht daher nicht, dass Weichart zu den Nominierten für den Spark Award geh?rte, der letzte Woche verliehen wurde.
Unkonventionelle Wege
Weichart mag es, unkonventionelle Wege zu gehen. Das zeigt sich bereits an seinem Arbeitsplatz, der nicht wie die anderen nüchtern funktional eingerichtet, sondern mit zahlreichen Zimmerpflanzen regelrecht umwuchert ist, so dass man sich an seinem Pult wie in einem kleinen Dschungel fühlt.
Auch von der Anfangsidee seines Doktorvaters Christofer Hierold und seines Mitbetreuers Cosmin Roman hat er sich schon bald verabschiedet. Dieser plante eigentlich, Tastsensoren auf Siliziumbasis zu entwickeln. Doch Weichart entschied sich, die Sensoren direkt in ein flexibles Substrat zu integrieren, damit sie einfacher auf unregelm?ssig geformten und weichen Fl?chen angebracht werden k?nnen. ?Mein Betreuer war zwar am Anfang etwas skeptisch, doch im Rückblick gesehen denke ich, dass dieser Entscheid doch richtig war?, meint Weichart.
Sensorik anstatt Fusionsenergie
Dass er sich heute mit künstlicher Roboterhaut besch?ftigt, verdankt er letztlich bürokratischen Hürden. Denn eigentlich hatte er beruflich ganz andere Pl?ne. Nach seinem Studienabschluss als Maschinenbauingenieur an der ETH Zürich wechselte er zun?chst in die Industrie, wo er bei der Firma Evatec AG Plasmaprozesse für das ?tzen und Beschichten von integrierten Schaltungen entwickelte. Nach drei Jahren zog es ihn wieder zurück in die Forschung.
Die Fusionstechnologie hatte es ihm als vielversprechende Energieform angetan. ?Doch als Liechtensteiner war es für mich schwierig, bei den nationalen Forschungsprogrammen berücksichtigt zu werden.? Als er Christopher Hierold, der bereits seine Masterarbeit betreut hatte, um eine Referenz bat, bot ihm dieser eine Mitarbeit beim Sensor-Projekt an.
?Die Industrieerfahrungen sind für mich sehr wertvoll?, erkl?rt Weichart. ?Man muss nicht überall das Rad neu erfinden, sondern es ist oft vielversprechender, basierend auf bekannten Technologien etwas Neues zu bauen.? Nicht akademische Perfektion strebt er mit seiner Arbeit an, sondern praktische Relevanz. ?Das empfinde ich für mich als sinnstiftend.? Der Einsatz von bew?hrten Technologien sei auch im Hinblick auf eine m?gliche Firmengründung vorteilhaft. ?Als Startup kann man nicht die ganze Prozesskette beherrschen, sondern muss einzelne Schritte auslagern?, meint er.
Doch soweit ist er im Moment noch nicht. ?Ich habe als Doktorand noch ungef?hr ein Jahr Zeit?, erkl?rt er. ?Danach schaue ich, wie es weiter geht.? Falls er das Projekt selber weiterentwickelt , zum Beispiel als Pioneer Fellow, müsse er sich genau überlegen, auf welchen Anwendungsbereich er sich konzentriert. Medizinische Robotik, Telerobotik, Lager-Robotik, oder auch Prosthesen sind alles Gebiete, in denen er m?gliche Anwendungen sieht. Doch allen gerecht zu werden, sprengt den Rahmen in dieser Phase der Entwicklung.
Den Fokus nicht verlieren
Den Fokus nicht zu verlieren wird ihn als gr?sste Herausforsderung wohl noch eine Weile begleiten. ?Ich bin nicht detailversessen und kann mich schnell für neue Themen begeistern?, meint Weichart. ?Aber diese Breite kann auch überfordern.? Mikrotechnik, Entwicklung von Elektronik, Integration von Materialien, Feinmechanik, Datenaufbereitung und Mustererkennung mit künstlicher Intelligenz – in all diesen Feldern gibt es für Weichart noch viel zu tun.
Helfen wird ihm beim Fokussieren auch die regelm?ssige sportliche Aktivit?t. ?Ich bin oft mit dem Bike oder den Tourenski in den Bergen unterwegs, gehe im Winter im See schwimmen und trainiere meine Koordination und mein Selbstvertrauen mit Boxen und Freefight?, erz?hlt er. ?Das hilft mir, den Kopf zu leeren und mich wieder neu auszurichten.?