Wo Giftstoffe aus Tabak die DNA angreifen
Dass Toxine in Tabakrauch die DNA ver?ndern k?nnen, ist bekannt – bisher allerdings nicht, an welchen Stellen des Erbguts sie dies tun. Ein neuer Ansatz von ETH-Forschenden schafft nun Abhilfe. In Zukunft k?nnte man damit die Sicherheit vieler chemischer Stoffe einfacher als bisher bestimmen.
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Chemische Verbindungen aus Tabakrauch ver?ndern die DNA von Lungenzellen so, dass l?ngerfristig Krebs entstehen kann. Forschende der ETH Zürich haben solche Ver?nderungen nun zum ersten Mal genau lokalisieren k?nnen. Ihre Resultate sind eindeutig: Das von ihnen in Zellkulturexperimenten bestimmte Muster der DNA-Ver?nderungen stimmt mit bekannten Mutationen bei Lungenkrebs überein.
Diese Ergebnisse sind zwar nicht die ersten, die den Zusammenhang von Zigarettenrauchen und Lungenkrebs aufzeigen – diese urs?chliche Beziehung ist schon l?ngst erwiesen. Doch erst jetzt konnten die Wissenschaftler:innen unter der Leitung von Shana Sturla, Professorin für Toxikologie an der ETH Zürich, mit ihrer neuen Methode kartieren, welche DNA-Bausteine dabei genau ver?ndert werden. Mit dem gew?hlten Ansatz sollen dereinst auch die Auswirkungen anderer Giftstoffe auf die Zellen bestimmt werden k?nnen – und dies verh?ltnism?ssig einfach in der Petrischale und mit molekularbiologischen Analysen. Bislang mussten solche toxikologischen Untersuchungen in Versuchstieren gemacht werden.
In der nun in der Fachzeitschrift externe Seite ACS Central Science ver?ffentlichten Studie fokussierten sich die Forschenden auf eine bestimmte chemische Verbindung: Benzopyren. Diese entsteht unter anderem beim Verbrennen von Tabak. Gelangt die Verbindung in den menschlichen K?rper, wird sie von diesem zu ganz bestimmten Stoffwechselprodukten umgewandelt, die schon seit L?ngerem für ihre Giftigkeit bekannt sind. Die Wissenschaftler:innen nutzten diese Benzopyren-Abbauprodukte und gaben sie für ihre Untersuchungen zu Lungenzellen, die sie in Petrischalen kultivierten.
Ver?nderungen als Vorstufe von Mutationen
Schon l?nger bekannt ist, dass Benzopyren-Abbauprodukte mit dem DNA-Baustein Guanin (dem G unter den oft mit A, C, T und G abgekürzten Bausteinen) reagieren und diesen ver?ndern (alkylieren). Zwar gibt es in den Zellen Reparaturmechanismen, welche diese Ver?nderung rückg?ngig machen k?nnen, allerdings greifen diese nicht in allen F?llen. Teilt sich eine Zelle, ohne dass zuvor die Alkylierung rückg?ngig gemacht worden ist, kommt es an dieser Stelle zu einer DNA-Mutation, und von diesen Mutationen k?nnen einige Krebs verursachen. Bekannt ist ebenfalls, dass die krebserzeugende Wirkung von Zigarettenrauch zu einem grossen Teil auf die Benzopyren-Abbauprodukte zurückzuführen ist.
Die ETH-Forschenden wollten nun bestimmen, welche Guanine auf der DNA von den Benzopyren-Abbauprodukten vorrangig ver?ndert werden, und insbesondere welche dieser Ver?nderungen auch langfristig bestehen bleiben. Dazu benutzen sie Antik?rper, welche sich spezifisch an ver?nderte Guanine heften. Mehrere Methoden halfen den Forschenden, diese Stellen anschliessend zu kartieren. Bei einer dieser Methoden kopieren die Wissenschaftler:innen die DNA-Str?nge ?hnlich wie bei einer PCR-Reaktion. Gelangt die Kopiermaschinerie zu einem ver?nderten Guanin, wird sie blockiert, und der Kopiervorgang bricht ab. Mittels anschliessender DNA-Sequenzierung k?nnen die Forschenden bestimmen, wo dieser Abbruch erfolgte – und somit auf den Ort der DNA-Ver?nderung schliessen.
Breite Palette von Chemikalien untersuchen
Die Alkylierung von Guanin ist nur eine von unz?hligen M?glichkeiten, wie Giftstoffe die DNA ver?ndern k?nnen. Die Forschenden planen nun, ihren Ansatz soweit anzupassen, dass damit in Zukunft auch andere DNA-Ver?nderungen kartiert werden k?nnen – mit zahlreichen Anwendungen: Es w?re damit m?glich, bei einer breiten Palette chemischer Verbindungen mit einfachen Zellkulturexperimenten das Risiko, Krebs zu verursachen, vorherzusagen. Ebenso k?nnte man untersuchen, welche Zelltypen und welche individuellen Erbanlagen für DNA-Ver?nderungen und somit für eine krebsverursachende Entartung besonders empf?nglich sind.
?Hat man einmal verstanden, welche Chemikalien welche DNA-Ver?nderungen hervorrufen, wird man auch den umgekehrten Weg gehen k?nnen und bei bekannten Genomver?nderungen Aussagen dazu machen k?nnen, welche Giftstoffe mit grosser Wahrscheinlichkeit zu diesen beigetragen haben?, erkl?rt Sturla.
Ausserdem k?nnen solche Tests in der Grundlagenforschung verwendet werden, um herauszufinden wie die charakteristischen Mutationsmuster in Krebszellen überhaupt zustande kommen. Schliesslich denkt Sturla daran, mit dem Ansatz nicht nur chemische Giftstoffe zu untersuchen, sondern auch DNA-Ver?nderungen, die durch Umwelteinflüsse, durch Ern?hrung oder normale Zellalterung hervorgerufen werden.
Für diese Studie arbeiteten die ETH-Wissenschaftler:innen mit solchen des Tabakkonzerns Philip Morris zusammen. Der Konzern beteiligte sich auch an der Finanzierung der Forschung. Weitere F?rdergelder für Teile dieser Arbeit, die unabh?ngig von Philip Morris durchgeführt wurden*, stammten vom Schweizerischen Nationalfonds.
* Diese Passage wurde nach Publikation des Newsartikels am 25.01.2024 pr?zisiert.
Literaturhinweis
Jiang Y, Mingard C, Huber SM, Takhaveev V, McKeague M, Kizaki S, Schneider M, Ziegler N, Hürlimann V, Hoeng J, Sierro N, Ivanov NV, Sturla SJ: Quantification and Mapping of Alkylation in the Human Genome Reveal Single Nucleotide Resolution Precursors of Mutational Signatures. ACS Central Science, 22. Februar 2023, doi: externe Seite 10.1021/acscentsci.2c01100