Formgedächtnis für Nanoobjekte
Forschende der ETH Zürich erreichten erstmals einen Formged?chtniseffekt bei Objekten, die nur wenige Nanometer dünn sind. Das l?sst sich nutzen, um winzige Maschinen und kleine Roboter im Nanomassstab herzustellen.
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Legierungen, die nach Verformungen zu ihrer Ausgangsstruktur zurückwechseln k?nnen, besitzen ein sogenanntes Formged?chtnis. Dieses Ph?nomen und die daraus resultierenden Kr?fte werden in vielen maschinellen Antriebssystemen angewendet, beispielsweise bei Generatoren oder Hydraulikpumpen. Jedoch konnte dieser Formged?chtniseffekt bis anhin nicht im kleinen Nanobereich genutzt werden: Bei vielen Legierungen mit Formged?chtnis wechseln Objekte nur dann in ihre Ursprungsform zurück, wenn sie gr?sser als rund 50 Nanometer sind.
Forschende um Salvador Pané, Professor für Robotik-Materialien an der ETH Zürich, und Xiang-Zhong Chen, Wissenschaftler in dieser Gruppe, konnten diese Einschr?nkung mithilfe von keramischen Stoffen umgehen. In einer Studie, die in der Fachzeitschrift externe Seite Nature Communications ver?ffentlicht wurde, demonstrieren sie den Formged?chtniseffekt an einer etwa zwanzig Nanometer dünnen Schicht aus Materialien, die als ferroische Oxide bezeichnet werden. Diese Errungenschaft erm?glicht die Anwendung des Formged?chtniseffekts nun auch bei winzigen Maschinen im Nanobereich.
Eine spezielle Struktur ist n?tig
Auf den ersten Blick scheinen ferroische Oxide wenig geeignet zu sein für den Formged?chtniseffekt: Im grossen Massstab sind sie spr?de, und um davon sehr dünne Schichten herzustellen, müssen sie in der Regel auf ein Tr?germaterial aufgetragen werden, wodurch sie unflexibel werden. Um den Formged?chtniseffekt trotzdem hervorrufen zu k?nnen, nutzten die Forschenden zwei unterschiedliche Oxide, Bariumtitanat und Kobalteisenstein, von denen sie dünne Schichten kurzzeitig auf ein Tr?germaterial auftrugen und anschliessend wieder davon l?sten. Die Gittereigenschaften der beiden Oxide unterscheiden sich erheblich voneinander. Nachdem die Forschenden den Streifen mit den beiden dünnen Schichten vom Tr?germaterial gel?st hatten, entstand durch die Spannung zwischen den zwei Stoffen eine spiralf?rmig verdrehte Struktur.
Auf diese Weise produzierte nanoskalige Strukturen aus ferroischen Oxiden sind hochelastisch, belastbar, und sie erm?glichen flexible Bewegungen. Ausserdem zeigten sie einen Formged?chtniseffekt: Als die Forscher eine mechanische Zugkraft auf die Struktur ausübten, dehnte sich diese aus und verformte sich dauerhaft. Anschliessend richteten die Wissenschaftler:innen einen Elektronenstrahl eines Rasterelektronenmikroskops auf die verformte Struktur; sie kehrte in ihre Ursprungsform zurück Die elektrische Energie l?ste also einen Formged?chtniseffekt aus. Die Schichtdicke von etwa zwanzig Nanometern ist die kleinste Probengr?sse, an der jemals ein solcher Effekt beobachtet wurde.
Normalerweise, in anderen Beispielen, wird der Formged?chtniseffekt durch thermische oder magnetische Manipulation ausgel?st. ?Dass es bei den ferroischen Oxiden mit elektrischer Bestrahlung funktioniert, k?nnte mit der Ausrichtung der Polarisation innerhalb der Oxide zu tun haben?, erkl?rt Chen. W?hrend der Strang gedehnt wird, richtet sich die Polarisation innerhalb der Oxide parallel zur Strangebene aus. Durch den Elektronenstrahl richtet sich die Polarisation senkrecht zur Strangebene aus, wodurch die Struktur wieder ihre Ursprungsform annimmt.
Grosser Anwendungsbereich
Diese Reaktion auf elektrische Energie ist besser geeignet für zahlreiche Anwendungen, denn punktuelle Temperaturmanipulationen (die den Formged?chtniseffekt sonst hervorrufen) sind im Nanobereich nicht m?glich. Ein Beispiel für eine Anwendung: Dank ihrer hohen Elastizit?t k?nnten die Oxide Muskelfasern oder Teile der Wirbels?ule ersetzen. ?Eine weitere Anwendung w?ren neuartige nanoskalige Robotiksysteme: Die mechanische Bewegung, die beim Umschalten der beiden Strukturformen entsteht, k?nne zum Antrieb kleinster Motoren verwendet werden?, sagt Donghoon Kim. Er hat als Doktorand an dieser Studie gearbeitet und ist einer ihrer beiden Erstautoren. ?Darüber hinaus k?nnte unser Ansatz auch die Entwicklung von langlebigeren Nanomaschinen erm?glichen, da unser Material nicht nur elastisch, sondern auch dauerhaft ist?, erkl?rt Minsoo Kim, Postdoc und ebenfalls Erstautor.
Der Anwendungsbereich k?nnte sogar noch erweitert werden auf flexible Elektronik und den Bereich Soft Robotics. In einer weiteren Studie, welche die Forschenden soeben in der Fachzeitschrift externe Seite Advanced Materials Technologies ver?ffentlichten, konnten sie solche freistehenden Oxid-Strukturen dahingehend weiterentwickeln, dass sich ihre sogenannten magnetoelektrischen Eigenschaften genau kontrollieren und einstellen lassen. Angewendet k?nnten solche Formged?chtnisoxide unter anderem zur Herstellung von Nanorobotern, die in die K?rper implantiert werden und Zellen stimulieren oder Gewebe reparieren k?nnen. Durch externe magnetische Felder k?nnten solche Nanoroboter in eine andere Struktur umwandeln und zum Beispiel im menschlichen K?rper bestimmte Funktionen ausführen.
?Ausserdem k?nnte man die magnetoelektrischen Eigenschaften der Formged?chtnis-Oxid-Strukturen nutzen, um Zellen innerhalb des K?rpers elektrisch zu stimulieren, beispielsweise um Nervenzellen im Gehirn zu aktivieren, für Herztherapien oder um die Knochenheilung zu beschleunigen?, sagt Pané. Und schliesslich k?nnten magnetoelektrische Formged?chtnis-Oxide in nanoskaligen Ger?ten wie winzigen Antennen oder Sensoren eingesetzt werden.
Literaturhinweis
Kim D, Kim M, Reidt S, Han H, Baghizadeh A, Zeng P, Choi H, Puigmartí-Luis J, Trassin M, Nelson BJ, Chen XZ, Pané S: Shape-Memory Effect in Twisted Ferroic Nanocomposites. Nature Communications, 10. Februar 2023. doi: externe Seite 10.1038/s41467-023-36274-w
Kim M, Kim D, Aktas B, Choi H, Puigmartí-Luis J, Nelson BJ, Pané S, Chen XZ: Strain-Sensitive Flexible Magnetoelectric Ceramic Nanocomposites. Advanced Materials Technologies, 28. Februar 2023, doi: externe Seite 10.1002/admt.202202097