Wie Tumore Blutgefässe umwandeln
Im immer dichter werdenden Zellhaufen von wachsenden Tumoren verwandeln sich Blutgef?sse in Kan?le, die mit Fasern vollgestopft sind. Das schw?cht die Abwehrkraft von Immunzellen, wie Resultate von Forschenden an der ETH Zürich und der Universit?t Strassburg nahelegen.
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Vor knapp zehn Jahren machten Forschende erstmals die Beobachtung, dass Tumore verschiedener Krebsarten wie Darmkrebs, Brustkrebs oder schwarzer Hautkrebs Kan?le aufweisen, die von der Oberfl?che ins Innere des Zellhaufens führen. Doch wie diese Kan?le entstehen und welche Funktionen sie ausüben, blieb lange im Verborgenen.
Aufw?ndige und detaillierte Untersuchungen
Nun haben die Forschungsgruppen um Viola Vogel, Professorin für angewandte Mechanobiologie an der ETH Zürich, und um Gertraud Orend von der Universit?t Strassburg mit aufw?ndigen und detaillierten Untersuchungen m?gliche Antworten auf diese Fragen gefunden: Vieles deutet darauf hin, dass die als ?tumor tracks? bezeichneten Kan?le von Blutgef?ssen abstammen.
Zu Beginn versorgen Blutgef?sse den rasch wachsenden Zellhaufen mit Zucker und Sauerstoff. Doch dann durchlaufen die Gef?sse einen Prozess, w?hrend dem sie ihre ursprüngliche bluttransportierende Funktion verlieren, weil sich die Gef?sswand ver?ndert und sich der Gef?sshohlraum allm?hlich ausfüllt.
Wenn Fasern das Verhalten von Immunzellen steuern
Das Füllmaterial besteht vor allem aus Zellen und neugemachten Proteinfasern, die zur so genannten extrazellul?ren Matrix geh?ren. Neben Kollagenfasern finden sich auch Fasern aus Fibronektin. Sie sind an Wachstumsprozessen beteiligt, die sich überwiegend w?hrend der Embryonalentwicklung oder der Wundheilung abspielen. In den in Tumorkan?le umgewandelten Blutgef?ssen sind die Fasern in der Lage, Immunzellen festzuhalten, wie die Forschenden in ihrem externe Seite Fachbeitrag aufzeigen.
Denn die Zellen strecken sich entlang der Kan?le und haften an den losen Fibronektin-Fasern. ?In dieser langgezogenen Form beteiligen sich die Immunzellen nicht am Abwehrkampf, sondern unterstützen Heilungsprozesse?, sagt Vogel. Anstatt sich gegen die Tumorzellen zu richten, scheiden die Immunzellen wachstumsf?rdernde Moleküle aus – und helfen so den Krebszellen, sich zu vermehren.
Bisher verkannte Rolle der Gewebespannung
Offenbar spielt die von der extrazellul?ren Matrix vermittelte Gewebespannung eine wichtige und bisher nicht bekannte Rolle in der Entwicklung eines Tumors, denn die Fibronektin-Fasern sind im gesunden Gewebe stark gestreckt – und nur im Tumorgewebe schlaff. In dieser lockeren, entspannten Form, umgeben von transformierten Gef?ssw?nden, schaffen die Fibronektin-Fasern offenbar eine Nische, in der die Krebszellen ungest?rt wachsen k?nnen.
Bisher seien meist die Zellen im Fokus der Krebsforschung gestanden, meint Vogel. ?Die extrazellul?re Matrix wurde vernachl?ssigt.? Dadurch blieb unentdeckt, wie die Umgebung Zellfunktionen steuert. ?Aber wenn man verstehen will, wie eine Spinne funktioniert, muss man auch ihr Netz berücksichtigen?, sagt die Biophysikerin.
Analogien und Unterschiede finden
Die neuen Erkenntnisse versteht Vogel deshalb auch als Denkanstoss, um den Blickwinkel zu erweitern – und so unser Verst?ndnis zu verfeinern. ?Denn je besser wir verstehen, was Tumorzellen brauchen, um sich zu vermehren, desto eher finden wir auch M?glichkeiten, wie wir diese Vermehrung verhindern k?nnen?, sagt Vogel.
Sie gibt allerdings zu bedenken, dass die Resultate aus Versuchen an M?usen mit Brustkrebs stammen. Ob sie sich direkt auf das Krebsgeschehen im Menschen übertragen lassen, sei zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar. Allerdings gibt es einige Parallelen, wie die Gruppe um Orend kürzlich mit einer externe Seite Studie aufzeigt hat.
Derweil hat die Forschungsgruppe von Viola Vogel eine Zusammenarbeit mit dem Kantonsspital Baden begonnen: Einer ihrer Doktoranden untersucht in einem Folgeprojekt, ob sich auch in Gewebeproben von Brustkrebspatientinnen Spuren von umgewandelten Blutgef?ssen finden lassen. ?Wo finden wir Analogien – und wo Unterschiede??, fragt Vogel.
Literaturhinweise
Fonta CM, Loustau T, Li C, Poilil Surendranm S, Hansen U, Murdamoothoo D, Benn MC, Velazquez-Quesada I, Carapito R, Orend G, and Vogel V. Infiltrating CD8+ T cells and M2 macrophages are retained in tumor matrix tracks enriched in low tension fibronectin fibers. Matrix Biology 116: 1-27. doi: externe Seite 10.1016/j.matbio.2023.01.002.
Murdamoothoo D, Sun Z, Yilmaz A, Deligne C, Velazquez-Quesada I, Erne W, Nascimento M, M?rgelin M, Cremel G, Paul N, Carapito R, Abou-Faycal C, Midwood K, Loustau T, and Orend G, 2021. Immobilization of infiltrating cytotoxic T lymphocytes by tenascin-C and CXCL12 enhances lung metastasis, EMBO Mol Med, 13:e13270. doi: externe Seite 10.15252/emmm.202013270.