Mit KI in eine menschenwürdige Zukunft
Der Ethiker Peter G. Kirchschl?ger zeigt auf, wie Künstliche Intelligenz international reguliert werden kann – und freut sich über die Unterstützung globaler Entscheidungstr?ger.
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Künstliche Intelligenz würde man treffender als datenbasierte Systeme (DS) bezeichnen. Denn ihre Leistung fusst auf ihrem Verm?gen, grosse Datenmengen auszuwerten, und einige Bereiche der Intelligenz entziehen sich dem Zugriff von DS: Soziale und emotionale Intelligenz bleiben für sie unerreichbar, weil ihnen echte Gefühle fehlen. Ebenso wenig sind sie moralf?hig, weil ihnen dazu die Freiheit mangelt.
Sowohl die Chancen als auch die Risiken von DS für die Menschheit sind immens. So k?nnen DS als Assistenzsysteme beispielsweise Menschen mit einer Behinderung ein selbstbestimmteres Leben erm?glichen. Andererseits k?nnen solche Assistenzsysteme und Suchmaschinen unsere Privatsph?re sowie den Datenschutz verletzen und auch die Selbstbestimmung der Menschen unterwandern: DS k?nnen Menschen manipulieren, da sie aufgrund der enormen Daten über uns bildlich gesprochen genau wissen, welche Klaviertasten sie spielen müssen, damit bei uns die Musik erklingt – sprich: damit wir so einkaufen oder politisch so w?hlen oder abstimmen, wie sie das wollen. Solche politische Manipulation sowie Fake News und Desinformation bedrohen die Demokratie massiv.
?Menschenrechte fokussieren sich auf das Wesentliche und sind innovationsfreundlich.?Peter G. Kirchschl?ger
Um die Chancen von DS nachhaltig nutzen und die Risiken meistern oder vermeiden zu k?nnen, ist es notwendig, DS international zu regulieren. Die EU geht mit ihrem geplanten Gesetz über Künstliche Intelligenz1 einen Schritt in die richtige Richtung, da sie die Menschen und ihre Rechte h?her gewichtet als wirtschaftliche Interessen von ein paar multinationalen Tech-??Konzernen und staatlichen Missbrauch einschr?nkt. Zu verbessern w?re bei diesem Gesetz noch der Schutz von Menschen auf Flucht sowie die Vereinfachung der Beschwerdem?glichkeiten bei einer Beeintr?chtigung von Menschen durch DS.
Auf Menschenrechten basierend
Da die M?glichkeiten und Gefahren von DS enorm sind, und es sich um ein globales Thema handelt, müssen wir dieses darüber hinaus auch auf globaler Ebene angehen. Bei den ethischen ?berlegungen und Entscheidungen, was beim Design und der Nutzung von DS alles berücksichtigt werden soll, lohnt es sich, die Menschenrechte als Orientierungshilfe hinzuzuziehen. Menschenrechte haben den grossen Vorteil, dass sie auf einem einfachen Konzept beruhen und sich auf das Wesentliche fokussieren: Sie definieren Minimalstandards, die Menschen ein menschenwürdiges Leben garantieren. Gleichzeitig sind sie innovationsfreundlich, indem sie Menschen in ihrer Freiheit des Denkens, der Meinungs?usserung und des Informationszugangs schützen sowie die Pluralit?t durch die Achtung der Selbstbestimmung jedes Menschen f?rdern.
Ich habe vor zwei Jahren vorgeschlagen, dass DS immer auf Menschenrechten basierend entwickelt und betrieben werden sollten sowie bei der Uno eine internationale Agentur für datenbasierte Systeme (International Data-?Based Systems Agency, externe Seite IDA) geschaffen werden soll – ?hnlich der internationalen Atomenergiebeh?rde IAEA.2 Die IDA soll als Plattform für die technische Zusammenarbeit im Bereich von DS dienen, welche die Menschenrechte, die Sicherheit und die friedliche Nutzung von DS f?rdert, sowie als globale Aufsichts-? und Zulassungsbeh?rde fungieren.
Von The Elders aufgegriffen
The Elders – eine von Nelson Mandela gegründete unabh?ngige Gruppe globaler Leader, der unter anderem der ehemalige Uno-?Generalsekret?r Ban Ki Moon und die erste Pr?sidentin Irlands, Mary Robinson, angeh?ren – haben meine konkreten Handlungsvorschl?ge der menschenrechtsbasierten DS und einer internationalen Agentur zur ihrer ?berwachung unl?ngst übernommen und die Uno-?Mitgliedstaaten zum entsprechenden Handeln aufgefordert.3 Auch der Uno-?Generalsekret?r António Guterres hat menschenrechtsbasierte DS und international abgestimmtes Handeln hin zu einer institutionellen L?sung in seinem jüngsten Policy Brief aufgegriffen.4 Das freut mich und stimmt mich zuversichtlich.
Die Schaffung einer IDA ist realistisch, denn die Menschheit hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass sie in der Lage ist, nicht immer blind alles technisch M?gliche umzusetzen, sondern sich auf das technisch Machbare zu beschr?nken, wenn es um das Wohl der Menschheit und des Planeten geht.
Zum Beispiel hat die Menschheit auf dem Gebiet der Nukleartechnologie geforscht, Atombomben entwickelt und sie sogar mehrfach abgeworfen. Aber um noch Schlimmeres zu verhindern, hat dann der Mensch die Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Kerntechnik trotz massiven Widerstands massiv eingeschr?nkt. Letzteres ist insbesondere wegen internationalen Richtlinien, konkreter Durchsetzungsmechanismen und dank der IAEA, einer Uno-?Beh?rde, weitestgehend gelungen.
1 Europ?isches Parlament: externe Seite KI-?Gesetz: erste Regulierung der künstlichen Intelligenz, 8. Juni 2023
2 Peter G. Kirchschlaeger: Digital Transformation and Ethics: Ethical Considerations on the Robotization and Automation of Society and the Economy and the Use of Artificial Intelligence, Nomos: Baden-?Baden 2021
3 externe Seite The Elders urge global co-?operation to manage risks and share benefits of AI, Mai 2023
4 UN: externe Seite Our Common Agenda Policy Brief. A Global Digital Compact – an Open, Free and Secure Digital Future for All, Juni 2023