Mit Kakao-Fingerabdruck zu besserer Schokolade
Mit einer neuen Analysemethode will die Doktorandin Julie Lestang das chemische Profil von Kakaobohnen zuverl?ssig und schnell bestimmen. Damit schafft sie die Basis für eine kontrollierte Fermentation – und qualitativ hochwertige Schokolade.
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Julie Lestang weiss aus eigener Erfahrung, welche Konsequenzen es hat, wenn bei der Fermentation von Kakao unerwünschte Mikroorganismen am Werk sind. Bevor sie im November 2021 nach Zürich kam, arbeitete sie zwei Jahre lang an der Elfenbeinküste für die Kakao-Sparte eines internationalen Lebensmittelkonzerns. ?Ein grosses Problem sind Schimmelpilze?, sagt Lestang. ?Es kommt vor, dass die gesamte Kakaoladung eines Frachtschiffs weggeworfen werden muss, weil sie verschimmelt ankommt.?
Schimmel ist nicht nur ein geschmackliches, sondern auch ein gesundheitliches Problem, weil die Pilze gef?hrliche Mykotoxine produzieren. ?In unserem Forschungsprojekt suchen wir deshalb nach Mikroorganismen, die den Pilzbefall hemmen und zu einer kontrollierten und optimalen Fermentation der Kakaobohnen führen?, erkl?rt die franz?sische Agronomin, die zurzeit am Labor für Lebensmittelbiochemie an der ETH Zürich doktoriert und mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zusammenarbeitet. Einst wollte sie Chocolatière werden, nachdem sie mit der Schule eine Schokoladenfabrik besucht hatte. So weit kam es nicht, aber w?hrend des Agronomiestudiums in Montpellier, wo sie sich auf die Nahrungsmittelproduktion in mediterranen und tropischen L?ndern spezialisierte, wuchs Lestangs Interesse an der Kakaofrucht weiter an.
Fermentation besser kontrollieren
Bis eine Tafel Schokolade im Regal eines Einkaufladens steht, hat der Kakao nicht nur eine weite Reise hinter sich, sondern auch eine Reihe von Verarbeitungsschritten. Zentral ist dabei die Fermentation der Bohnen, ein natürlicher Prozess, der beginnt, sobald die grüne bis r?tlich-gelbe Kakaofrucht geerntet, aufgebrochen und die Bohnen in Holzk?sten zum Trocknen ausgelegt werden. Die Mikroorganismen, die natürlich in der Umgebung vorkommen und sich auf Werkzeugen, Bananenbl?ttern zum Abdecken oder den H?nden der Bauern und B?uerinnen befinden, bauen den Zucker des Fruchtfleischs ab, das die Bohnen umhüllt. Dabei werden diese warm und saurer. Das zerst?rt die Zellen der Bohne. ?Dies verhindert, dass die Samen keimen, sonst h?tte man bald viele kleine Kakaob?ume?, sagt Julie Lestang und lacht. W?hrend der Fermentation erhalten die Bohnen zudem ihre kakaobraune Farbe und den bitter-erdigen Geschmack, den schwarze Schokolade auszeichnet.
Qualit?t und Geschmack des Kakaos h?ngen weitgehend davon ab, welche Mikroorganismen an diesem Fermentationsprozess beteiligt sind. ?Wenn wir zu Beginn der Fermentation die Kakaobohnen mit der richtigen Mischung von Mikroorganismen behandeln, reduzieren wir Gesundheitsrisiken, Qualit?tsverlust und Lebensmittelabf?lle.?
Als pilzhemmende Fermentationsstarter setzen Lebensmitteltechnolog:innen Hefen und Milchs?urebakterien ein. Doch nicht alle Kakaobohnen reagieren gleich auf die Mikroorganismen, weil das chemische Profil und die Eigenschaften der Bohnen je nach Anbauregion und Kakaosorte variieren. Deshalb entwickelt Lestang in ihrem Projekt eine Methode, um den chemischen Fingerabdruck von Kakaobohnen zu bestimmen. Ausgehend davon wird ersichtlich, welche Fermentationsstarter eine Bohne am besten vor Pilzbefall schützen.
Für die Analyse nutzt die Forscherin die ?Rapid Evaporative Ionization Mass Spectroscopy? (REIMS), eine Methode, die vorwiegend in der Medizin für mikrobiologische Tests genutzt wird. Im Lebensmittelbereich kommt sie erst selten zum Zug. ?REIMS hat den Vorteil, dass sowohl die Probevorbereitung als auch die Auswertung viel weniger aufw?ndig und zeitintensiv ist als bei herk?mmlichen Testverfahren.?
Für die Analyse mahlt Lestang die Kakaobohnen und versetzt sie mit Wasser und Methanol. Die entstehende Suspension streicht sie auf eine Metallplatte und verbrennt sie anschliessend mit einer Art L?tkolben. Die entstehenden Gase werden durch ein Spektrometer entsprechend ihrer chemischen Zusammensetzung aufgeschlüsselt. Ein Diagramm bildet schliesslich den ?Fingerabdruck? der Kakaobohne ab.
Validierung in den Produktionsl?ndern
Lestang kooperiert im Projekt eng mit der Forschungsgruppe Lebensmittelbiotechnologie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Diese forscht seit über zehn Jahren gemeinsam mit Industriepartnern an der Verbesserung des Kakaoverarbeitungsprozesses. Die ZHAW-Forschenden haben nebst einer Sammlung von über 13'000 Mikroorgansimen ein Partnernetzwerk mit Produzenten und Produzentinnen in mehreren L?ndern Mittel- und Südamerikas aufgebaut. Eine ehemalige Doktorandin hatte in einer ersten Projektphase aus der Fermentation von Kakaobohnen in Honduras nahezu 800 Mikroorganismen isoliert und für eine sp?tere Anwendung getestet. Vier Kandidaten stellten sich dabei als besonders aussichtsreich heraus. Lestang kann auf diese Erfahrung und das Netzwerk zurückgreifen, um die Laborerkenntnisse in der Praxis zu prüfen.
Aktuell werden in den Kooperationsl?ndern erste Fermentationsstarter an Proben von 20 bis 50 Kilogramm Kakaobohnen getestet. Im kommenden Herbst wird die Forscherin für Tests nach Ecuador reisen. Stellt sich heraus, dass sich die Massenspektroskopieanalyse dazu eignet, schnell und zuverl?ssig passende Fermentationsstarter zu entwickeln, k?nnte sich dieses Verfahren im Lebensmittelbereich zunehmend durchsetzen, zum Beispiel auch bei der Verarbeitung von Kaffee. Davon ist Lestang überzeugt. Sie selbst will nach ihrer Doktorarbeit weiter mit Kakao arbeiten. Kürzlich hat die Agronomin an einem Institut in Grossbritannien eine Ausbildung zur Schokoladenverkosterin gemacht – ?in meiner Freizeit?, wie sie betont. ?Und meine Faszination für diese Frucht und deren Verarbeitung ist damit nur noch gr?sser geworden.?
Dieses Projekt findet im Rahmen des EU-Programmes RESPONSE statt und wird über das EU Rahmenprogramm Horizon 2020 (GA 847585) finanziert.