Betonwürfen und -zylinder nebeneinander gestapelt

Grüner Wandel in einer grauen Industrie

ETH-Forschende entwickeln einen ?grünen? Zement, bei dessen Produktion weniger CO2 ausgestossen wird, als bei traditionellem Zement. Das Projekt ?Ultra Green Concrete? soll dafür sorgen, dass der CO2-arme Hochleistungsbeton allgemein zug?nglich wird.

In Kürze

  • Beton ist das am h?ufigsten verwendete Baumaterial weltweit. Zement, das Bindemittel von Beton, verursacht etwa acht Prozent der globalen CO2-Emissionen.
  • Das Projekt ?Ultra Green Concrete? (UGC) von Materialwissenschaftler Franco Zunino zielt darauf ab, einen Beton zu entwickeln, der weniger CO2 emittiert, ohne die wesentlichen Materialeigenschaften zu beeintr?chtigen.
  • Er verfolgt eine Zweifach-Strategie, um CO2 einzusparen: Zum einen die Reduzierung des Klinkeranteils im Zement und zum anderen die Reduzierung des Zementanteils im Beton.

Beton ist das weltweit am meisten genutzte Baumaterial und bildet die Grundlage für die Infrastrukturen unserer modernen Gesellschaft. Er ist zum Teil wiederverwendbar und kann sogar beim Aush?rtungsprozess COaus der Atmosph?re binden. Dennoch übersteigt die w?hrend des Herstellungsprozesses freigesetzte Menge an CO2 bei Weitem die Menge, die sp?ter wieder gebunden werden kann. Deshalb verursacht die Betonindustrie auch etwa acht Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses – mehr als die Luft- und Schifffahrt zusammen. Franco Zunino, Senior Scientist am Institut für Baustoffe der ETH Zürich, m?chte mit seinem ?Ultra Green Concrete?-Ansatz die Formulierung von Beton ver?ndern.

Der bestm?gliche Beton

Beton besteht aus einer Mischung aus Zement, Gesteinsk?rnern und Wasser. Traditioneller Zement setzt sich aus etwa 95 Prozent Klinker und fünf Prozent Gips zusammen. Um Zement herzustellen, wird Kalkstein und Ton in einem auf 1450 Grad erhitzten Ofen zu Klinker gebrannt, wobei durch die chemische Zersetzung des Kalksteins zwangsl?ufig CO2 freigesetzt wird. Der enorme Energiebedarf des Ofens tr?gt zus?tzlich zu einer schlechteren Umweltbilanz bei.

Die EPFL hat bereits das Projekt ?Limestone Calcined Clay Cements? (LC3) initiiert, an dem Zunino aktiv beteiligt ist und das einen neuen Standard in der Zementherstellung gesetzt hat. Es entwickelte eine Zementformulierung, die 50 Prozent Klinker und eine Kombination aus gebranntem Ton und Kalkstein verwendet. Dies führte zu einer CO2-Reduktion von etwa 40 Prozent im Vergleich zu herk?mmlichem Zement. Allerdings k?nnen diese Umweltvorteile erheblich gesteigert werden, indem die Formulierung von Beton verbessert wird. Hier greift das UGC-Projekt von Franco Zunino am Department Bau, Umwelt und Geomatik (D-BAUG) der ETH Zürich.

Vergr?sserte Ansicht: Drei Mikroskopaufnahmen des LC3-50 Betons von links nach rechts mit abnehmender Zementgehalt ist eine dichtere Struktur zu erkennen.
Zu sehen sind drei LC3-basierte Betone mit unterschiedlichen Zementmengen. Mit abnehmendem Zementgehalt im Betongemisch steigt die Druckfestigkeit. (Bild: Franco Zunino)

Franco Zunino verfolgt für den neuen grünen Zement eine Doppelstrategie: Erstens soll der Klinkeranteil reduziert werden, und zweitens soll die Menge des Gesamtzements im Beton verringert werden. Diese Doppelstrategie bietet Flexibilit?t, um kohlenstoffarme Betonzusammensetzungen an individuelle M?rkte anzupassen. ?Ideal w?re es, beides gleichzeitig umzusetzen, die einzelnen Komponenten sind jedoch unabh?ngig voneinander. In einigen M?rkten ist es m?glicherweise schwierig, beide Aspekte der Doppelstrategie gleichzeitig umzusetzen, da Produktionskapazit?ten und Infrastruktur aufgebaut werden müssen. Dennoch besteht die M?glichkeit, zumindest einen davon zu realisieren und trotzdem CO2 einzusparen.?, erkl?rt Franco Zunino.

Berechnungen von Franco Zunino und seinem Team haben ergeben, dass der CO2-Ausstoss von ?ultra-grünem Beton? von 300 kg CO2 pro Kubikmeter auf etwa 80-100 kg pro Kubikmeter gesenkt werden konnte. Je nach Anwendung k?nnten somit bis zu zwei Drittel der CO2-Emissionen eingespart werden, ohne Kompromisse bei der Leistung des Materials einzugehen. Obwohl der Forscher betont, dass es so etwas wie einen inh?rent ?klimaneutralen? oder ?kohlenstoffnegativen? Beton nicht gibt, ist er der Ansicht, dass es in industrialisierten L?ndern keinerlei Ausreden gibt, warum man nicht umgehend auf das neue, nachhaltigere Baumaterial umsteigen sollte.

Kostengünstiger als traditioneller Beton

Ein Grund k?nnte sein, dass die Betonindustrie als nicht besonders innovativ gilt. Beton hat sich aufgrund seiner Kosteneffizienz, Sicherheit und Bedienungsfreundlichkeit als ?usserst erfolgreich erwiesen. Der ?grüne Beton? w?re laut Zunino sogar noch kostengünstiger als konventioneller Beton. Der Anteil an teuren Bestandteilen ist tiefer, wobei die Qualit?t und damit der Preis des Betons gleicht bleibt. Dies schafft finanzielle Anreize, um das umweltfreundlichere Material zu verwenden.

Natürlich geht es auch um Sicherheitsaspekte. Franco Zunino meint dazu: ?Alle, die ein Haus bauen, wünschen sich ein Material, das 100 Jahre lang h?lt. Aber wir müssen uns fragen, ob dies angesichts der erheblichen CO2-Emissionen wirklich sinnvoll ist. K?nnten wir stattdessen ein Material verwenden, das den erforderlichen Lebenszyklus der Struktur erreicht, aber erheblich weniger CO2 ausst?sst? In einem Szenario der Klimakrise ist eine heute eingesparte Tonne CO2 mehr wert als die gleiche Tonne, die in 50 Jahren eingespart wird.?

Vergr?sserte Ansicht: Fertige zylinderförmige Betonklötze auf einer Palette
Vom Labortest bis hin zum Prototypen: Testzylinder des LC3-Zements. (Bild: Franco Zunino)
Vergr?sserte Ansicht: Rötlicher Betonzylinder
Normalerweise zeichnen sich kalzinierte Ton-Zemente durch ihre r?tliche F?rbung aus, obwohl dies nicht immer der Fall ist, da es auch weisse und schwarze Tone gibt. (Bild: Franco Zunino)

Die Produktion von LC3 l?uft bereits

Zunino betont, dass kohlenstoffarmer Zement sogar langlebiger sei als herk?mmlicher. Derzeit gibt es weltweit etwa sieben Zementwerke, die Zement mit dem LC3-Ansatz produzieren. Franco Zunino geht davon aus, dass diese Zahl in den kommenden Jahren auf mehr als 40 ansteigen wird. ?Der Bedarf an Beton wird in Zukunft steigen. Unser Beitrag besteht darin, verbesserte Betonmischungen mit einem niedrigeren Zementanteil zu entwickeln und so trotzdem unsere Umweltziele zu erreichen.?, sagt Zunino. Er ist überzeugt, dass LC3 in zehn Jahren, die am weitesten verbreitete Zementart weltweit sein wird.

Literaturhinweis

F. Zunino. A two-fold strategy towards low-carbon concrete, RILEM Technical Letters, 8 (2023), doi: externe Seite 10.21809/rilemtechlett.2023.179

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