Dem Leben auf der Spur
Sascha Quanz sucht nach Spuren von Leben auf extrasolaren Planeten, die um fremde Sterne kreisen. Das Studium vom Leben und seiner Entstehung auf der Erde spielt dabei eine wichtige Rolle, ist der Astrophysiker überzeugt.
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Unsere Erde entstand vor zirka 4,5 Milliarden Jahren, und fossile Spuren von Leben sind unter anderen in Gestein nachweisbar, das über 3,5 Milliarden Jahre alt ist. Seither hat es sich weiterentwickelt, angepasst, ist aber nie wieder verschwunden. Leben finden wir überall auf der Erde. In jedem Kubikzentimeter Luft, in den Wüsten, in den Tiefen der Ozeane und der Erdkruste.
Pflanzen machen den mit Abstand gr?ssten Teil der Biomasse aus. Bakterien folgen als n?chstes. Tiere und Menschen hingegen tragen nur einen verschwindend geringen Anteil zur Gesamtbiomasse bei. Was einzelliges Leben betrifft, also Bakterien und sogenannte Archaea, so kennen wir einen Grossteil der Biomasse noch gar nicht. Das heisst: Selbst hier auf der Erde gibt es noch viel Leben zu entdecken.
Das Leben hat unsere Heimatplaneten signifikant mitgepr?gt. Nicht nur die Lebewesen selbst, sondern auch der Sauerstoff und das Methan, die von ihnen produziert werden, haben die Erdkruste, die Meere und die Atmosph?re nachhaltig ver?ndert. So g?be es ohne Pflanzen und Algen keinen Sauerstoff in der Atmosph?re. Und ohne Sauerstoff g?be es keine Tiere und Menschen. Alle Sph?ren und Lebewesen der Erde sind miteinander durch ein gigantisches chemisch-physikalisches Netzwerk verbunden.
Heutige Vielfalt entstammt einem einzigen Vorfahren
So unglaublich divers die Lebensformen auf der Erde auch erscheinen m?gen – Bakterien, Archaea, Pflanzen, Tiere – sie haben doch eine fundamentale Gemeinsamkeit: Alles, wirklich alles bekannte Leben auf der Erde l?sst sich auf einen einzigen gemeinsamen Ursprung zurückverfolgen. Das heisst nicht, dass es auf der frühen Erde nur einen Lebensursprung gegeben hat. Aber wenn es mehrere Ans?tze gab, so hat sich nur einer durchgesetzt.
Was wir allerdings nicht wissen, ist, wo, wie, und wann genau der ?bergang von unbelebter Materie zu Leben stattgefunden hat. Unser letzter gemeinsamer Vorfahre ?LUCA? (Last Universal Common Ancestor) war aus biologischer Sicht bereits ein sehr komplexes System, das alle Haupteigenschaften einer modernen Zelle, wie Stoffwechsel, Zellw?nde und Erbinformationen, in sich trug.
Beim Versuch, das Leben und dessen Ursprung naturwissenschaftlich zu erforschen, stehen wir vor einer spannenden Herausforderung. Zwar k?nnen wir dem Leben, wie wir es kennen, Attribute und Eigenschaften zuweisen und beschreiben, was Leben ?macht?, doch eine exakte naturwissenschaftliche Definition, was Leben wirklich ist, haben wir nicht.
Woher kommen wir?
Und so kommt es, dass wir eine der fundamentalsten Fragen der Menschheit bis heute nicht beantworten k?nnen: Wo kommen wir her? Es gilt zu verstehen, welche chemischen Bausteine auf der frühen Erde vorhanden waren, wie diese ersten Bausteine chemisch miteinander reagierten, um immer komplexere Moleküle und neue Funktionen hervorzubringen. Und so schliesslich die elementaren Bestandteile bereitstellten, aus denen sich erste zell?hnliche Einheiten bilden konnten.
?Je besser wir das irdische Leben verstehen, desto gr?sser ist unser Entdeckungsspielraum jenseits der Erde.?Sascha Quanz
Diese Prozesse wollen wir wissenschaftlich nachvollziehen und plausibel machen. Dabei ist es wichtig, für diese chemischen Reaktionen die richtigen ?usseren Bedingungen, wie sie damals auf der frühen Erde herrschten, zu kennen. Das betrifft zum Beispiel die Zusammensetzung und Dichte der frühen Atmosph?re und das Vorhandensein und die chemischen Eigenschaften von Wasser. Um sich diesen komplexen und vielschichtigen Fragen zu n?hern, braucht es koordinierte interdisziplin?re Ans?tze. Daher haben weltweit führende Universit?ten entsprechende Forschungszentren gegründet. Mit ihrem 2022 gegründeten Centre for Origin and Prevalence of Life spielt die ETH Zürich dabei eine wichtige Rolle.
Sind wir allein im Universum?
Eine weitere fundamentale Frage, die das Leben betrifft, ist jene nach Leben ausserhalb der Erde: Sind wir allein im Universum? Momentan ist die Erde der einzige Ort im Kosmos, von dem wir wissen, dass er Leben beheimatet. Ein empirischer Nachweis von Spuren des Lebens auf anderen Planeten oder Monden in unserem Sonnensystem, oder gar auf Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems, steht noch aus. Aus naturwissenschaftlicher Sicht w?re das eine Sensation und h?tte sicherlich Auswirkungen für andere Fachgebiete wie Philosophie, Soziologie, Religion oder Ethik. Es würde darauf hindeuten, dass die Entstehung von Leben gegebenenfalls universeller und nicht an bestimmte, einmalige Anfangsbedingungen geknüpft ist.
Da kommen die sogenannten Exoplaneten ins Spiel. Also Planeten, die nicht um unsere Sonne, sondern um andere Sterne kreisen. In den letzten 30 Jahren wurden mehr als 5500 dieser Exoplaneten entdeckt, und es werden nahezu w?chentlich mehr. Die meisten befinden sich innerhalb von nur 3000 Lichtjahren von uns und viele sogar in unmittelbarer Nachbarschaft der Sonne; sogar der sonnenn?chste Stern, Proxima Centauri, wird von mindestens zwei Planeten umkreist.
Statistisch gesehen sollte jeder Stern Planeten haben und viele davon haben Massen, Gr?ssen und Umlaufbahnen, die unserer Erde ?hnlich sind. Noch wissen wir sehr wenig über diese anderen Welten und k?nnen ihre Bedingungen nur erahnen. Für den m?glichen Nachweis einer ?Erde 2.0? bedarf es einer neuen Generation von bodengebundenen und weltraumbasierten Teleskopen, wie zum Beispiel die an der ETH Zürich vorangetriebenen ?LIFE? Mission (externe Seite www.life-space-mission.com), welche erd?hnliche Exoplaneten detailliert charakterisieren wird. Der Nachweis von Leben wird in diesem Fall über die Analyse der Atmosph?ren der Exoplaneten führen: Denn Leben, wie wir es kennen, hinterl?sst seine Spuren überall, auch in der Atmosph?re.
?Dem Ursprung und der Natur von Leben n?her zu kommen sowie seine m?gliche Verbreitung ausserhalb der Erde zu untersuchen, ist für mich eine der gr?ssten und spannendsten Herausforderungen der modernen Naturwissenschaften.?Sascha Quanz
Zukünftige Missionen wie die ?LIFE? Mission werden in der Lage sein, die atmosph?rische Zusammensetzung bei Dutzenden erd?hnliche Exoplaneten zu untersuchen, um diese biologischen Signaturen aufzuspüren. Die Crux dabei: Wir k?nnen nur suchen, was wir kennen und verstehen. Es ist logischerweise schwierig, Spuren unbekannten Lebens, aufzuspüren. Auch deshalb ist es wichtig, dass wir die Suche nach noch nicht bekannten oder neuen Lebensformen auch hier auf der Erde fortsetzen. Je besser wir das irdische Leben verstehen, desto gr?sser ist unser Entdeckungsspielraum jenseits der Erde.
Mit dem Wissen w?chst die Bewunderung
Das Leben auf der Erde in seiner fantastischen Vielfalt, unvorstellbaren Komplexit?t und enormen Widerstandskraft verdient unsere respektvolle Bewunderung. Und entsprechend sollten wir es behandeln.
Dem Ursprung und der Natur von Leben n?her zu kommen sowie seine m?gliche Verbreitung ausserhalb der Erde zu untersuchen, ist für mich eine der gr?ssten und spannendsten Herausforderungen der modernen Naturwissenschaften. Vielleicht befindet sich ein bewohnbarer Exoplanet in unserer unmittelbaren astronomischen Nachbarschaft. Vielleicht ist die Entstehung von Leben ein kosmischer Imperativ. Vielleicht ist das Leben sogar noch faszinierender als wir es uns bisher vorstellen k?nnen. Finden wir es heraus.
Dieser Blogbeitrag ist ebenfalls in der externe Seite NZZ erschienen.