Forschende von der ETH Zürich, Empa und Stanford haben Schnappschüsse der Kristallstruktur von Perovskit-Nanokristallen gemacht, w?hrend sie von angeregten Elektronen verformt wurde. ?berraschend bog die Verformung die schiefe Kristallstruktur gerade, anstatt sie ungeordneter zu machen.
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In Kürze
- Forschende haben extrem kurze Elektronenpulse benutzt, um damit Schnappschüsse von dem Kristallgitter von Perovskit-Nanokristallen mit Pikosekunden-Aufl?sung zu machen, w?hrend die Kristalle Photonen absorbierten.
- Es stellte sich heraus, dass die von den Photonen angeregten Elektronen das schiefe Kristallgitter der Nanokristalle geradebog, was zu einer effektiven Anziehungskraft zwischen den Exzitonen (gebundene Paare von Elektronen und L?chern) führte.
- Ein besseres Verst?ndnis des Ursprungs der Kopplung zwischen angeregten Elektronen und Schwingungen des Kristallgitters erm?glicht es, zukünftig Perovskite mit besonderen optischen Eigenschaften herzustellen.
So manches wissenschaftliche und technische Problem k?nnte leicht gel?st werden, wenn es m?glich w?re, in ein Material hineinzusehen und seine Atome und Elektronen beim Hin-? und Herschwingen zu beobachten. Im Fall der Halid-?Perovskite, einer Sorte von Mineralen, die in den letzten Jahren beliebt geworden ist für Anwendungen in verschiedenen Technologien von Solarzellen bis zu Quantentechnologien, haben Physiker:innen lange versucht, deren hervorragenden optischen Eigenschaften zu verstehen. Ein Forscherteam unter der Leitung von Nuri Yazdani und Vanessa Wood an der ETH Zürich und Aaron Lindenberg in Stanford, hat nun gemeinsam mit Kollegen der Empa in Dübendorf einen wesentlichen Beitrag zum Verst?ndnis von Perovskiten geleistet: Die Forschenden haben die Bewegungen von Atomen in Nanokristallen mit einer zeitlichen Aufl?sung von wenigen Milliardstel Sekunden untersucht. Ihre Ergebnisse haben sie kürzlich im Fachjournal Nature Physics ver?ffentlicht.
?Halid-?Perovskite sind toll für viele Anwendungen in der Opto-?Elektronik?, sagt Yazdani, ?aber es ist in gewisser Weise verblüffend, dass diese Materialklasse solche hervorragenden optischen und elektronischen Eigenschaften haben kann.? Pervoskite sind Minerale, die dieselbe Art von Kristallstruktur haben wie das ?originale? Perovskit Calciumtitanat (CaTiO3). Es war bereits bekannt, dass Elektronen, die zu h?heren Energien angeregt werden, wenn Perovskite Licht absorbieren, stark an Phononen im Material koppeln. Phononen sind, ?hnlich wie Schallwellen, kollektive Schwingungen der Atome in einem Kristall.
?Oftmals kann man die mittlere Position jedes Atoms in einem Kristall als starr betrachten, aber das ist nicht mehr m?glich, wenn die optische Anregung eines Elektrons zu einer ausgedehnten Reorganisierung des Kristallgitters führt?, erkl?rt Yazdani. Die Frage, welche die Forschenden beantworten mussten, war also: Wie ?ndern angeregte Elektronen in Perovskiten die Form des Kristallgitters?
Ein Blick ins Innere von Nanokristallen
Um einen Blick ins Innere eines Perovskits (Formamidinium-?Blei-Bromid) zu werfen, das Maryna Bonarchuk und ETH-?Professor Maksym Kovalenka an der Empa synthetisiert hatten, benutzten die Forschenden die ultraschnelle Elektronenbeugungs-?Strahllinie am Stanford National Accelerator Laboratory (SLAC), die sehr kurze, nur wenige hundert Femtosekunden (Millionstel einer Millionstel Sekunde) andauernde Elektronenpulse herstellt. Diese Elektronen treffen dann auf die nur 10 Nanometer grossen Perovskit-?Nanokristalle, und die gebeugten Elektronen werden auf einem Schirm gesammelt. Da Elektronen Quantenteilchen sind, die sich wie Wellen verhalten, überlagern sie sich nach der Beugung an den Atomen im Material entweder konstruktiv oder desktruktiv, je nach Position der Atome und der Beugungsrichtung – ganz ?hnlich wie Licht, das einen Doppelschlitz passiert hat. Selbst winzige ?nderungen in der Kristallstruktur k?nnen so gemessen werden.
Die ETH-?Forschenden nutzten eine Besonderheit der Strahllinie am SLAC, um Schnappschüsse von der Kristallstruktur w?hrend und nach der Absorbierung eines Photons zu machen: Indem sie den selben Laser zur Aussendung der Photonen und zur Ausl?sung des Elektronenpulses verwendeten, konnten sie die relative Ankunftszeit der Photonen und der Elektronen an den Nanokristallen kontrollieren durch ?nderung der Strecke, welche die Photonen zurücklegten. Durch Auswertung dieser Schnappschüsse über mehrere hundert Pikosekunden (Milliardstel Sekunden) war es m?glich zu sehen, wie die durch die angeregten Elektronen verursachte Verformung des Kristallgitters sich zeitlich entwickelte.
?berraschend gr?ssere Symmetrie
Die Ergebnisse überraschten die Forschenden. Sie hatten erwartet, dass die Verformung des Kristallgitters eine Reduzierung seiner Symmetrie zur Folge haben sollte. Stattdessen beobachteten sie eine leicht gr?ssere Symmetrie – die angeregten Elektronen hatten also die krumme Kristallstruktur des Perovskits ein wenig geradegebogen. Aus Modellrechnungen konnten sie schlie?en, dass mehrere Exzitonen – gebundene Paare von angeregten Elektronen und positiv geladenen L?chern, die nach der Anregung zurückbleiben – das Gitter gemeinsam geradebiegen konnten. Weil dadurch ihre Gesamtenergie abnimmt, zogen sich die Exzitonen effektiv gegenseitig an.
Passgenaue optische Eigenschaften für Perovskite
?Ein Verst?ndnis des Ursprungs der Elektronen-Phononen-Kopplung wird es in Zukunft leichter machen, Perovskite mit bestimmten, auf einzelne Anwendungen zugeschnittenen optischen Eigenschaften herzustellen?, sagt Yazdani. Zum Beispiel k?nnen Perovskit-Nanokristalle, die in der n?chsten Generation von Fernsehger?ten eingesetzt werden, mit einer Schale aus einem anderen Material ummantelt werden, um so die Elektronen-Phononen-Kopplung und damit die spektrale Linienbreite des ausgesendeten Lichts zu reduzieren. Dies wurde bereits 2022 von mehreren der Mitautoren des Nature Physics-Artikels gezeigt. Da die anziehende Wechselwirkung zwischen den Elektronen dem Mechanismus ?hnelt, der den verlustfreien Stromfluss in Supraleitern erm?glicht, k?nnte diese Anziehung auch zum Verbessern des Elektronentransports ausgenutzt werden. Das wiederum k?nnte zur Herstellung von Perovskit-basierten Solarzellen nützlich sein.
Literaturhinweise
Yazdani, N., Bodnarchuk, M.I., Bertolotti, F., Kovalenko, M.V., Wood, V., Lindenberg, A.L. et al. Coupling to octahedral tilts in halide perovskite nanocrystals induces phonon-mediated attractive interactions between excitons. Nat. Phys. (2023). Doi: externe Seite 10.1038/s41567-023-02253-7
?Rainò, G., Yazdani, N., Wood, V., Kovalenko M.V., et al. Ultra-Narrow Room-Temperature Emission from Single CsPbBr3 Perovskite Quantum Dots. Nat. Commun. 2022, 13, 2587. ? Doi: externe Seite 10.1038/s41467-022-30016-0