Mit Schallwellen durchs Gehirn
Forschende haben erstmals gezeigt, dass sich Mikrovehikel über Ultraschall durch die Blutgef?sse des Gehirns von M?usen steuern lassen. Dies soll dereinst neue Therapien erm?glichen, mit denen punktgenau Medikamente verabreicht werden.
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In Kürze
- Eine in den vergangenen Jahren an der ETH Zürich entwickelte Technologie zur Steuerung von Mikrovehikeln mit Ultraschall funktioniert auch im Gehirn, wie Forschende nun zeigen konnten.
- Als Mikrovehikel dienen Gasbl?schen. Diese sind ungef?hrlich und l?sen sich nach getaner Arbeit auf.
- In Zukunft k?nnten diese Mikrovehikel mit Medikamenten bestückt werden, um diese im Gehirn gezielt abzugeben. Dies k?nnte die Wirkung der Medikamente erh?hen und ihre Nebenwirkungen verringern.
Hirntumore, Hirnblutungen sowie neurologische und psychische Erkrankungen lassen sich oft nur schwer mit Medikamenten behandeln. Selbst wenn es wirksame Medikamente gibt, haben diese oft starke Nebenwirkungen, weil sie im ganzen Gehirn zirkulieren und nicht nur in dem Bereich, in dem sie wirken sollen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler setzen daher grosse Hoffnungen in die M?glichkeit, Medikamente im Gehirn künftig gezielter an einem eng begrenzten Wirkort zu deponieren. Sie sind deshalb daran, Mini-Transportvehikel zu entwickeln, die sie durch die reich verzweigten Blutbahnen steuern k?nnen.
Forschenden der ETH Zürich, der Universit?t und des Universit?tsspitals Zürich ist es nun erstmals gelungen, mit Mikrovehikeln, die sich mit Ultraschall steuern lassen, durch die Blutgef?sse im Gehirn eines Tieres zu navigieren.
Ultraschall statt Magnetismus
Gegenüber alternativen Navigationstechniken wie jener über Magnetfelder, hat Ultraschall Vorteile, wie Daniel Ahmed, Professor für Akustische Robotik an der ETH Zürich und Leiter der Studie, erkl?rt: ?Ultraschall wird in der Medizin bereits breit eingesetzt, dringt tief in den K?rper ein und ist sicher.?
Als Mikrovehikel nutzten er und seine Kolleg:innen gasgefüllte Bl?schen mit einer Hülle aus Fetts?uren – demselben Bestandteil, aus dem die Membranen biologischer Zellen bestehen. Die Bl?schen haben einen Durchmesser von eineinhalb Mikrometern und werden heute als Kontrastmittel in der Ultraschall-Bildgebung eingesetzt.
Wie die Forschenden nun zeigen, lassen sich diese Bl?schen durch die Blutbahn steuern. ?Da die Vesikel bereits für den Einsatz beim Menschen zugelassen sind, werden wir unsere Technologie wahrscheinlich schneller zur Zulassung und Anwendung beim Menschen bringen k?nnen als alternative Mikrovehikel, an denen derzeit geforscht wird?, sagt Ahmed, der für sein Projekt zur Erforschung und Entwicklung dieser Technologie 2019 einen ?Starting Grant? des Europ?ischen Forschungsrats ERC erhalten hat.
Ein weiterer Vorteil der ultraschallgesteuerten Mikrobl?schen ist, dass sie sich nach getaner Arbeit im K?rper zersetzen. Bei der Steuerung über Magnetfelder, einem anderen Ansatz, müssen die Mikrovehikel magnetisch sein, und es ist nicht ganz einfach biologisch abbaubare magnetische Mikrovehikel zu entwickeln. Ausserdem sind die Mikrobl?schen der ETH-Forschenden klein und weich. ?Wir k?nnen damit leicht durch enge Blutkapillaren navigieren?, sagt Alexia Del Campo Fonseca, Doktorandin in Ahmeds Gruppe und Erstautorin der Studie.
Transport gegen die Fliessrichtung
Die Steuerung der Mikrobl?schen in engen Gef?ssen haben Ahmed und seine Gruppe in den vergangenen Jahren im Labor entwickelt. Nun hat er sie zusammen mit Forschenden der Universit?t und des Universit?tsspitals Zürich in den Blutgef?ssen des Gehirns von M?usen getestet. Die Forschenden injizierten die Bl?schen in den Blutkreislauf der M?use. Ohne ?ussere Kontrolle werden die Bl?schen vom Blutstrom mitgerissen. Den Forschenden gelang es jedoch, die Vesikel mit Ultraschall an Ort zu halten oder sie gegen die Fliessrichtung des Bluts durch Gehirngef?sse zu steuern. Die Forschenden konnten die Bl?schen auch über verschlungene Blutbahnen lenken oder sie die Richtung mehrfach wechseln lassen um sie in feinste Ver?stelungen der Blutgef?sse zu navigieren.
Um die Mikrovehikel zu steuern, haben die Forschenden aussen am Sch?del der M?use vier kleine Energiewandler befestigt. Diese erzeugen Schwingungen im Ultraschallbereich, die sich im Gehirn als Wellen ausbreiten. Dabei k?nnen sich die Wellen von zwei oder mehreren Energiewandlern an bestimmten Stellen im Gehirn gegenseitig ausl?schen oder verst?rken. Die Wissenschaftler:innen navigieren die Bl?schen über eine ausgeklügelte dynamische Steuerung der einzelnen Energiewandler. Ein Echtzeit-Bildfeedback zeigt ihnen dabei, wohin sich die Bl?schen bewegen.
Für die Bildgebung in dieser Studie nutzten die Forschenden die Zweiphoton-Mikroskopie. In Zukunft m?chten die Wissenschaftler:innen auch Ultraschall zur Bildgebung nutzen, wozu sie die Ultraschalltechnik weiterentwickeln wollen.
In dieser Studie waren die Mikrobl?schen nicht mit Medikamenten bestückt. Die Forschenden wollten zun?chst die Vehikel durch die Blutgef?sse steuern und die Machbarkeit im Gehirn aufzeigen. Dort liegen vielversprechende medizinische Anwendungen, von Krebs über Schlaganf?llen bis zu psychischen Erkrankungen. In einem n?chsten Schritt m?chten die Forschenden Wirkstoffmoleküle für den Transport aussen an die Bl?schenhülle heften. Und sie m?chten das gesamte Verfahren so weiterentwickeln, dass es auch im Menschen funktioniert. Darauf basierend sollen in Zukunft neue Therapien entwickelt werden.
Literaturhinweis
Del Campo Fonseca A, Glück C, Droux J, Ferry Y, Frei C, Wegener S, Weber B, El Amki M, Ahmed D: Ultrasound trapping and navigation of microrobots in the mouse brain vasculature. Nature Communications 2023, 14: 5889, doi: externe Seite 10.1038/s41467-023-41557-3.