Mit neuer Ionenfalle zu grösseren Quantencomputern
Forschenden der ETH Zürich ist es gelungen, Ionen mittels statischen elektrischen und magnetischen Feldern einzufangen und an ihnen Quantenoperationen durchzuführen. In Zukunft k?nnten mit solchen Fallen Quantencomputer mit deutlich mehr Quantenbits als bisher realisiert werden.
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In Kürze
- Die Verwendung von schwingenden elektromagnetischen Feldern in Ionenfallen beschr?nkt bei Quantencomputern derzeit die Anzahl von m?glichen Quantenbits.
- ETH-Forschende haben nun mittels eines mikrofabrizierten Chips eine Ionenfalle nur aus statischen Feldern – einem elektrischen und einem Magnetfeld – erzeugt, in welcher Quantenoperationen durchgeführt werden k?nnen.
- In dieser Falle kann man die Ionen beliebig transportieren. Und auf einem Chip haben mehrere solcher Fallen Platz.
Die Energiezust?nde der Elektronen in einem Atom unterliegen den Gesetzen der Quantenmechanik: Das heisst, sie sind nicht kontinuierlich verteilt, sondern beschr?nken sich auf bestimmte, festgelegte Werte – was man als quantisiert bezeichnet. Solche quantisierten Zust?nde sind die Basis für Quantenbits (Qubits), mit denen Wissenschaftler:innen extrem rechenstarke Quantencomputer konstruieren wollen. Dazu müssen die Atome abgekühlt und an einem Ort festgehalten, also gefangen werden.
Das Fangen kann dadurch erreicht werden, dass man die Atome ionisiert, ihnen also eine elektrische Ladung gibt. Mit zeitlich konstanten elektrischen Feldern allein kann man einzelne geladene Teilchen nicht dauerhaft einfangen, das folgt aus den Gesetzen der Elektrodynamik. Fügt man dagegen ein oszillierendes – sprich schwingendes – elektromagnetisches Feld hinzu, erh?lt man eine stabile Ionen-Falle, auch Paul-Falle genannt.
Auf diese Weise ist es in den letzten Jahren gelungen, Quantencomputer mit Ionenfallen für rund 30 Qubits zu bauen. Sehr viel gr?ssere Computer sind mit dieser Technik allerdings nicht einfach zu realisieren. Die oszillierenden Felder machen es schwierig, mehrere solcher Fallen auf einem Chip zu vereinen, und sie führen zum Aufheizen der Falle – ein Problem, dass vor allem in gr?sseren Systemen zum Tragen kommt. Zudem ist der Transport von Ionen auf gerade Linien begrenzt, die durch Kreuzungen verbunden sind.
Ionenfalle mit Magnetfeld
Forschende der ETH Zürich unter der Leitung von Jonathan Home haben jetzt gezeigt, dass man auch mit statischen Magnetfeldern – anstelle der oszillierenden Felder – Ionenfallen bauen kann, die sich für Quantencomputer eignen. In diesen statischen Fallen mit zus?tzlichem Magnetfeld, Penning-Fallen genannt, k?nnen sowohl der beliebige Transport als auch die notwendigen Operationen für die künftigen Superrechner ausgeführt werden. Ihre Ergebnisse haben die Physiker:innen soeben im Wissenschaftsjournal Nature ver?ffentlicht.
?Traditionell werden Penning-Fallen benutzt, wenn man für Pr?zisionsexperimente sehr viele Ionen einfangen will, diese aber nicht individuell kontrollieren muss?, sagt ETH-Doktorand Shreyans Jain: ?In den kleineren Quantencomputern mit Ionen werden dagegen Paul-Fallen eingesetzt.?
Die Idee der ETH-Forschenden, künftig auch Quantencomputer mit Penning-Fallen zu bauen, stiess bei Kolleg:innen zun?chst auf Skepsis. Für die Vorbehalte gibt es einige Gründe: Für Penning-Fallen braucht man extrem starke Magnete, die sehr teuer und recht klobig sind. Zudem waren bislang alle Penning-Fallen sehr symmetrisch, was bei den Chip-Fallen an der ETH nicht der Fall ist. Und führt man Experimente in einem grossen Magneten durch, wird es schwierig, die für die Kontrolle der Qubits n?tigen Laserstrahlen in die Falle zu leiten. Zudem vergr?ssern starke Magnetfelder den Abstand zwischen den Qubit-Energiezust?nden. Das wiederum macht die Kontroll-Lasersysteme viel komplizierter: Anstelle eines einfachen Diodenlasers ben?tigt man gleich mehrere phasengekoppelte Laser.
Transport in beliebige Richtungen
Von all diesen Schwierigkeiten liessen sich Home und seine Mitarbeitenden aber nicht abschrecken. Sie konstruierten eine Penning-Falle, die auf einem supraleitenden Magneten und einem mikrofabrizierten Chip mit mehreren Elektroden basiert, welcher an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig hergestellt wurde. Der verwendete Magnet liefert ein 3 Tesla starkes Feld, also fast 100’000 Mal st?rker als das Erdmagnetfeld. Durch ein System von gekühlten Spiegeln gelang es den Forschenden aus Zürich, das n?tige Laserlicht durch den Magneten zu den Ionen zu schleusen.
Die Mühen lohnten sich: Ein einzelnes gefangenes Ion, das mehrere Tag lang in der Falle verweilen kann, konnte nun durch Ansteuern der verschiedenen Elektroden auf dem Chip schnurgerade und beliebig hin- und herbewegt werden – dies war bei den herk?mmlichen Systemen mit oszillierenden Feldern nicht m?glich. Da keine oszillierenden Felder zum Einfangen gebraucht werden, k?nnen viele solcher Fallen auf einem Chip untergebracht werden. ?Wir k?nnen die einmal elektrisch aufgeladenen Elektroden sogar komplett von der Aussenwelt abkoppeln und so untersuchen, wie stark die Ionen durch ?ussere Einflüsse gest?rt werden?, sagt Tobias S?gesser, der als Doktorand am Experiment beteiligt war.
Koh?rente Kontrolle des Qubits
Die Forschenden demonstrierten ausserdem, dass sich auch die Qubit-Energiezust?nde des gefangenen Ions kontrollieren liessen, unter Beibehaltung der quantenmechanischen ?berlagerung. Diese koh?rente Kontrolle klappte sowohl mit den elektronischen (inneren) Zust?nden des Ions als auch mit den (?usseren) quantisierten Schwingungszust?nden in der Penning-Falle und auch für die Kopplung zwischen inneren und ?usseren Quantenzust?nden. Letztere ist eine Voraussetzung für die Herstellung von Verschr?nkungszust?nden, die für Quantencomputer wichtig sind.
Als N?chstes will Home zwei Ionen in benachbarten Penning-Fallen auf demselben Chip fangen und so nachweisen, dass auch Quantenoperationen mit mehreren Qubits ausgeführt werden k?nnen. Damit w?re dann endgültig belegt, dass Quantencomputer mit Ionen in Penning-Fallen realisiert werden k?nnen. Auch weitere Anwendungen kann sich der Professor vorstellen: Da die Ionen in der neuen Falle beliebig bewegt werden k?nnen, lassen sich mit ihnen elektrische, magnetische oder Mikrowellenfelder in der N?he von Oberfl?chen messen. Dies er?ffnet die M?glichkeit, solche Systeme als atomare Sensoren für Oberfl?cheneigenschaften zu verwenden.
Literaturhinweis
Jain S, S?gesser T, Home J et al. Penning micro-trap for quantum computing. Nature (2024). DOI: externe Seite 10.1038/s41586-024-07111-x.