Ein neues molekulares Testverfahren hilft, die Echtheit von Kunstwerken nachzuweisen. Zudem k?nnte die neue Methode helfen, Passw?rter auch vor Quantencomputern sicher zu machen.
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In Kürze
- In der Kryptografie und der digitalen Welt sind sogenannte Einwegfunktionen zentral. ETH-Forschende haben nun eine solche Funktion für die physische Welt entwickelt.
- Ihre neue Technologie basiert auf einem Pool von hundert Millionen verschiedenen DNA-Molekülen und ist f?lschungssicher.
- Statt mit Algorithmen arbeitet die Methode mit der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und der DNA-Sequenzierung.
Sicherheitsexperten fürchten den Q-Day, den Tag, an dem Quantencomputer so leistungsf?hig werden, dass sie heutige Passw?rter knacken k?nnen. Gewisse Experten sch?tzen, dass es keine zehn Jahre mehr dauert, bis es soweit ist. Passwortprüfungen basieren auf kryptografischen Einwegfunktionen, die aus einem Eingabewert einen Ausgabewert berechnen. Damit kann man die Gültigkeit eines Passworts überprüfen, ohne das Passwort selbst zu übermitteln. Die Einwegfunktion wandelt das Passwort in einen Ausgabewert um, anhand dessen zum Beispiel im Onlinebanking die Gültigkeit überprüft werden kann. Das Besondere an Einwegfunktionen ist, dass sich aus dem Ausgabewert nicht auf den Eingabewert, also das Passwort, schliessen l?sst. Zumindest nicht mit den heutigen Mitteln. Mit Quantencomputern k?nnte diese Rückw?rtsberechnung künftig jedoch einfacher werden.
Forschende der ETH Zürich stellen nun eine kryptographische Einwegfunktion vor, die anders funktioniert als heutige und auch in Zukunft sicher sein wird. Dabei werden die Daten nicht mit Rechenoperationen verarbeitet, sondern als Abfolge von DNA-Bausteinen gespeichert.
Auf echtem Zufall basierend
?Unser System basiert auf echtem Zufall. Eingabe- und Ausgabewert sind physisch miteinander verbunden, und man kann nur vom Eingabe- zum Ausgabewert gelangen, nicht umgekehrt?, erkl?rt Robert Grass, Professor am Departement Chemie und angewandte Biowissenschaften. ?Da es sich um ein physisches und nicht um ein digitales System handelt, kann es auch nicht von einem Algorithmus entschlüsselt werden, auch nicht durch einen, der auf einem Quantencomputer l?uft?, erg?nzt Anne Lüscher, Doktorandin in der Gruppe von Grass. Sie ist Erstautorin der Arbeit, die sie in der Fachzeitschrift externe Seite Nature Communications ver?ffentlicht hat.
Mit dem neuen System haben die Forschenden auch eine f?lschungssichere M?glichkeit geschaffen, die Echtheit von wertvollen Gegenst?nden wie Kunstwerken zu zertifizieren. Ausserdem k?nnte die Technologie eingesetzt werden, um Rohstoffe und Industrieprodukte rückverfolgen zu k?nnen.
So funktionierts
Die neue biochemische Einwegfunktion basiert auf einem Pool von hundert Millionen verschiedenen DNA-Molekülen. Jedes der Moleküle enth?lt zwei Abschnitte mit einer zuf?lligen Abfolge von DNA-Bausteinen: ein Abschnitt für den Eingabewert und einen für den Ausgabewert. Von jedem dieser DNA-Moleküle gibt es im Pool einige hundert identische Kopien, und der Pool kann auch in mehrere Pools aufgeteilt werden. Diese sind identisch, weil sie die gleichen Zufalls-DNA-Moleküle enthalten. Die Pools k?nnen sich an verschiedenen Orten befinden, oder man kann sie in Gegenst?nde einbauen.
Wer einen solchen DNA-Pool besitzt, besitzt das Schloss des Sicherheitssystems. Mithilfe der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) kann ein Schlüssel oder Eingabewert – eine kurze Abfolge von DNA-Bausteinen – getestet werden. Dieser Schlüssel sucht w?hrend der PCR im Pool der hundert Millionen DNA-Moleküle nach dem Molekül mit passendem Eingabewert, und die PCR vervielf?ltigt dann den Ausgabewert, der sich auf dem gleichen Molekül befindet. Mittels DNA-Sequenzierung wird der Ausgabewert lesbar gemacht.
?DNA-Moleküle mit eingebauter Zuf?lligkeit herzustellen, ist einfach und billig.?Robert Grass
Das Prinzip erscheint auf den ersten Blick kompliziert. ?DNA-Moleküle mit eingebauter Zuf?lligkeit herzustellen, ist jedoch einfach und billig?, erkl?rt Grass. Die Produktionskosten für einen DNA-Pool, der sich aufteilen l?sst, dürften unter einem Franken liegen. Aufw?ndiger und teurer ist es, den Ausgabewert mittels DNA-Sequenzierung auszulesen. Die dafür notwendigen Ger?te sind heute aber in vielen Biologielabors vorhanden.
Die ETH Zürich hat die neue Technologie zum Patent angemeldet. Die Forschenden wollen sie nun noch optimieren und bis zur Marktreife weiterentwickeln. Weil die Nutzung der Methode spezialisierte Laborinfrastruktur ben?tigt, sehen die Wissenschaftler:innen die Anwendung der Passwortüberprüfung derzeit vor allem bei hoch schützenswerten Gütern oder beim Zugang zu Geb?uden mit restriktiven Zutrittsregelungen. Bevor die Technologie auch in der breiten Gesellschaft zur ?berprüfung von Passw?rtern eingesetzt werden kann, müsste insbesondere die DNA-Sequenzierung einfacher werden.
Wertvolle Güter und Lieferketten sichern
Schon etwas ausgereifter ist die Idee, die Technologie zur f?lschungssicheren Zertifizierung von Kunstwerken zu nutzen. Existieren von einem Bild beispielsweise zehn Exemplare, kann der Künstler diese mit dem DNA-Pool markieren: Er kann die DNA zum Beispiel in die Farbe mischen, sie auf das Werk aufsprühen oder an einer bestimmten Stelle anbringen.
Wollen sich mehrere Eigentümer sp?ter die Echtheit dieser Kunstwerke best?tigen lassen, so k?nnen sie sich zusammenschliessen, einen Schlüssel (also einen Eingabewert) vereinbaren und den DNA-Test durchführen. Ergibt der Test in allen F?llen den gleichen Ausgabewert, sind alle getesteten Exemplare echt. Auch k?nnten mit der neuen Technologie Kryptowerte wie NFT, die nur in der digitalen Welt existieren, mit einem Objekt und damit der physischen Welt verknüpft werden.
Weiter k?nnten auch Lieferketten von Industriegütern oder Rohstoffen f?lschungssicher nachverfolgt werden. ?Die Luftfahrtindustrie muss zum Beispiel lückenlos nachweisen k?nnen, dass sie ausschliesslich Originalbauteile verwendet. Unsere Technologie kann die Rückverfolgbarkeit garantieren?, sagt Grass. Ausserdem k?nnte die Methode eingesetzt werden, um die Echtheit von Original-Medikamenten oder Kosmetika zu kennzeichnen.
Literaturhinweis
Luescher AM, Gimpel AL, Stark WJ, Heckel R, Grass RN: Chemical unclonable functions based on operable random DNA pools. Nature Communications, 5. April 2024, doi: externe Seite 10.1038/s41467-024-47187-7